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Full text of "Unsere Zeit 46.9 (2014 Feb 28)"

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Sozialistische 
Wochenzeitung - 
Zeitung der DKP 
www.unsere-zeit.de 


Spielräume 

Bei ver.di wird die 
Tarifrunde des öf¬ 
fentlichen Dienstes 
diskutiert. 

Seite 2 


Frühe Wende der „Groko“ 

Der „Fall Edathy“ ist eigentli¬ 
cher keiner, aber er verändert 
die Große Koalition mitten im 
Honigmond. 

Seite 5 


1914 und die Mauer 

Ludwig Elm über Jahres¬ 
tage, die deutsche Rechte 
und Geschichts-Gauck- 
lertum. 

Seite io 


28. Februar 2014 - Nr. 9 - 46. Jahrgang 


PVSt K 4956 D - Entgelt bezahlt 





Staatsstreich in der Ukraine 

Deutsche Politiker und Medien bejubeln Vertragsbruch 


A m Freitag vergangener Woche 
hat Präsident Janukowitsch un¬ 
ter dem massiven Druck der 
Außenminister Deutschlands, Frank¬ 
reichs und Polens ein Abkommen mit 
den Führern der Pro-EU-Opposition, 
Jazenjuk, Klitschko und Tjagnibok 
über die Regelung der politischen 
Krise im Land unterzeichnet. Als Ga¬ 
ranten für die Einhaltung des Abkom¬ 
mens signierten die genannten Außen¬ 
minister. 

Die wesentlichsten Punkte dieses Do¬ 
kuments sahen vor, die Verfassung 
von 2004 wieder einzuführen, die die 
Vollmachten des Präsidenten zuguns¬ 
ten des Parlaments reduziert, inner¬ 
halb von zehn Tagen eine „Regierung 
der Volkseinheit“ zu bilden, nach An¬ 
nahme der Verfassung von 2004 bis 
Dezember vorgezogene Präsidenten¬ 
wahlen abzuhalten und innerhalb von 
24 Stunden nach Annahme der neu¬ 
en Verfassung die illegalen Waffen bei 
den Organen des Innenministeriums 
abzugeben. 

Wie ist diese fast vollständige Ka¬ 
pitulation des Präsidenten vor dem 
Druck der westlichen Außenminis¬ 
ter zu erklären? Hatten doch in den 
vergangenen Monaten viele hochge¬ 
stellte westliche Politiker die Protes¬ 
tierenden auf dem Maidan zur Ver¬ 
schärfung ihrer Aktionen aufgehetzt 
und sich zugleich bei Janukowitsch die 
Klinke in die Hand gegeben und ver¬ 
langt, die Forderungen der Protestler 
zu erfüllen. Auf die Politik des Präsi¬ 
denten hat das nur wenig Einfluss ge¬ 


habt. Des Rätsels Lösung dürfte darin 
liegen, dass die Außenminister-Troika 
diesmal Waffen mit sich führte, die auf 
seine Basis, d.h. auf diejenigen Olig¬ 
archen gerichtet waren, die ihn stütz¬ 
ten und deren Interessen er vertritt. 
Es geht um den Beschluss der EU, die 
Konten dieser Leute zu sperren, auf 
denen sie die aus dem ukrainischen 
Volk herausgepressten Reichtümer 
in den EU-Ländern angelegt haben 
und ihnen die Einreise in die EU zu 
verwehren. Die Drohung hat gesessen, 
der Druck der Oligarchen auf Januko¬ 
witsch wuchs, er kapitulierte. 


Patrik Köbele: „ Ganz offensicht¬ 
lich hat Steinmeier hier ein gutes 
Stück Oststrategie des deutschen 
Imperialismus umgesetzt. Da¬ 
bei nutzt man die Unzufrieden¬ 
heit von Menschen und hat kein 
Problem mit einem Bündnis mit 
Faschisten. Es geht um die Ein¬ 
kreisung von Russland und den 
Einfluss von Brüssel, Berlin und 
Washington auf die Ukraine. 
Braune Horden, die Juden und 
Kommunisten jagen, antifaschis¬ 
tische Denkmäler und Leninsta¬ 
tuen schleifen - sind das Kollate- 
ralschäden oder nimmt man das 
gerne mit? Höchste Zeit für Akti¬ 
onen der Solidarität mit den Anti¬ 
faschisten in der Ukraine. Wer da 
jetzt nicht klar Farbe bekennt, der 
macht das Geschäft der Reaktion.“ 


Genützt hat es ihm nichts. Als Klitsch- 
ko und seine beiden Mitunterzeich¬ 
ner des Abkommens dessen Inhalt 
auf dem Maidan bekannt gaben, auf 
dem inzwischen die bewaffneten Fa¬ 
schisten des „rechten Sektors“ und 
ähnliche den Ton angaben, wurden 
sie ausgepfiffen. Die Ultraradika- 
len verlangten den sofortigen Rück¬ 
tritt des Präsidenten und kündigten 
an, sonst die Präsidialverwaltung zu 
stürmen. 

Unter diesem Druck mobilisierten 
Klitschko und seine beiden Kompli¬ 
zen ihre Parlamentsfraktionen in der 
Rada. Mit Unterstützung von Teilen 
der Fraktion der Partei der Regionen 
und mit dieser verbündeten Abge¬ 
ordneten, die wie Ratten das sinken¬ 
de Schiff verließen, wurden die For¬ 
derungen der Faschisten erfüllt. Die 
Parlamentsmehrheit beschloss die Ab¬ 
setzung des gewählten Präsidenten, 
setzte einen vorläufigen Präsidenten 
ein, beschloss die Rückkehr zur Ver¬ 
fassung von 2004, wählte eine „Re¬ 
gierung der nationalen Versöhnung“, 
die das Gegenteil davon ist, setzte 
vorgezogene Präsidentenwahlen be¬ 
reits für den Mai an und beschloss die 
Freilassung Timoschenkos aus der 
Haft. Alle diese Gesetze sind verfas¬ 
sungswidrig, dies allein schon deshalb, 
weil nach der gültigen Verfassung alle 
vom Parlament beschlossenen Geset¬ 
ze vom verfassungsgemäß gewählten 
Präsidenten unterschrieben werden 
müssen, um in Kraft zu treten. Eine 
Absetzung des Präsidenten durch das 


Parlament darf zudem nur das Ergeb¬ 
nis eines komplizierten, längere Zeit 
erfordernden Amtsenthebungsverfah¬ 
rens sein. 

Was im ukrainischen Parlament pas¬ 
siert ist, ist nichts anderes als ein 
Staatsstreich. Das kümmert allerdings 
Washington, Brüssel und Berlin, die 
ansonsten so gern von den Werten der 
bürgerlichen Demokratie schwafeln, 
ganz und gar nicht. Vielmehr haben sie 
den Putschisten als Dank für den Ver¬ 
fassungsbruch sofort finanzielle Hil¬ 
fen versprochen. 

Und die drei Außenminister, die mit 
ihrer Unterschrift unter das Abkom¬ 
men zwischen Präsident und Opposi¬ 
tion die Verpflichtung übernommen 
haben, dessen Umsetzung zu garan¬ 
tieren, verhalten sich nach der De¬ 
vise, was kümmert mich meine Un¬ 
terschrift von gestern. War doch die 
Tinte ihrer Signaturen unter das Ab¬ 
kommen noch nicht trocken, als die¬ 
ses von Klitschko und seinen beiden 
Komplizen bereits gebrochen wurde. 
Von Protesten Steinmeiers und sei¬ 
ner Kollegen ist nichts zu vernehmen. 
Muss man da nicht vermuten, dass das 
Ganze von ihrer Seite und ihren drei 
ukrainischen Spielern nur ein abge¬ 
kartetes Spiel war? Mit Blick auf den 
deutschen Außenminister Steinmeier 
kann man nur feststellen, dass er den 
vielen Beispielen des Vertragsbruchs 
in der Geschichte des deutschen Im¬ 
perialismus nun ein weiteres hinzuge¬ 
fügt hat. 

Fortsetzung auf Seite 6 


Thema der Woche 


Bundeswehr 
in aller Welt 

Die Bundeswehr wirbt auf ihrer Sei¬ 
ten www.bundeswehr.einsatz.de oder 
auch www.marine.de für ihre Einsätze 
in aller Welt. 

Diese konzentrieren sich derzeit vor 
allem auf Afrika. Oft im Rahmen einer 
UNO- oder „EU“-Mission unter dem 
Label „humanitäre Hilfe“, häufig unter 
dem der „Partnership“, also der Aus¬ 
bildung von Polizei und Militär oder 
des „Anti-Terror-Kampfes“. 

Doch man will künftig nicht mehr nur 
„Geleitzug“ sein oder Unterstützung 
für andere geben, sondern verstärkt 
eigene Interessen verfolgen (siehe UZ 
vom 21. Februar, Seite 1). Schließlich 
geht es unter anderem um politischen 
und wirtschaftlichen Einfluss, vor al¬ 
lem aber um die Sicherung des Zu¬ 
griffs auf seltene bzw. knapper wer¬ 
dende wichtige Rohstoffe. 

Seite 9 


Spenden für unser Fest 
DKP Parteivorstand, 
Konto-Nr.: 4002 487 501 
GLS Bank Bochum, 

BLZ 430 609 67 
Stichwort: „UZ-Pressefest“ 



Aus dem kleinen 
Anstandsbuch 

Karenzzeit 

Politiker, die auf die Welt gekommen 
sind, um während oder nach ihrer 
Amtszeit in die freie Marktwirtschaft 
zu wechseln, müssen eine sogenannte 
Karenzzeit absolvieren. 

Dies ist eine Zeit des ruhigen und be¬ 
schaulichen Abschiednehmens in der 
Öffentlichkeit von einer verantwort¬ 
lichen Position als Honoratior und 
Staatenlenker. Während der Karenzzeit 
trägt der Abschied nehmende Politiker 
daher einen dunklen Anzug und macht 
eine sorgenvolle und ernste Miene. 

Er wirkt stets nachdenklich und zer¬ 
streut. Bei allen öffentlichen Anlässen, 
zum Beispiel bei dem Besuch eines Pis¬ 
soirs, bedauert er den Wechsel in die 
sogenannte freie Wirtschaft, für den er 
sich nun opfert. Gelegentlich wischt er 
bei solchen Äußerungen eine Träne aus 
dem Gesicht. 

Er redet ungern über sein künftiges 
karges Managergehalt und blickt mit 
Wehmut zurück auf seine Diäten als 
Abgeordneter. Gegenüber der Presse 
gibt er erstmals zu, dass er künftig in 
der Innenstadt nachts heimlich Pfand¬ 
flaschen sammeln muss. Er darf die 
eingesammelten Flaschen allerdings 
wenigstens mit seinem Chauffeur im 
Dienstwagen nach Hause transportie¬ 
ren. 

Der Abschiednehmende legt vielleicht 
auch ein Kondolenzbuch aus und gibt 
damit seinen Wählern die letzte Mög¬ 
lichkeit, ihm einige nette Worte der 
Anerkennung für seine unverzichtba¬ 
re Arbeit als Politiker auf den Weg zu 
geben. Er freut sich dann über Men¬ 
schen, die ihm mit einem liebevollen 
Händedruck versichern, dass er ihre 
ganze Bewunderung hat, weil er das 
große Opfer auf sich nimmt, künftig 
nur noch Wirtschaftsmagnat zu sein. 
Die Dauer der Karenzzeit bemisst sich 
übrigens einzig und allein nach den 
ersten Terminen seiner Verpflichtun¬ 
gen bei dem neuen Unternehmen. Zu 
seinen ersten Auftritten gehören sicher 
die Vorstellung im Aufsichtsrat und die 
Begrüßung im Golfclub. 

Mit einer Kranzniederlegung anläss¬ 
lich der endgültigen Beerdigung sei¬ 
nes Gewissens endet die Karenzzeit 
und ein neuer Lebensabschnitt beginnt. 

Werner Lutz (www.einheiztext.de) 













2 Freitag, 28. Februar 2014 


Wirtschaft und Soziales 


unsere zeit CE 


Streikrecht verteidigen! 

Die Spalter fordern eine Tarifeinheit 


Am 4. Juni 2010 haben der Präsident 
der Bundesvereinigung der Deut¬ 
schen Arbeitgeberverbände (BDA), 
Dieter Hundt, und der Vorsitzende 
des DGB, Michael Sommer, auf einer 
Pressekonferenz eine gemeinsame In¬ 
itiative vorgestellt, die so genannte 
Tarifeinheit gesetzlich zu regeln. Sie 
fordern - durch eine Änderung des 
Tarifvertragsgesetzes - künftig gesetz¬ 
lich vorzuschreiben, dass für gleich¬ 
artige Arbeitsverhältnisse in einem 
Unternehmen nur ein einziger Tarif¬ 
vertrag zur Anwendung kommen darf. 
Im Falle von mehreren Tarifverträgen 
soll dann derjenige Tarifvertrag, den 
die Gewerkschaft mit den meisten 
Mitgliedern im Unternehmen abge¬ 
schlossen hat, alle anderen verdrän¬ 
gen. Darüber hinaus soll die sich aus 
dem vorrangigen Tarifvertrag ergeben¬ 
de Friedenspflicht, während der nicht 
gestreikt werden darf, für alle Beschäf¬ 
tigten auch dann gelten, wenn sie der 
Gewerkschaft, die den Vertrag abge¬ 
schlossen hat, gar nicht angehören. So¬ 
weit der Vorschlag dieser Initiative. 



Olaf Harms 


Diese Initiative läuft nicht nur auf eine 
erhebliche Einschränkung des Streik¬ 
rechts hinaus, sondern auf ein gesetz¬ 
liches Streikverbot für die Beschäftig¬ 
ten, die nicht unter den vorrangigen 
Tarifvertrag fallen. Damit wird das in 
Art. 9 des Grundgesetzes verbriefte 
Grundrecht der Gewerkschaften auf 
Koalitionsfreiheit eingeschränkt. Das 
ist verfassungswidrig. Wenn eine Kon¬ 
kurrenzorganisation einen Tarifver¬ 
trag mit den Unternehmern abschließt, 
dann dürfen Gewerkschaftsmitglieder 
nicht zwangsweise durch Gesetz an 
diesen Tarifvertrag und dessen Frie¬ 
denspflichten gebunden werden. Ta¬ 
rifautonomie bedeutet, dass Gewerk¬ 
schaftsmitglieder nur an Tarifverträge 
gebunden sind, die ihre Gewerkschaft 
abschließt. Selbst wenn eine Konkur¬ 
renzorganisation die Mehrheit der 
Mitglieder in einem Betrieb hat, muss 
es den Gewerkschaftsmitgliedern mög¬ 


lich bleiben, bessere Tarifverträge mit 
Kampfmaßnahmen und Streik durch¬ 
zusetzen - und so die Mitglieder der 
Konkurrenzorganisation davon zu 
überzeugen, dass ihre Interessen mit 
der Gewerkschaft besser durchgesetzt 
werden können. 

Wer in Zeiten der kapitalistischen Krise 
eine Regierung auffordert, das in über 
60 Jahren seines unveränderten Be¬ 
stehens bewährte Tarifvertragsgesetz 
zu ändern - womöglich noch verbun¬ 
den mit einer Grundgesetzänderung 
zur Einschränkung des Grundrechts 
auf Streik - liefert die Tarifautonomie 
auch künftig allen politischen Begehr¬ 
lichkeiten der Unternehmer und ihrer 
politischen Parteien aus. Es ist, bei al¬ 
ler praktizierten Tarifpartnerschaft, ein 
elementarer Verstoß gegen die gesam¬ 
te Geschichte, Politik und Kultur der 
Gewerkschaftsbewegung, sich mit Ar¬ 
beitgeberorganisationen über die Aus¬ 
gestaltung des Streikrechts zu verstän¬ 
digen und hierzu gemeinsam Gesetzes¬ 
initiativen von der Politik zu fordern. 
Das Streikrecht ist das wichtigste 
Grundrecht von Beschäftigten. Ohne 
das Recht auf Streik können Gewerk¬ 
schaftsmitglieder ihre Interessen nicht 
durchsetzen. Ohne Streikrecht gibt es 
keine Tarifautonomie. Tarifverhand¬ 
lungen würden verkommen zu kollek¬ 
tivem Betteln. 

Bereits auf der gewerkschafts-theoreti¬ 
schen Konferenz am 19. Oktober 2013 
sahen wir die Gefahr, dass eine kom¬ 
mende Bundesregierung dieses The¬ 
ma aufgreifen wird. Und so ist es auch 
gekommen. Die große Koalition sorgt 
sich um die Tarifeinheit - angeblich, 
„um den Koalitions- und Tarifpluralis¬ 
mus in geordnete Bahnen zu lenken“. 
Es war vor allem das Kapital, was diese 
Einheit durchbrach, indem es mit ka¬ 
pitalnahen Pseudo-Gewerkschaften 
Dumpingverträge abschloss oder Tei¬ 
le der Belegschaft abspaltete und in 
Tochterfirmen mit schlechteren Tarifen 
verlagerte. Oder es stieg gleich ganz 
aus dem Tarifvertrag aus, was zu einer 
erheblichen Erosion des Flächenta¬ 
rifvertrages führte. Ausgerechnet das 
Kapital, auf dessen Konto die Zer¬ 
splitterung der Tariflandschaft geht, 
forderte nun die Tarifeinheit. Und die 
schwarz-rote Koalition erfüllte ihm 
diesen Wunsch. 

Es handelt sich bei dem Angriff auf 
das Streikrecht und die Tarifautono¬ 
mie letztlich um den Angriff auf die 
Einheitsgewerkschaft. Diese müssen 
wir gegen alle Angriffe von Kapital 
und Politik unbedingt und mit allen 
Mitteln verteidigen. Dazu gehört der 
Kampf gegen eine gesetzliche Rege¬ 
lung zur Tarifeinheit. Olaf Harms 

Auszug aus seinem Referat im Parteivorstand 
der DKP am 25. Januar 2014 


3 500 Stellen bei der 
Barmer GEK bedroht 

Kolleginnen erfuhren durch die Presse 
von Kahlschlagsplänen 


Die Barmer GEK, derzeit die zweit¬ 
größte deutsche Krankenkasse, will 
umfassend umstrukturieren. Laut Vor¬ 
standsvorsitzendem Christoph Straub 
ist mittelfristig die Streichung von ins¬ 
gesamt 3 500 Stellen geplant. Noch 
hat die Kasse etwa 15 000 Beschäftig¬ 
te. Die Zahl der Geschäftsstellen soll 
halbiert werden, von derzeit rund 800 
auf ca. 400. 

Künftig werde die Kasse stattdessen 
in Telefon- und Onlineservices inves¬ 
tieren. Die Umstrukturierung wird 
mit den in den kommenden Jahren 
zu erwartenden Kostensteigerungen 
im Gesundheitswesen begründet. Der 
Stellenabbau soll „in enger Abstim¬ 
mung mit der Personalvertretung so¬ 
zialverträglich umgesetzt“ werden. 
Im „ARD-Morgenmagazin“ vermied 
Straub aber die Antwort auf die Fra¬ 
ge nach betriebsbedingten Kündi¬ 
gungen. „Es ist kein Sparprogramm“, 
sagte dort der Chef der Krankenkas¬ 
se, die ihre Hauptverwaltung in Wup¬ 
pertal hat. Es gehe darum, das Unter¬ 


nehmen im Interesse der Kunden zu 
verändern. 

„Wenn tatsächlich ein sozialverträgli¬ 
cher Umbau gewollt ist, geht das nur 
mit enger Einbindung der Beschäf¬ 
tigten und ihrer Vertreter. Ein Tarif¬ 
vertrag zur Reorganisation und zur 
Vermeidung betriebsbedingter Kün¬ 
digungen ist deshalb unverzichtbar“, 
sagte ver.di-Bundesvorstandsmitglied 
Isolde Kunkel-Weber. 

Sie forderte umgehend die Aufnahme 
von Tarifverhandlungen zum Schutz 
der Beschäftigten und zur Vermeidung 
betriebsbedingter Kündigungen. „Es 
darf keinen Kahlschlag zu Lasten der 
Versicherten und der Beschäftigten 
geben“, so Kunkel-Weber. Sie sei ent¬ 
täuscht, dass die Beschäftigten von den 
Umbauplänen zuerst aus den Medien 
erfahren hatten. „Das ist ein Umgang, 
wie ihn die vielen langjährigen Mitar¬ 
beiterinnen und Mitarbeiter nicht ver¬ 
dient haben“, kritisierte die Gewerk¬ 
schafterin. 

-ler 


Verteilungsspielraum ist da 

Zur Debatte um die Tarifforderung im öffentlichen Dienst 



München, 12. Februar. Kolleginnen des öffentlichen Dienstes verleihen ihren Tarifforderungen Nachdruck: Roter Teppich 
nicht für die Stars der Leinwand, sondern für die heimlichen Stars, Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, die täglich 
das Leben der Millionen in München organisieren. Beteiligt waren Kolleginnen und Kollegen aus dem Krankenhaus, der 
Straßenreinigung, der Müllabfuhr, dem Klärwerk, der Bestattung, der Verwaltung, aber auch aus der sozialen Arbeit. 


D ie Forderung für die Tarifrunde 
im öffentlichen Dienst des Bun¬ 
des und der Kommunen sieht im 
Kern einen Sockelbetrag von 100 Euro 
plus einer linearen Erhöhung der Ge¬ 
hälter von 3,5 Prozent vor. Im Volumen 
liegt sie damit vor allem für die unteren 
Einkommensgruppen über der Forde¬ 
rung anderer Bereiche. Nicht jede(r) 
kennt das Tarifgefüge im Öffentlichen 
Dienst, weshalb hier als Beispiele Mo¬ 
natseinkommen von 2 000 bzw. 4 000 
Euro dienen sollen. Da liegt die For¬ 
derung dann zwischen 7,5 Prozent und 
immerhin noch 6 Prozent, für die nied¬ 
rigsten Lohngruppen errechnet sich so¬ 
gar eine angestrebte Erhöhung von 10 
Prozent. 

Nach der Enttäuschung 2012 über das 
Fehlen einer sozialen Komponente 
kommt das Wollen gerade jener Teile 
der Mitgliedschaft mehr zum Tragen, 
die als Krankenpfleger, Busfahrerin, 
Müllwerker oder Erzieherin mit ih¬ 
ren Nettolöhnen oft nicht weit über 
den Pfändungsfreibeträgen liegen. 
Die Forderung widerspiegelt auch die 
Diskussion im ver.di-Mitgliedernetz, 
selbst wenn sie nicht repräsentativ sein 
mag, dennoch aber Tendenzen auf¬ 
zeigt. Deshalb wird die Forderung in 
der kommenden Auseinandersetzung 
zur Mobilisierung der Beschäftigten 
beitragen. 

Dass eine richtige Forderung zuweilen 
mit bedenklichen Argumenten unter¬ 
stützt wird, macht sie nicht falsch, gibt 
aber Anlass zu einer kritischen Be¬ 
trachtung. Viele Kolleginnen und Kol¬ 


legen beklagen, dass mit reinen Pro¬ 
zentforderungen die Schere zwischen 
„oben und unten“ weiter auseinander 
ginge. Die unterschiedlichen Auswir¬ 
kungen linearer Erhöhungen auf die 
Nettolöhne und damit auf die Kauf¬ 
kraft seien hier ohne detaillierte Be¬ 
trachtung nur erwähnt. Wichtiger ist 
doch die Frage, ob in einer kapitalis¬ 
tischen Gesellschaft, in der sich in den 
Händen weniger Prozent der Bevölke¬ 
rung jährlich 90 Prozent des gesamten 
Vermögenszuwachses akkumulieren, 
die Zuordnung von oben und unten 
an 4 000 bzw. 2 000 Euro Bruttolohn 
festgemacht werden darf. Ist es nicht 
so, dass da auch die Beschäftigten mit 
4 000 Euro „unten“ sind, dass auch 
sie eine kräftige Lohnerhöhung nötig 
und verdient haben? Wenn es um das 
Durchsetzen gemeinsamer Forderun¬ 
gen geht, werden auch diese Kollegin¬ 
nen und Kollegen gebraucht, sitzen sie 
im selben Boot, auch wenn ihr Sitz viel¬ 
leicht nicht ganz so hart sein mag wie 
der anderer. 

Eine andere Argumentation geht da¬ 
von aus, dass nur ein bestimmter Be¬ 
trag für Lohnerhöhungen zur Verfü¬ 
gung stehe und der eben „gerecht“ 
aufgeteilt werden müsse. Da kommt 
dann oft der „verteilungsneutrale 
Spielraum“ ins Gespräch, die Summe 
von gesamtgesellschaftlicher Produkti¬ 
vitätssteigerung und der Inflationsrate. 
Das ist doppelt falsch. Zum einen er¬ 
gibt sich da allenfalls ein Punkt. Alles, 
was an Abschlüssen darunter liegt, ist 
nicht verteilungsneutral, sondern führt 


zu weiterer Umverteilung von unten 
noch oben. Zum anderen ist objektiv 
genug Verteilungsspielraum da, solan¬ 
ge selbst in der Krise die Reichen um 
200 bis 300 Milliarden jährlich reicher 
werden. 

Zahlt ein Konzern Milliardendividen- 
den, ist für alle sichtbar, dass da noch 
viel Verteilungsspielraum ist. Beim Öf¬ 
fentlichen Dienst werden dann immer 
die leeren Kassen bemüht. Und spätes¬ 
tens da wird es dann für alle erkennbar 
hoch politisch. Wenn Verhandlungs¬ 
führer mit CDU- und SPD-Parteibuch 
in der Tasche da ihr Klagelied anstim- 
men, seien sie daran zu erinnern, wer 
denn mit seinen Steuergeschenken für 
Millionäre und Milliardäre und Absi¬ 
chern von deren Vermögen via „Ban¬ 
kenrettung“ diese Situation verschul¬ 
det hat. Und hier muss auch die So¬ 
lidarität aus anderen Tarifbereichen 
einsetzen. Nicht nur weil es die Kol¬ 
leginnen und Kollegen verdient ha¬ 
ben, mit ihren Löhnen über die Run¬ 
den kommen zu können. Auch wir alle 
haben es verdient, im Alter von mo¬ 
tivierten und qualifizierten Menschen 
gepflegt zu werden bzw. dass unse¬ 
re Kinder eben solche Erzieher oder 
Lehrerinnen haben und vieles mehr. In 
Tarifrunden des Öffentlichen Dienstes 
demonstriert die Unternehmensseite 
eben nicht nur, was ihnen ihre Beschäf¬ 
tigten wert sind, sondern auch was ih¬ 
nen das Gros der Bevölkerung wert ist, 
die auf eine funktionierende umfassen¬ 
de öffentliche Daseinsvorsorge ange¬ 
wiesen ist. Volker Metzroth 


Frauentag? Hängen wir noch ein paar dran! 


„Ich bekomme hautnah mit, wo Arbeitnehmerinnen und 
Arbeitnehmer der Schuh drückt“, behauptet die Bundes¬ 
tagsabgeordnete der SPD aus meinem Wahlkreis. Das hat 
sie nicht davon abgehalten, sich bei der Diätenerhöhung 
im Bundestag selbst einen großen Schluck aus der Pulle 
zu genehmigen - Hand in Hand mit ihrem Wahlkreiskol¬ 
legen von der CSU. Die große Koalition entfaltet ihre 
Wirkung, 9 082 Euro sind für manche ein überzeugendes 
Argument. 

Mit diesem Monatseinkommen werden die aktuellen Preis¬ 
erhöhungen bei Miete, Strom, Benzin und Lebensmitteln si¬ 
cher zu verkraften sein. Mich drückt allerdings mehr als der 
Schuh, wenn ich vor dem Kühlregal auf dem Preisschild für 
die Butter einen um 40 Prozent (!) höheren Preis entdecke 
als letzte Woche. Nur so als Beispiel. 

Alle Preise klettern, nur die Löhne nicht? Das wenigstens 
wäre der Wunsch von Innenminister de Maiziere, der die 
Forderungen von ver.di für die Beschäftigten beim Bund 
und in den Kommunen für „maßlos überzogen“ hält. Da 
versteht sich von selbst, dass die Kolleginnen und Kol¬ 
legen im Öffentlichen Dienst unser aller Solidarität be¬ 
nötigen, um gegen diese asoziale Abzockermentalität im 


„Berliner Selbstbedienungsladen“ ein Lohnplus durch¬ 
zusetzen. 

Aus zwei Gründen könnte die Tarifrunde im Öffentlichen 
Dienst dieses Jahr sogar zu einem besonders gelungenen 
Jahresauftakt werden. Erstens hat die Tarifkommission der 
Gewerkschaft ver.di gute Arbeit geleistet: Die wesentlichen 
Erfahrungen der vergangenen Tarifrunde 2012 sind berück¬ 
sichtigt und bieten die Gewähr für breite Akzeptanz in der 
Mitgliedschaft und der Bevölkerung. 30 Tage Urlaub für alle, 
die unbefristete Übernahme der Ausgebildeten und insbe¬ 
sondere der Mindestbetrag von 100 Euro plus 3,5 %, der als 
soziale Komponente in den unteren und mittleren Lohn¬ 
gruppen spürbar werden wird. 

Zweitens werden vielerorts erste Aktionen rund um den 
Frauentag am 8. März starten. Und ver.di hat starke Kolle¬ 
ginnen! Die beweisen nicht nur im Einzelhandel bei Schle¬ 
cker, Kaufhof oder H&M, wie Interessenvertretung geht, die 
haben 2009 im KiTa-Streik auch gezeigt, wie in Krisenzeiten 
Reallohnsteigerungen erkämpft werden. 

Die erste Tarifrunde 2014 wäre eine prima Gelegenheit, an 
den 8. März noch ein paar Frauentage dran zu hängen! 

Isa Paape 









m unsere zeit 


Wirtschaft und Soziales 


Freitag, 28. Februar 2014 


Ohne Klassenkampf keine Sozialwohnungen 

Privatisierung darf nicht mit Steuermitteln subventioniert werden 



D er Kapitalismus ist unfähig, die 
Wohnungsfrage zu lösen. Das 
wissen wir spätestens seit En¬ 
gels 4 Schrift zum Thema aus dem Jahr 
1872. Was bedeutet das für eine Gro߬ 
stadt in Deutschland im Jahr 2014? 

In Frankfurt am Main liegt die Wohn¬ 
raumversorgung - Wohnungen je 100 
Haushalte - bei 94,8 Prozent. Das hört 
sich viel an, ist es aber nicht: Es müss¬ 
ten mehr als 30 000 Wohnungen entste¬ 
hen, um den Wohnraummangel zu mil¬ 
dern. Pro Jahr stehen aber nur ca. 1700 
neue Wohnungen zur Verfügung - mit 
sinkender Tendenz. Es würde also mit 
diesem Tempo fast 20 Jahre dauern, bis 
die Lücke geschlossen wäre. Bis dahin 
dürfte aber die Einwohnerzahl wei¬ 
ter steigen, die 2012 zum ersten Mal 
die 700 000-Grenze überschritten hat 
und damit um 50 000 Einwohner hö¬ 
her lag als im Jahr 2000. Während also 
die Nachfrage steigt, sinkt das Angebot 
und zwar weil und nicht obwohl viel 
Kapital in den Immobilienmarkt fließt. 
Denn dieses will gewinnbringend an¬ 
gelegt sein, also in teuren Wohnungen 
und eben nicht zur Wohnraumversor¬ 
gung. Das Ergebnis: Mehr als ein Drit¬ 
tel der Einwohner von Frankfurt kann 
sich nicht ausreichend mit Wohnraum 
versorgen. 

Zahl der Sozialwohnungen 
sinkt drastisch 

Es ist auch mehr als ein Drittel der 
Haushalte Frankfurts, die über ein 
monatliches Nettoeinkommen von 
weniger als 1.500 Euro verfügen. Mas¬ 
sive Reallohnverluste müssten eigent¬ 



Wohnungs- und mietenpolitische 
Konferenz der DKP 
Samstag, 22. März, 

10.00 Uhr bis 17.00 Uhr 
Frankfurt am Main, Haus Gallus, 
Seminarraum 3 


lieh zu einem drastischen Anstieg der 
sozialwohnungsberechtigten Haus¬ 
halte führen. Diese lagen 2012 aber 
„nur 44 bei knapp 8 000. Durch die Ab¬ 
senkung der Einkommensgrenze, die 
zur Registrierung nicht überschritten 
werden darf, hält die Stadt die Zahlen 


Vor der Einführung elektronischer 
Datenverarbeitung fanden die Kolle¬ 
ginnen und Kollegen während der Ar¬ 
beitszeit immer wieder die eine oder 
andere Nische, in der man ein bisschen 
verschnaufen konnte. Zwar waren die 
Aufpasser des Unternehmens auch da¬ 
mals darauf bedacht, die Arbeitszeit 
möglichst vollständig zu nutzen. „Der 
kontinuierliche Blick über die Schul¬ 
ter 44 der heute mit moderner Daten¬ 
verarbeitung möglich ist, gelang aber 
damals nicht. 

Vor etwa zwei Jahren kumulierte der 
Druck, den die Telekom formal über 
zugewiesene Arbeitsmengen und in¬ 
formell über Abpressungsstrategien 
der Teamleiter auf die Beschäftigten 
zu Leistungssteigerungen ausübte, 
fast zur Katastrophe für die Beschäf¬ 
tigten - und damit auch für die Ge¬ 
schäftsleitung. Immer mehr Ausfälle 
durch Krankheit verbanden sich mit ei¬ 
ner miesen Stimmung der Belegschaft. 
Das Resultat einer damals durchge¬ 
führten Mitarbeiterbefragung auf ei¬ 
ner Betriebsversammlung war selbst 
für die hartgesottene Vorgesetztenrie¬ 
ge alarmierend. 


niedrig. Die Zahl der zur Verfügung 
stehenden Sozialwohnungen ist un¬ 
ter 30 000 gesunken - von einstmals 
mehr als 100 000 Anfang der 90er 
Jahre. Wenn die Einkommensgrenze 
der 90er Jahre an die Preissteigerun¬ 
gen angepasst würde, hätten 125 000 
Haushalte Anspruch auf Sozialwoh¬ 
nungen. Es fehlen also 100 000 Sozi¬ 
alwohnungen. 

Diese Zahl will der um ein soziales 
Profil bemühte Oberbürgermeister 
Peter Feldmann (SPD), dessen Partei 
in den 90er Jahren am Abbau des Woh¬ 
nungsbaus massiv beteiligt war, lieber 
nicht nennen. Die städtische ABG 
Holding lässt er als Aufsichtsratsvor¬ 
sitzender weiter Luxuswohnungen und 
Prestigeprojekte bauen. Die angekün¬ 
digte Anhebung des Anteils an Sozial¬ 
wohnungen bei Neubauprojekten und 
Ausweitung des Fonds für geförderten 
Wohnraum stellen sich als Farce her¬ 
aus: Es gehen weiterhin jedes Jahr 700 
Sozialwohnungen verloren. Zugleich 
setzt die ABG das durch Sparen an der 
Substanz und Mieterhöhungen gesam¬ 
melte Kapital ein, um Großprojekte 
für Investoren zu erschließen, wie zu¬ 
letzt beim Kauf des Geländes des Uni- 
Campus, das mit Bürogebäuden und 
teuren Wohnungen bebaut werden soll. 
Sozialwohnungen müssen gebaut 
werden - aber nur wenn sie in öf- 


Der brutalste Arbeitsdruck auf die 
Beschäftigten, den Teamleiter verur¬ 
sachten, indem sie sich scheinbar auf 
Seiten der Beschäftigten stellten, aber 
zugleich Disponenten zu massivem 
Druck und Überbuchung gegen die 
Beschäftigten anhielten, wurde ein¬ 
gestellt. Deshalb trat in relativ kurzer 
Zeit auch eine gewisse Entspannung 
der Lage ein. 

2012 wurde zwischen dem Gesamt¬ 
betriebsrat und der Telekom eine Ge¬ 
samtbetriebsvereinbarung, „ein Ge¬ 
sundheitsdialog 44 , zum Arbeits- und 
Gesundheitsschutz, vereinbart. Auf 
Teamebene wurden sogenannte „Ge¬ 
sundheitstage 44 durchgeführt, die von 
einem Vertreter eines Gesundheitsun¬ 
ternehmens in Anwesenheit des Team¬ 
leiters geleitet wurden. Außerdem war 
eine Vertreterin der Geschäftsführung 
anwesend. Die Ergebnisse wurden 
nicht personenbezogen an eine Ar¬ 
beitsgruppe des Gesamtbetriebsrats 
und des Unternehmers weitergereicht. 
Diese Situation hat zu einer Art Schwe¬ 
bezustand geführt. Während der Un¬ 
ternehmer, umsatzorientiert, die Belas¬ 
tung wieder nach oben treibt, muss er 


fentlicher Hand bleiben und nicht 
private Eigentümer mit Steuermit¬ 
teln subventionieren und außerdem 
zu wirklich bezahlbaren Mieten, die 
am Einkommen orientiert sind und 
nicht an der Quadratmeterzahl. Es 
zeigt sich, dass der Kapitalismus un¬ 
fähig ist, genügend bezahlbare Woh¬ 
nungen im Sinne der Arbeiterklasse 
zu bauen. Er müsste dazu gezwungen 
werden. Doch wie? 

Kampf ums Teewasser 
ist der erste Schritt 

Dass der Staat ein Staat der Mono¬ 
pole ist, gilt auch für seine Präsenz 
in der Kommune. Verzierungen wie 
Ortsbeirat, Bürgersprechstunde und 
angebliche Bürgernähe können über 
den undemokratischen Charakter 
nicht hinwegtäuschen. Beschlüsse, 
die zehntausende Menschen betref¬ 
fen, werden in Ausschüssen ausge- 
klüngelt, die Vertreter der Kommune 
verdingen sich gleichzeitig oder vor¬ 
her und nachher bei Banken, Investo¬ 
ren oder Planungsbüros. Für das Er¬ 
kämpfen der demokratischen Forde¬ 
rung nach mehr Sozialwohnungen ist 
die eigenständige, von Einlullung und 
Integration in den bürgerlichen Staat 
unabhängige Organisierung der Lohn¬ 
abhängigen nötig. Ohne dies wird es 
selbst bei Reformforderungen nur bei 


ja zugleich die Gesamtbetriebsverein- 
barung einhalten. Das führt gelegent¬ 
lich dazu, dass sich die Herren Team- 
und Abteilungsleiter bei Mitarbei¬ 
tergesprächen lösungsorientiert und 
freundlich geben (wenn der Betriebs¬ 
rat anwesend ist). Aber informell wird 
so mancher Kollege schon mal gefragt, 
„ob er es sich nicht einmal überlegen 
wolle, lieber in eine andere Abteilung 
oder gar den Arbeitgeber zu wech¬ 
seln, weil er ja wisse, dass es in seiner 
Dienststelle so stressig zugehe 44 
An einem Beispiel kann man illus¬ 
trieren, dass mit einer Betriebs Verein¬ 
barung Klassengegensätze nicht ver¬ 
söhnt werden können. An einem Ge¬ 
sundheitstag wurden zwar Bedürfnisse 
der Kollegen ermittelt. Aber durch die 
Anwesenheit des Teamleiters wurde 
das Hauptproblem, die zu hohe Ar¬ 
beitsmenge und die Arbeitsbedingun¬ 
gen, nicht thematisiert. Die Leiterin 
des Treffens wischte sogar in einem 
Nebensatz - „Ich kann den Teamleiter 
schon verstehen, weil die Telekom die 
hohen Löhne ja bezahlen muss 44 - die¬ 
sen Ansatz vom Tisch. Selbstverständ¬ 
lich umschiffte auch der Teamleiter das 


Ankündigungen bleiben. Dafür ist das 
Aufgreifen des „Kampfes um das Tee¬ 
wasser 44 der erste Schritt, das Verbin¬ 
den dieses Kampfes mit der Frage der 
Macht im Staate und damit das Schaf¬ 
fen von Klassenbewusstsein der zwei¬ 
te und das Organisieren in Initiativen 
der Partei oder in der Partei selbst der 
dritte. Der Aufbau von dauerhaften 
Strukturen, in denen sich Menschen 
zusammenschließen, ihre Interessen 
erkennen, für ihre Rechte eintreten 
und sich dabei keine Illusionen über 
die Verhältnisse machen, in denen sie 
das tun, bleibt unsere Aufgabe. An¬ 
satzpunkte können Siedlungen sein, 
die aus der Sozialbindung herausfal¬ 
len oder wo Mieterhöhungen der städ¬ 
tischen Baugesellschaft geplant sind. 
Es ist aber auch möglich, dass andere 
Punkte sich als neuralgisch herausstel- 
len. Die Verbindung mit der Lohnfra¬ 
ge sollte immer wesentlicher Bestand¬ 
teil sein, weil der Verkauf der Ware 
Arbeitskraft der „Angelpunkt ist, um 
den sich die Ausbeutung des Arbei¬ 
ters dreht 44 und die Abschaffung der 
Miete diese Ausbeutung nicht been¬ 
den würde, sondern die „Masse der 
der Arbeiterklasse abgenommenen 
unbezahlten Arbeit genau dieselbe 
bliebe 44 (Engels), nur anders unter den 
Kapitalisten verteilt werden würde. 

Philipp Kissel 


Problem und orientierte das anwesen¬ 
de Team auf Teamfeiern, vorzugswei¬ 
se außerhalb der Arbeitszeit. Manche 
Kollegen meinten gar, die Ursache ih¬ 
rer Belastung läge darin, dass sie kein 
Lob von ihrem Vorgesetzten bekämen. 
Was fehlt, ist die Aufklärung und 
Diskussion der Belegschaft vor der 
Auseinandersetzung mit dem Unter¬ 
nehmer, damit dann auch Druck aus¬ 
geübt werden kann. Die Verdi-Be¬ 
triebsgruppe z.B. sollte in Zukunft in¬ 
teressierte Kolleginnen und Kollegen 
zu Informationsgesprächen einladen 
und Bewusstseinsbildungsprozesse an¬ 
stoßen, der Betriebsrat sollte mit den 
betroffenen Kollegen das Gespräch 
suchen, damit gemeinsame Wünsche 
und Interessen durchdacht und for¬ 
muliert werden. Den Grundsatz, „nie¬ 
mals unvorbereitet und vereinzelt mit 
dem Unternehmer Gespräche führen 44 , 
sollten wir als goldene Regel beherzi¬ 
gen. Dafür haben wir ja schließlich Be¬ 
triebsräte und Gewerkschaften. Ernst 
Stadtier 

Aus: „Auf Draht“, Betriebszeitung der DKP 
München und der Gruppe KAZ 


Bundeskongress des DGB 

Vom 11. bis zum 16. Mai 2014 findet in 
Berlin der 20. Ordentliche DGB-Bun- 
deskongress statt. Zum 20. „Parlament 
der Arbeit 44 kommen 400 Delegierte 
aus den acht Mitgliedsgewerkschaften 
des DGB zusammen. Der DGB Bun¬ 
deskongress ist das oberste Beschluss¬ 
organ des DGB, Ordentliche Bundes¬ 
kongresse finden alle vier Jahre statt. 
Der Kongress in diesem Jahr steht un¬ 
ter dem Motto „Arbeit. Gerechtigkeit. 
Solidarität. 20. Parlament der Arbeit 44 . 
Auf dem Bundeskongress im Mai wäh¬ 
len die Delegierten einen neuen Ge¬ 
schäftsführenden DGB-Bundesvor- 
stand. Der DGB-Vorsitzende Michael 
Sommer wird nach zwölf Jahren an der 
Spitze des Bundes der Gewerkschaf¬ 
ten nicht zur Wiederwahl antreten. 
Insgesamt wählen die Delegierten ei¬ 
nen vierköpfigen Vorstand: Der DGB- 
Bundesvorstand hat im Rahmen seiner 
Jahresauftaktklausur anfangs des Jahres 
2014 offiziell den Personalvorschlag für 
den kommenden Geschäftsführenden 
DGB-Bundesvorstand (GBV) unter¬ 
breitet: Reiner Hoffmann wird als Vor¬ 
sitzender, Elke Hannack als stellvertre¬ 
tende Vorsitzende sowie Annelie Bun- 
tenbach und Stefan Körzell als weitere 
Mitglieder des GBV den Delegierten 
des Bundeskongresses zur Wahl vorge¬ 
schlagen. Außerdem werden die Dele¬ 
gierten wichtige politische Leitlinien 
des Bundes der Gewerkschaften für die 
kommenden Jahre setzen. Auch zum 20. 
Parlament der Arbeit begrüßt der DGB 
wieder viele prominente Gäste aus Po¬ 
litik und Gesellschaft. Am ersten Kon¬ 
gresstag wird Bundespräsident Joachim 
Gauck zu den Delegierten sprechen. 

Solidaritätsstreik für 
Flächentarifvertrag 

Gegen den Angriff auf den Berufs¬ 
stand der Journalisten und das massi¬ 
ve Vorgehen der Verleger, die Arbeit 
von Redakteuren, Druckern und Ver¬ 
lagsangestellten weiter zu entwerten, 
sind am vergangenen Freitag rund 
300 Journalisten, Drucker, Verlagsan¬ 
gestellte und Mitarbeiter der Druck- 
Vorstufe des Stuttgarter Pressehauses 
in der Baden-Württembergischen Lan¬ 
deshauptstadt in den Streik getreten. 
Mit dabei waren auch Kolleginnen des 
Schwäbischen Tagblatts aus Tübingen 
und des Reutlinger Generalanzeigers 
sowie rund 35 Streikende des Schwarz¬ 
wälder Boten aus Oberndorf, die mit 
dem Bus angereist waren, um in ei¬ 
nem Solidaritätsstreik für den Erhalt 
des Flächentarifvertrags und eine faire 
Bezahlung Flagge zu zeigen. Unter den 
Schwabo-Leuten befand sich auch der 
einzige streikende Redaktionsleiter. 
Zunächst diskutierten die Kolleginnen 
im Streiklokal über die Tarifverhand¬ 
lungen und das „Tarifwerk Zumutung 44 
des Bundesverbandes Deutscher Zei¬ 
tungsverleger (BDZV), das massiv an 
den Geldbeutel der Journalisten will. 
Die Stimmung war dabei eindeutig, 
sollte der BDZV die Vertreter der Ge¬ 
werkschaften weiter so hinhalten wie 
bisher, dann müsse über eine Urab¬ 
stimmung zumindest in Baden-Würt¬ 
temberg nachgedacht werden. Tho¬ 
mas Ducks, Betriebsratsvorsitzender 
des Schwarzwälder Boten Schwabo), 
betonte, dass die Botschaft nur lauten 
könne, für einen anständigen Tarif auf 
die Straße zu gehen, keine Angst zu ha¬ 
ben vor weiteren Arbeitskämpfen und 
diese dann auch durchzuhalten: Zur 
Motivation der Schwabo-Streikenden 
erklärte Ducks: „Wir haben 2011 nicht 
96 Tage für einen Anerkennungstarif 
gestreikt, um jetzt tatenlos zuzusehen, 
wie der Tarifvertrag ausgeweidet wird. 44 

15 000 Euro Lohn nachgezahlt 

Seit Mai 2013 hat die Gewerkschaft 
Nahrung, Genuss und Gaststätten 
(NGG) ihren Mitgliedern bei der Bur¬ 
ger King GmbH bis heute in mehr als 
200 Fällen Rechtsschutz gewährt. Hinzu 
kommen viele Verfahren, die gegen Be¬ 
triebsräte eingeleitet wurden. In zehn 
abgeschlossenen Kündigungsverfahren 
gab es zehn Mal einen Erfolg für die 
Betriebsräte. Erst in der vergangenen 
Woche hat das Arbeitsgericht Augsburg 
entschieden, dass einem Kollegen mehr 
als 15 000 Euro ausstehender Lohn ge¬ 
zahlt werden müssen. „Wir lassen uns 
auch künftig nicht einschüchtern 44 , so 
der NGG-Vize Burkhard Siebert. 


„Ich kann nicht mehr“ 

Auch die Telekom hat ihre Arbeitsprozesse optimiert 

























4 Freitag, 28. Februar 2014 


Innenpolitik 


unsere 


zeit Q£d 


Recht haben und Recht bekommen ... 

... liegen bei der Inklusion weit auseinander 



Inklusion 

Inklusion wird in der Pädagogik als gemeinsamer Unterricht für Kinder und Jugendliche 
in ihrer Vielfalt verstanden. Slogans wie „Es ist normal, verschieden zu sein“ oder „Vielfalt 
macht stark“ verdeutlichen dieses pädagogische Verständnis. Kinder mit Behinderungen 
zum Beispiel werden also nicht ausgeschlossen. 

In der Soziologie geht die Inklusion über die Schule hinaus. Sie bezieht sich auf alle Gesell¬ 
schaftsbereiche. Kein Mensch darf ausgeschlossen werden. Das gilt zum Beispiel für Per¬ 
sonen, die auf einen barrierefreien Zugang zum Arbeitsplatz angewiesen sind. 

Rechtlich kann sich die Forderung nach Inklusion in Deutschland auf Artikel 1 des Grund¬ 
gesetzes stützen, in dem die Würde des Menschen, die Menschenrechte und Gerechtigkeit 
betont werden. In Artikel 2 wird die freie Entfaltung der Persönlichkeit garantiert. In Artikel 
3 steht „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ (Satz 1) und schließlich heißt es „Nie¬ 
mand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ 

Die Vereinten Nationen beschlossen 2006 das Übereinkommen über die Rechte von Men¬ 
schen mit Behinderungen. Es handelt sich um einen völkerrechtlichen Vertrag, der von der 
Bundesrepublik Deutschland am 23. Januar 2009 ratifiziert wurde. UK 


B ehindertenfeindlichkeit und In¬ 
klusion als deren Gegenteil ha¬ 
ben in Deutschland eine katas¬ 
trophale Geschichte. Der Tiefpunkt 
lag zweifelsfrei in der staatlichen Dis¬ 
kriminierung und Selektion von Behin¬ 
derten im Faschismus bis hin zur geziel¬ 
ten Ermordung von 14 494 Menschen 
mit Behinderungen in der Tötungskli¬ 
nik Hadamar (Hessen). Giftgas, Gift¬ 
spritzen und Hunger waren die Mord¬ 
werkzeuge. Die Begründung der Nazis: 
Behinderte sind nicht tauglich für den 
Produktionsprozess; sie sind ein unnüt¬ 
zer Kostenfaktor. 

An die Opfer erinnert die Gedenkstät¬ 
te Hadamar. Die Distanzierung von 
den Verbrechen ist zwingend - aber 
nicht hinreichend, denn immer noch 
gibt es in Deutschland eine latente 
Ablehnung von Behinderten und da¬ 
mit eine Distanz zur Inklusion. Sprin¬ 
gers „Welt“ brachte die Behinderten¬ 
feindlichkeit am 26. Juli 2013 mit der 
Überschrift „Die Angst vor Inklusion 
ist groß und be¬ 
rechtigt“ auf den 
Punkt. 

Knapp 490 000 
Schüler haben 
in den 16 Bundesländern Förderbe¬ 
darf. Aber noch hat nicht jedes Bun¬ 
desland die Voraussetzungen für den 
inklusiven Unterricht geschaffen. In 
Bremen besuchen 55,5 Prozent der 
Förderschüler eine reguläre Schule, 
in Niedersachsen sind es 11,1 Prozent. 
Seitdem die Inklusion in Deutschland 
mit einem Rechtsanspruch verbunden 
ist, stieg der Inklusionsanteil, also der 
gemeinsame Unterricht für Schüler mit 
und ohne Behinderung, insgesamt von 
18,4 auf 25,0 Prozent. Im Vergleich der 
Schulformen ist der inklusive Unter¬ 
richt an Realschulen und Gymnasien 
am schwächsten vertreten. 

Der Bildungsforscher Prof. Dr. Klaus 
Klemm (Essen) schränkt in seiner Stu¬ 


die „Inklusion in Deutschland - eine 
bildungsstatistische Analyse“ (Auf¬ 
traggeber: Bertelsmann-Stiftung) al¬ 
lerdings ein: „Denn der Anteil der 
Förderschüler, die in Sonderschulen 
unterrichtet werden, ist in dem selben 
Zeitraum annähernd konstant geblie¬ 
ben. So ist die Exklusionsquote, die 
diesen Anteil separat beschulter Schü¬ 
ler an allen Schulen erfasst, in den letz¬ 
ten vier Jahren lediglich von 4,9 auf 4,8 
Prozent (und damit um 2 Prozent) zu¬ 
rückgegangen“ 

Hintergrund: die Förderschüler ha¬ 
ben insgesamt von 482 155 (2008/09) 
auf 487155 (2011/12) zugenommen. 
Klemm: „Anders ausgedrückt: Im 
März 2009 ... lag der Anteil der ver¬ 
haltensauffälligen, lern- oder körper- 
behinderten Kinder an der gesamten 
Schülerschaft noch bei 6,0 Prozent; im 
Schuljahr 2011/12 betrug er 6,4 Pro¬ 
zent.“ Die brutale Gesamtbilanz der 
Studie: „Nach wie vor erlangen drei 
Viertel der Förderschüler, die separat 
unterrichtet wer¬ 
den, nicht ein¬ 
mal den Haupt¬ 
schulabschluss.“ 
Die Schlussfol¬ 
gerung bei Klemm: „Angesichts der 
Tatsache, dass schon den Schülern und 
Schülerinnen, die einen Hauptschulab¬ 
schluss erreichen, die Einmündung in 
eine voll qualifizierende Berufsausbil¬ 
dung sehr schwer fällt, eröffnen spezi¬ 
elle Abschlüsse oder Abgangszeugnisse 
von Förderschulen, die unterhalb des 
Hauptschulabschlusses angesiedelt 
sind, erst recht kaum Zugangschancen 
auf dem Ausbildungsmarkt“ 

Die Gründe sind vielfältig. Zum Bei¬ 
spiel wurden Schulen nicht so umge¬ 
baut, dass Behindertentoiletten einge¬ 
baut wurden. Oder die Räume liegen 
nicht barrierefrei. Wenn die Fachräu¬ 
me in der zweiten Etage liegen und der 
Fahrstuhl fehlt, können sie von Roll¬ 


stuhlfahrerinnen nicht erreicht werden. 
Die Folge: die Schulleitung weigert 
sich, die behinderten Schüler aufzuneh¬ 
men. Schulträger, also verantwortlicher 


Bauherr, ist die Kommune. Ihr Argu¬ 
ment: Wir haben kein Geld und bauen 
nicht - obwohl ein Rechtsanspruch auf 
Inklusion besteht (s. Kasten). 


Zweiter Grund: Es fehlt an Personal 
zur Betreuung und Begleitung der Be¬ 
hinderten. Früher wurden dafür oft¬ 
mals die kostengünstigen Zivildienst¬ 
leistenden eingesetzt. Sie stehen nicht 
mehr zur Verfügung. Auch Lehrer, die 
für inklusiven Unterricht an der Uni¬ 
versität ausgebildet wurden, gibt es 
kaum. Die Integrationshelfer und För¬ 
derlehrer seien aus den Landeshaus¬ 
halten zu finanzieren, argumentieren 
die Kommunen. Die NRW-Landesre- 
gierung schiebt das Problem auf die 
nächste Ebene. Schulministerin Sylvia 
Löhrmann (Grüne) sieht die Verant¬ 
wortung - abgeleitet aus dem Sozial¬ 
gesetzbuch - beim Bund. Die Bundes¬ 
regierung sieht das Schulwesen wie¬ 
derum in der föderalen Hoheit der 
Bundesländer. Klaus Klemm hat 660 
Millionen Euro an Personalkosten er¬ 
mittelt. Summiert werden drei Milliar¬ 
den Euro genannt. 

Niemand will verantwortlich sein. Nie¬ 
mand will die Summen einsetzen, die 
notwendig wären, um aus dem Rechts¬ 
anspruch eine Rechtswirklichkeit zu 
machen. In NRW haben der Städte- 
und Gemeindebund und der Land¬ 
kreistag Klage beim Landesverfas¬ 
sungsgericht Münster gegen das Land 
angekündigt. Der Städtetag hat sich 
ähnlich positioniert. Michael Gerber, 
DKP-Ratsherr in Bottrop und Vor¬ 
sitzender des Schulausschusses: „Das 
Gericht wird, wenn es wirklich ange¬ 
rufen werden sollte, irgendwann ent¬ 
scheiden. Inklusiv zu beschulende 
Schüler benötigen aber heute ihren 
inklusiven Platz in der Regelschule. 
Wenn keiner verantwortlich sein will, 
müssen wir den Druck nach allen Sei¬ 
ten erhöhen. Finanzielle Ausreden las¬ 
se ich nicht zu! Es geht schließlich um 
die Kinder, die heute noch auf der un¬ 
tersten Stufe der Bildungsleiter festge¬ 
halten werden.“ 

Uwe Koopmann 


A \R\N-Landesregierung schiebt das 
Problem der Inklusion weg 


Ghettorenten 

endlich 

auszahlen 

NS-Opfer zahlen 
Versagen deutscher 
Behörden 

„Das Problem mit den Ghettorenten 
muss jetzt unverzüglich gelöst werden“, 
fordern die innenpolitische Sprecherin 
der Fraktion „Die Linke“, Ulla Jelp¬ 
ke, und der rentenpolitische Sprecher, 
Matthias W. Birkwald, anlässlich des 
Kabinettsbesuches in Israel, an dem 
auch Bundesarbeitsministerin Andrea 
Nahles (SPD) teilnimmt. „Die Linke“ 
hat zu den Ghettorenten einen Antrag 
in den Bundestag eingebracht, mit dem 
die Bundesregierung auf gef ordert wird, 
schnell einen Gesetzentwurf vorzule¬ 
gen, der die rechtlichen Grundlagen 
dafür schafft, dass die Betroffenen eine 
rückwirkende Auszahlung der Rente 
ab dem 1. Juli 1997 erhalten. 

Jelpke weiter: „Bei der Umsetzung des 
Ghetto-Rentengesetzes (ZRBG) ha¬ 
ben sich über Jahre hinweg Ungerech¬ 
tigkeiten verschiedenster Art ange¬ 
häuft. Im Ergebnis werden rund 20 000 
Betroffenen Rentenleistungen in vier- 
bis fünfstelliger Höhe vorenthalten. Es 
kann nicht angehen, dass NS-Opfer, die 
im Ghetto schuften mussten, die Rech¬ 
nung für ein Versagen der deutschen 
Behörden zahlen müssen.“ 

Birkwald ergänzt: „Die Ankündigung 
von Arbeitsministerin Nahles, zügig 
einen eigenen Gesetzentwurf vorzule¬ 
gen, begrüßen wir ausdrücklich. Leider 
zeigt die Erfahrung, dass insbesonde¬ 
re die Union hier stark auf die Bremse 
tritt. Deshalb machen wir mit unserem 
Antrag Druck. Wenn wir unserer Ver¬ 
antwortung nachkommen wollen, dür¬ 
fen wir nicht länger warten. Tausende 
von Berechtigten sind schon gestorben, 
ohne jemals ihre vollen Leistungen er¬ 
halten zu haben.“ 


Umwelt-Alarm in Leverkusen 


Versiegelte Giftmüll-Deponie der Bayer-AG wird aufgebohrt 



Nach dem Krieg wurde die Depo¬ 
nie notdürftig abgedeckt und mit 220 
Wohneinheiten, einem Kindergarten, 
einem Altersheim und einer Schu¬ 
le bebaut. Medizinische Gutachten 
zeigten daraufhin bei hunderten von 
Anwohnerinnen Veränderungen des 
Blutbilds. Allein in einer Hauptschu¬ 
le am Rand des Geländes traten 15 
Krebserkrankungen und fünf Todes¬ 
fälle auf - viel mehr, als statistisch zu 
erwarten wäre. Die Gesamtzahl der 
Opfer ist bis heute unbekannt, da 
weder die Bayer AG noch die Stadt 
Leverkusen eine systematische Er¬ 
fassung der Erkrankungen Vornah¬ 
men. Der tödliche Skandal führte 
lediglich zur Ablösung des einstigen 
Werksdirektors Dietrich Rosahl. Die 
Sicherung der Altlasten verschlang 


Am Mittwoch, dem 19. Fe¬ 
bruar, haben in der Lever¬ 
kusener Dhünnaue Sondie¬ 
rungsarbeiten für den Bau 
einer neuen Autobahnbrü¬ 
cke begonnen. Hierfür wer¬ 
den 17 Bohrungen bis in eine 
Tiefe von 40 Metern durch¬ 
geführt. Bis zum Sommer 
sind etwa 300 Bohrungen 
notwendig. Wie es danach 
weitergeht ist noch nicht be¬ 
kannt. Abriss und Neubau 
der Brücke sollen bis min¬ 
destens 2023 dauern. 

Besondere Schwierigkeiten 
macht der gefährliche Unter¬ 
grund: die Dhünnaue diente 
dem benachbarten Bayer- 
Konzern jahrzehntelang als 
Giftmülldeponie. Bei jedem 
Bohrloch fallen daher rund 
zwei Tonnen Sondermüll an, 
die zunächst im Labor unter¬ 
sucht und je nach Giftigkeit 
deponiert oder verbrannt 
werden müssen. Die Ar¬ 
beiter müssen während der 
Bohrungen einen Ganzkörperschutz 
tragen. Sie tragen Schutzmasken und 
atmen gefilterte Luft, denn im Boden 
lagern nach wie vor giftige Produkti¬ 
onsabfälle. 

Die Coordinati- - 

on gegen Bayer- 
Gefahren (CBG) 
erinnert daran, 
dass die einstmals 
„größte bewohnte 
Giftmüll-Deponie 
Europas“ bis heu¬ 
te eine Gefahr für die Umwelt dar¬ 
stellt. Auf dem Gelände liegen meh¬ 
rere hunderttausend Tonnen Giftmüll, 
darunter Schwermetalle und hochge¬ 
fährliche Chlorverbindungen. Wegen 
der ungeordneten Deponierung ist die 
genaue Zusammensetzung unbekannt. 


Für den Neubau der 
Leverkusener Autobahnbrücke 
wird die ehemalige Giftmüll- 
Deponie des Bayer-Konzerns 
entsiegelt. 


Im Landtag NRW wurde einst von ei¬ 
ner größeren Giftlast als in Bitterfeld 
gesprochen. 

Das verseuchte Erdreich wurde we¬ 
der abgetragen noch vollständig um¬ 
schlossen. Ledig¬ 
lich zum Rhein 
hin wurde die Alt¬ 
last mit Spund¬ 
wänden gesichert. 
Stündlich müssen 
daher 750 Kubik¬ 
meter verseuchtes 
Wasser abgepumpt und gereinigt wer¬ 
den - über Jahrhunderte hinweg. Da 
die Schichten unter der Deponie zum 
Teil wasserdurchlässig sind, ist ein Ein¬ 
dringen von giftigem Grundwasser in 
den Rhein zu befürchten, besonders bei 
Hochwasser. 


von 1995 bis 2004 offiziell rund 110 
Millionen Euro, die von Land, Bund 
und Bayer AG aufgebracht wurden. 
Danach fand auf dem Gelände die 
Landesgartenschau 2005 statt. Da¬ 
mals sprach der Konzern davon, dass 
mit der Versiegelung das Problem der 
Giftmüll-Deponie endgültig beseitigt 
sei. 

Die CBG und andere Organisationen 
forderten schon damals eine vollstän¬ 
dige Sicherung des Geländes auf Kos¬ 
ten des Konzerns, Übernahme aller 
Folgekosten durch Bayer sowie einen 
Gedenkstein für die Opfer. „Die ent¬ 
stehenden Mehrkosten beim Bau der 
Autobahn müssen von Bayer getragen 
werden. Umwelt und Anlieger haben 
jahrzehntelang unter der Gift-Belas¬ 
tung gelitten. Der Öffentlichkeit dürfen 
nicht noch weitere Folgekosten entste¬ 
hen“, so Philipp Mimkes vom Vorstand 
der CBG. 

Bereits 1987 hatte das Landesamt für 
Abfall und Wasser festgestellt, dass 
„die untersuchten Boden-Eluate eine 
teilweise extreme Belastung des Bo¬ 
dens mit Schadstoffen aufzeigen. Die 
Schadstoffe sind bereits so weit in den 
Untergrund eingedrungen, dass auch 
das Grundwasser davon betroffen ist. 
Dieser Umstand ist äußerst bedenklich, 
vor allem im Hinblick auf eine mög¬ 
liche Gefahr für das Trinkwasser (...). 
Eine Kontamination z.B. spielender 
Kinder oder weidenden Viehs ist nicht 
auszuschließen“. 

All diese Probleme waren angeblich 
mit der Versiegelung von 2004 gelöst. 
Doch jetzt holt die Vergangenheit die 
Leverkusener Bevölkerung wieder 
ein. Mindestens 20 Meter ist die Gift¬ 
schicht dick, durch die jetzt 300 Lö¬ 
cher gebohrt werden. Später werden 
die Fundamente der neuen Brücke in 
die Giftschicht gesetzt. Dass dabei kei¬ 
ne Gefährdung entsteht, mag glauben, 
wer mag. AR (Quelle: CBG) 








m unsere zeit _ Innenpolitik _ 

Die frühe Wende der „GroKo“ 

Anmerkungen zum „Fall Edathy“ • Von Klaus Wagener 


D ie „Zeit“ übertrifft sich wieder 
einmal: Sebastian Edathy sei im¬ 
mer „jemand Apartes gewesen, 
im doppelten Sinn des Wortes“ Der 
„Egoshooter“ habe den NSU-Unter- 
suchungsausschuss „mit kalter Bril¬ 
lanz und beherrschter Leidenschaft“ 
geführt. „Mit einer Dringlichkeit, de¬ 
ren Gründe die Öffentlichkeit jetzt 
erst erahnt 4 , 4 habe er sein Ziel verfolgt: 
„Er wollte aller Welt zeigen, dass die 
deutsche Gesellschaft ein schmutziges 
Geheimnis hat “ Der (behauptete) Auf¬ 
klärungseifer des Ausschussvorsitzen¬ 
den wird zu einem individualpsycholo¬ 
gischen Gegenschlag des ethnisch und 
sexuell „aparten“ Einwandererkindes, 
in dessen Augen „die deutsche Gesell¬ 
schaft durch und durch vom Rassismus 
zerfressen“ sei. Der Besitz von Abbil¬ 
dungen nackter Kinder ist damit pub¬ 
lizistisch in die Nähe einer rassistisch 
motivierten Mordserie gerückt. 

„Im Sommer konnte man ihn gelegent¬ 
lich im hellen Leinenanzug vor dem 
Paul-Löbe-Haus an der Spree stehen 
und eine Zigarette rauchen sehen - ein 
Dandy der Inneren Sicherheit. Sein 
Jagdhund Felix, der in seinem Appar¬ 
tement auf ihn wartete, muss für ihn 
eine Art großer Liebe gewesen sein.“ 
Der Dandy im Leinenanzug mit seiner 
großen Liebe Felix. Nur nicht kleckern 
... Und dieser „Dandy“ riss „Polizei¬ 
beamten und Verfassungsschützern 
immer aufs Neue die Maske vom Ge¬ 
sicht“. Er habe sie „akribisch, gnaden¬ 
los, mit finsterer Wut oder leisem Spott“ 
befragt. Gnadenlos, mit finsterer Wut, 
„unsere“ (wie man gedanklich zu er¬ 
gänzen hat) Polizeibeamten und Ver¬ 
fassungsschützer. 

Sebastian Edathy ist politisch tot. Kein 
Grund aus ihm einen linken Freiheits¬ 
kämpfer zu basteln. Und zu einem 
Alfred Dreyfus fehlt ihm das Format. 
Der „Seeheimer“ ist nicht einmal in 
der SPD ein Linker. Sein Eintreten für 
die Vorratsdatenspeicherung ist be¬ 
kannt. Und so akribisch er sich viel¬ 
leicht durch die Aktenberge des NSU- 
Untersuchungsausschusse gegraben 
haben mag, so wenig ist doch über die 
politisch-strukturellen Verbindungen 
der Dienste zum braunen Milieu da¬ 
bei heraus gekommen. Edathy wusste, 
wie viel „Akribie“ er der öffentlichen 
Empörung schuldig war und wo sein 
„leiser Spott“ es beim „Versagen der 
Dienste“ belassen musste. Das BKA 
soll während der gesamten Laufzeit 
des Untersuchungsausschuss die „ka¬ 
nadischen Informationen“ zu Edathy 
besessen haben. 

Staatsanwaltschaft 

„Nulla poena sine lege.“ Keine Strafe 
ohne Gesetz, das ist der einschlägige 
fundamentale Rechtsgrundsatz. Und 
dieses Gesetz muss schriftlich (scripta) 
und bestimmt (certa) gefasst sein. Und 
es dürfen keine 
Analogien (stric- 
ta) oder rückwir¬ 
kende Straftat¬ 
bestände (prae¬ 
via) zuungunsten 
des Angeklagten 
geschaffen wer¬ 
den. Jeder soll wissen können, bei wel¬ 
cher Handlung genau er sich strafbar 
macht. Nähme die handelnde Elite, 
Staatsanwaltschaft, politisches Esta¬ 
blishment und Medien ihre eigenen 
Normen ernst, so hätten nach gelten¬ 
der Strafprozessordnung auf reinen 
Vermutungen basierende Verdachts¬ 
momente zur Privatperson Edathy 
erst gar nicht verlautbart werden dür¬ 
fen. Selbst nach Aussage des leitenden 
Oberstaatsanwaltes, Jörg Fröhlich, liegt 
kein Straftatbestand vor. Der verfah¬ 
rensnotwendige Anfangsverdacht wird 
mit Hilfe einer dubiosen „Anfix-The- 
orie“ konstruiert, nachdem der Besitz 
von „Posing-Bildern“ auch eine Nei¬ 
gung zu „härterem Material“ nach sich 
zieht. In der Konsequenz dieser Theo¬ 
rie sind Autofahrer potentielle Raser, 
Männer potentielle Vergewaltiger, je¬ 
der ein potentieller Straftäter. Auch die 
nachgelegte Konstruktion eines „Grau¬ 
bereichs der Kinderpornographie“ liegt 


auf dieser diffusen Ebene. Entweder 
Ja oder Nein. Da ist Beweis zu führen. 
Das alles zielt beim Publikum auf die 
medial verstärkte Erzeugung eines un¬ 
tergründigen Unbehagens, dient also 
erkennbar eher der angeschlagenen 
Eigenlegitimation als der sauberen Er¬ 
mittlungsführung. Fröhlich steht, nach¬ 
dem er im Fall Christian Wulff gerade 
ein Desaster erlebt, nicht sonderlich 
blendend da. Und „Graubereich“ wi¬ 
derspricht elementar den oben genann¬ 
ten Normen. Nun, bekanntlich geht es 
nicht nach diesen Normen. Wer wüsste 
das besser als Kommunisten. Edathy 
steht am Pranger, ob juristisch schul¬ 
dig oder nicht. Die Kommentare in den 
Leserforen sind geradezu unterirdisch. 
Und natürlich melden sich die be¬ 
kannten Stimmen aus der „Schwanz- 


ab-Fraktion“, die eine Verschärfung 
der Gesetze fordern. Am liebsten 
gleich rückwirkend. Vor wenigen Ta¬ 
gen lief der wunderbare Film „Mar- 
rakesch“ (1998) mit Kate Winslet im 
Fernsehen. Der Film lebt zum großen 
Teil von den eminent ausdruckstarken 
Gesichtern der hinreißenden (Film-) 
Töchter Lucy (Carrie Mullan) und Bea 
(Bella Riza). Es ist heiß, die beiden 
neunjährigen Kinder spielen manch¬ 
mal nur im Höschen. Wie viele „Eda- 
thys“ wird es wohl noch brauchen, bis 
auch Filme wie „Marrakesch“ auf den 
Index geraten? 

Politik 

Die SPD-Spitze demonstrierte Ent¬ 
schlossenheit - gegen ihren eigenen 
Parteigenossen. „Gabriels geballte 


Offensive“ (Spiegel). Der SPD-Chef 
betreibt, „entsetzt“ und „fassungslos“, 
den Ausschluss Edathys. Das ist be¬ 
merkenswert in einer Partei, in der die 
Herren Schröder, Eichel und Riester, 
verantwortlich für einen Zig-Milliar- 
den-schweren Raubzug auf die Taschen 
der arbeitenden Menschen und Rent¬ 
ner, sogar noch gefeiert werden, ebenso 
wie ein Herr Scharping, der mit einer 
Lüge, wieder, wie 48 Jahre vorher, in 
einem Angriffskrieg „Bomben auf Bel¬ 
grad“ werfen ließ. Oder ein Herr Struck 
der Deutschland am Hindukusch ver¬ 
teidigen wollte. Die Partei ist sich nicht 
einmal zu schade, einen bekennenden 
Rassisten wie Thilo Sarrazin in ihren 
Reihen zu halten und ihren französi¬ 
schen Genossen den Kriminellen Pe¬ 
ter Hartz aufzuhalsen. Aber Edathy - 
„nicht vereinbar mit einer Mitglied¬ 
schaft in der SPD“ (Gabriel). 
„Gabriels geballte Offensive“ dürfte 
nichts nützen. Der Druck auf die SPD 


wird sich verstärken. Haben die Me¬ 
dien in den Koalitionsverhandlungen 
noch das Spiel der „SPD mit breiter 
Brust“ mitgespielt, die Zustimmung 
zur „GroKo“ musste gesichert werden, 
so wird im Verlaufe der Entwicklung 
zunehmend die eigentliche Agenda 
in den Vordergrund gerückt werden. 
Und die heißt nicht „Mindestlohn“ und 
„Rente mit 63“. 

Das Bauernopfer Friedrich, dessen - 
illegalen - Geheimnisverrat der SPD- 
Chef, offenbar im Gegensatz zu den - 
legalen - Fotos Edathys als „mensch¬ 
lich höchst anständig“ glorifizierte, 
wurde mit leichter Hand gebracht. Das 
wichtige Innenressort ist nun ohnehin 
mit dem strammen Hardliner de Maizi¬ 
ere besetzt. Und nach einer Ilse Aigner 
scheint es für die Landwirtschaft offen¬ 


kundig ziemlich egal, ob ein faktenre¬ 
sistenter Friedrich („Winkeladvokaten 
und Rechtsverdreher“) oder ein aus¬ 
gewiesener Nichtfachmann Christian 
Schmidt an ihrer Ministeriumsspitze 
herum dilettiert. Wichtig ist: Ab jetzt ist 
die SPD in der Defensive. Alles andere 
ist vergessen. Es wird ein Preis von der 
SPD gefordert werden. Und das wird 
ein politischer sein. 

Pädophilie 

Das abenteuerliche Verhältnis von real 
nachweisbarem Tatbestand und medi¬ 
al-politischem Ballyhoo wirft ein be¬ 
zeichnendes Licht auf die Funktiona- 
lisierbarkeit des Pädophilie-Vorwurfs. 
Nach der Erosion der christlichen Se¬ 
xualnormen, der gesellschaftlichen 
Anerkennung der Homosexualität ist 
die Pädophilie 
eine der weni¬ 
gen, um nicht zu 
sagen die sexuel¬ 
le Orientierung, 
welche einem 
massiven, in den 
letzten Jahren 
drastisch verstärkten, gesellschaftli¬ 
chen Unwerturteil unterliegt. Dabei 
verdichtet sich die philisterhafte Erre¬ 
gung, ausgelöst durch die sensations¬ 
lüstern-reißerische „Berichterstattung“ 
über verschiedene brutale Gewaltver¬ 
brechen an Kindern, zu eine Art Gene¬ 
ralverdacht, der sich nun über alle legt, 
die auch nur in die Nähe des Pädophi¬ 
lie-Vorwurfs geraten. Aus harmlosen 
Bildbetrachtern wird da nicht nur für 
die Stammtische umstandslos ein Marc 
Dutroux. Auch die ehemalige Famili¬ 
enministerin Ursula von der Leyen 
spielte diese Karte als sie 2009 ihre In¬ 
ternetzensur durchsetzen wollte: „Kin¬ 
derpornografie, also Bilder und Filme 
über Vergewaltigungen von Kindern 
und Säuglingen, wird grundsätzlich 
geächtet in unserem Land. Denn wer 
kinderpornografische Bilder im Netz 
anklickt, der missbraucht die Kinder 
erneut und gibt einen Anreiz für die 
Produktion immer neuer Bilder.“ 


Diese sensationsheischende Dramati¬ 
sierung des Problems sowohl qualitativ 
in Richtung Schwere des Verbrechens 
als auch quantitativ in Richtung Exis¬ 
tenz eines Massenmarktes im Internet 
hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun. 
Niemand wird leugnen, dass es schwere 
Verbrechen gegen Kinder gibt. Die gibt 
es, aber man kann vieles davon wohl 
kaum unter dem Begriff Pädophilie 
einsortieren. Ihre Zahl ist allerdings 
eher rückläufig. Ein Massenmarkt für 
„Bilder und Filme über Vergewalti¬ 
gungen von Kindern und Säuglingen“ 
im Internet ist nach Expertenmeinung 
ein Mythos. Beispielsweise wurden bei 
der „Aktion Mikado“ sämtliche 22 Mio. 
Kreditkarten in Deutschland - anlass¬ 
los - auf diesen Verdacht hin gerastert. 
Der Erfolg: Eine Handvoll Bußgeldbe¬ 
scheide. Den brutalen Verbre¬ 
chen gegen Kinder, in der Re¬ 
gel durch Familienangehörige, 
liegt in den seltensten Fällen 
das unterstellte kommerziel¬ 
les Interesse zugrunde. Even¬ 
tuell dabei produzierte Fotos 
werden vorwiegend produ¬ 
ziert und privat getauscht, um 
sich damit zu brüsten. Hier 
geht es qualitativ um etwas 
anderes, als bei Bildern, die 
man in den 1970er-Jahren in 
den „Lolita“-Heften noch 
ganz simpel an jedem Kiosk 
kaufen konnte. 

Der Mensch hat, natürlich, 
eine eben nicht normierte, 
sondern breit gefächerte sexu¬ 
elle Dimension, von denen er 
zumeist nur einen sehr gerin¬ 
gen Teil auslebt. Die Durch¬ 
setzung sexueller Normen 
und entsprechender Unwert¬ 
urteile erfüllte wichtige ge¬ 
sellschaftliche (Inzestverbot) 
und in Klassengesellschaften 
auch Herrschaftsfunktionen. 
Überwachen und strafen ge¬ 
hören zu den elementaren 
Herrschaftstechniken. Und 
der christliche Ideologieapparat liefer¬ 
te dazu ein ausgefeiltes, auf das Indivi¬ 
duum fokussiertes Normengerüst, der 
bürgerliche Staatsapparat die entspre¬ 
chenden individualisierten Instrumen¬ 
te und Techniken. Gerade der englische 
Liberale Jeremy Bentham entwickelte 
mit seinem „panoptischen Gefängnis“, 
einem Knast, in dem jeder Gefangene 
von einem einzigen Punkt aus über¬ 
wacht werden kann, sich also perma¬ 
nent beobachtet fühlen muss, den klas¬ 
sischen Ausdruck der „Disziplinarge- 
sellschaft“ (Foucault). Hier entsteht 
ein enormer Anpassungsdruck. Wobei 
die Herrschenden sich in der Regel als 
über der Norm stehend betrachteten. 
So bekanntlich auch die Katholische 
Kirche, die auf dem diskutierten Ge¬ 
biet ja über große Erfahrung verfügt, 
die aber erstaunlicherweise in von Frau 
von der Leyens Kampf für das Kindes¬ 
wohl kaum die ihr angemessene Be¬ 
rücksichtigung fand. Nichtbeachtung 
finden selbstredend für solch wenig er¬ 
giebige Themen wie Kinderarmut, Kin¬ 
derarbeit, Straßenkids und Kinderpros¬ 
titution. Unterhalb von „vergewaltigte 
Säuglinge“ läuft da eben nix. 

In Zeiten der digitalen Totalüberwa¬ 
chung, der digitalisierten Globalisie¬ 
rung von Benthams Panopticon, ent¬ 
wickelt sich aus der mit maximaler ge¬ 
sellschaftlicher Ächtung sanktionierten 
Sexualnorm ein geradezu ideales poli¬ 
tisches und gesellschaftliches Vehikel. 
Vergleichbar allenfalls noch mit dem 
Stasi- oder Terrorismusvorwurf. Es ent¬ 
steht ein enormer Konformitätsdruck. 
Hier reichen einige, wie auch immer zu¬ 
stande gekommenen Zahlen in irgend¬ 
welchen Dateien, einige Andeutungen 
auf einer Pressekonferenz und der pu¬ 
blizistische wie auch der reale Mob ist 
von der Kette. Existenzen sind vernich¬ 
tet, Politiker, Aktivisten, politische Or¬ 
ganisationen im Aus. Die Bewusstsein¬ 
sindustrie hat in der Vergangenheit 
eindrucksvoll demonstriert, wie sie aus 
jedem ausländischen Staatsmann bin¬ 
nen Tagen ein Monster machen kann. 
Hier ist die innenpolitische Variante. 


Die Bewusstseinsindustrie hat in der Vergangenheit 
eindrucksvoll demonstriert, wie sie aus jedem ausländischen 
Staatsmann binnen Tagen ein Monster machen kann. 
Hier ist die innenpolitische Variante. 



~nn 



Für jede Ministerin, jeden Minister die passende Krücke. 

Seit die GroKo lahmt, scharen sich die Akteure um so eifriger um die Kanzlerin. 


Freitag, 28. Februar 2014 


Ärger für Rechtspopulisten 

Die Hagener Staatsanwaltschaft er¬ 
mittelt wegen einer möglichen Wahl- 
und Urkundenfälschung gegen „pro 
NRW“. Hintergrund ist die Sammlung 
von Unterstützungsunterschriften für 
die Europawahl. Im 9 000-Einwoh- 
ner-Städtchen Breckerfeld (Ennepe- 
Ruhr-Kreis) reichte die selbst ernann¬ 
te „Bürgerbewegung“ Medienberich¬ 
ten zufolge Unterschriften ein, die die 
Verwaltungsmitarbeiter misstrauisch 
werden ließen. Die abgegebenen Un¬ 
terschriften hätten häufig nicht mit de¬ 
nen auf dem Personalausweis überein¬ 
gestimmt. Angebliche Unterstützer be¬ 
richteten demnach auf Nachfrage, dass 
sie gar nicht unterschrieben hätten. 
Unterdessen wurde bekannt, dass das 
Kölner Landgericht ab dem 11. April 
gegen vier Stadtverordnete von „pro 
Köln“ verhandelt. Vorgeworfen wird 
der Fraktionsvorsitzenden Judith Wol¬ 
ter, ihrem Stellvertreter Jörg Ucker¬ 
mann, dem Fraktionsgeschäftsfüh¬ 
rer Markus Wiener und Ratsmitglied 
Bernd Schöppe gewerbsmäßiger und 
bandenmäßiger Betrug. Sie sollen in 
mehr als 350 Fällen unrechtmäßig Sit¬ 
zungsgelder von der Stadt Köln kas¬ 
siert haben, unter anderem durch die 
Abrechnung von Fraktionssitzungen, 
die überhaupt nicht stattgefunden hat¬ 
ten. Insgesamt soll ein Schaden von 
mehreren Zehntausend Euro entstan¬ 
den sein. Bisher hat das Landgericht 
zwölf Verhandlungstage eingeplant. 

(blick nach rechts) 

Aussteigerprogramm für 
„Linksextremisten“ 

„Das Aussteigerprogramm des Verfas¬ 
sungsschutzes für sogenannte Linksex¬ 
tremisten verläuft zu meiner vollen Zu¬ 
friedenheit - im Sande“, erklärt die in¬ 
nenpolitische Sprecherin der Fraktion 
„Die Linke“, Ulla Jelpke, zur Antwort der 
Bundesregierung auf eine Kleine Anfra¬ 
ge. Darin hatte sich die Fraktion nach der 
bisherigen Bilanz des Programms erkun¬ 
digt. Jelpke weiter: 

„Ganze fünf Personen haben im Jahr 
2013 bei der Hotline des Geheimdiens¬ 
tes angerufen. Keiner der Anrufer hat 
sich danach noch ein zweites Mal gemel¬ 
det, keiner der Anrufer ist nach Kennt¬ 
nis der Bundesregierung aus der linken 
Szene ausgestiegen. Im Vorjahr konnte 
der Geheimdienst nach eigenen Anga¬ 
ben noch einem jungen Autonomen aus 
Bayern beim Aussteigen behilflich sein. 
Insgesamt hatten im Jahr 2012 15 Perso¬ 
nen angerufen. 

Von den fünf Anrufern des Jahres 2013 
war einer im Gefängnis, gegen zwei an¬ 
dere liefen Ermittlungsverfahren. Diese 
drei hatten sich wohl Hoffnungen ge¬ 
macht, mit dem Verfassungsschutz ei¬ 
nen Deal vereinbaren zu können. Trotz 
der, wie die Bundesregierung es nennt, 
zahlenmäßig überschaubaren Anzahl 4 
von Anrufern will sie am Programm un¬ 
bedingt festhalten. 

Das Programm erweist sich damit als 
Witz - allerdings als schlechter: Es exis¬ 
tiert überhaupt nur, weil die Bundes¬ 
regierung der Öffentlichkeit und sich 
selbst weismachen will, radikale Linke 
bräuchten für einen Ausstieg aus ihren 
Strukturen genauso Unterstützung wie 
Nazis, die eine Kameradschaft verlassen 
wollen. Schon die praktische Erfahrung 
mit dem Programm beweist, wie unsinnig 
diese Gleichsetzung ist.“ 

Edathy stellt weitere 
Strafanzeige 

Der Anwalt des unter Verdacht des Be¬ 
sitzes von Kinderpornografie stehenden 
SPD-Politikers Sebastian Edathy hat 
den Ermittlungsbehörden vorgeworfen, 
„jedes Maß“ verloren zu haben. In Eda¬ 
thys Fall seien die Unschuldsvermutung 
missachtet sowie das Dienstgeheimnis 
verletzt worden, heißt es in einer von 
Rechtsanwalt Christian Noll verbreite¬ 
ten Erklärung. Daher habe Edathy ein 
weiteres Mal Strafanzeige gegen die Er¬ 
mittlungsbehörden gestellt. 

Die Staatsanwaltschaft habe „öffent¬ 
lichkeitswirksam Durchsuchungen vor¬ 
genommen, in der bloßen Hoffnung, 
dabei etwas zu finden. 44 Da sie Edathys 
Verhalten aber als nicht strafbar einge¬ 
stuft hatten, hätte der Vorgang geschlos¬ 
sen werden müssen. Wörtlich heißt es in 
der Erklärung: „Es gibt keine rechtlichen 
Grauzonen. Es gibt legal und nicht-legal.“ 


















6 Freitag, 28. Februar 2014 


Internationale Politik 


unsere zeit m 


Staatsstreich in der Ukraine 


Fortsetzung von Seite i 


Die Putschisten in Kiew und ihre west¬ 
lichen Strippenzieher jubilieren. Aller¬ 
dings könnte der vermeintliche Sieg 
noch eine schwere Bürde für sie wer¬ 
den. Wir weisen auf drei Aspekte hin: 
Erstens könnte das Eingreifen Timo- 
schenkos in die politischen Entwicklun¬ 
gen zu Problemen führen. Für den von 
den Herrschenden in Deutschland ins¬ 
tallierten und zum Präsidentschaftskan¬ 
didaten auserkorenen Ex-Boxweltmeis- 
ter Klitschko stellt Timoschenko eine 
ernsthafte Konkurrenz dar. Das hat sie 
durch den Anspruch auf die Kandida¬ 
tur bereits deutlich gemacht. In ihrem 
Willen zur Macht sowie als begeistern¬ 
de Rednerin ist sie Klitschko um drei 
Köpfe überlegen, obwohl auch gesehen 
werden muss, dass sie durch ihre Es¬ 
kapaden während der „Orange“-Zeit 
manches an Sympathie eingebüßt hat. 
Und so leicht wie Klitschko lässt sie sich 


nicht von jenseits der Grenzen manipu¬ 
lieren. Zudem zeigen die Erfahrungen, 
dass sie immer für die Inszenierung po¬ 
litischer Krisen gut ist. 

Zweitens: Die bewaffneten faschisti¬ 
schen Ultras haben in der Westukraine 
die Macht ergriffen und werden diese 
kaum wieder abgeben wollen. In Kiew 
bestimmten sie die Haltung des Mai- 
dan und ihr Druck hat der Pro-EU-Op- 
position in Parlament und Regierung 
die Macht verschafft. Es wäre naiv zu 
erwarten, dass sie dafür keinen Tribut 
fordern. Sie werden in jedem Fall der 
Regierung und einem künftigen Präsi¬ 
denten im Nacken sitzen. 

Drittens könnte den „Siegern“ in Ber¬ 
lin, Brüssel und Washington der Bissen 
Ukraine im Halse stecken bleiben. Das 
Land ist hochverschuldet und steht vor 
der Zahlungsunfähigkeit. Wenn man 
aber schon die Probleme Griechen¬ 


lands mit seinen 11 Mio. Einwohnern 
nicht bewältigen kann, wie soll das 
dann in der Ukraine mit mehr als vier¬ 
mal so viel Einwohnern klappen? 

Und die Köpfe der Ukrainer sind 
voller Illusionen. Sie glauben, dass 
ihr Land nun bald Mitglied der EU 
sein wird und dann Milch und Ho¬ 
nig fließen. Hatten die „Oppositi¬ 
onsführer“ sie doch mit solchen un¬ 
erfüllbaren Träumen auf den Mai- 
dan gebracht. Statt Milch und Honig 
werden EU und IWF ihnen das bit¬ 
tere Gericht des Sich-zu-Tode Spa¬ 
rens servieren, wie der Blick nach 
Griechenland zeigt. Das Ergebnis 
wird noch größere Arbeitslosigkeit 
und noch mehr Elend sein. Das jet¬ 
zige Triumphgeheul könnte bald in 
Heulen und Zähneklappern überge¬ 
hen. Kommt dann ein neuer Maidan? 

Willi Gerns 




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KPU: Ukraine wird zum Protektorat 


Wir dokumentieren in eigener Übersetzung 
einen offenen Brief von Petro Simonen- 
ko, Erster Sekretär der Kommunistischen 
Partei der Ukraine und Vorsitzender der 
KPU-Fraktion in der Obersten Rada, dem 
ukrainischen Parlament, an die Mitglieder 
seiner Partei. 

Liebe Genossen Kommunisten! 

Ich wende mich an euch in einem der dra¬ 
matischsten Momente der Geschichte un¬ 
seres Landes. Während der tragischen 
Ereignisse der vergangenen drei Monate 
Blutvergießen sind Menschen gestorben. 
Die territoriale Integrität der Ukraine, ihre 
Existenz als vereinigter unabhängiger und 
souveräner Staat ist gefährdet. 

Die Ereignisse haben verschiedene Ebenen. 
Die Beteiligung einer großen Zahl Menschen 
an den Protesten spiegelte die tiefe soziale 
Unzufriedenheit mit dem Regime von Janu- 
kowitsch und seiner Mannschaft wider, die 
das Land unangemessen regiert, die Men¬ 
schen betrogen und ihre Wahlversprechen 
aufgegeben haben. In schwerer Zeit hat er 
feige sein Amt aufgegeben. Die freche Be¬ 
reicherung im Umfeld des als „die Familie“ 
bekannten Janukowitsch-Clans hat ihn von 
der Mehrzahl seiner Anhänger und Wähler 
entfremdet. 

Doch die Massenproteste haben nicht die 
Natur eines Klassenkonflikts angenommen. 
Die verbissene Schlacht fand zwischen 
zwei Fraktionen derselben Ausbeuterklas¬ 
se - der Oligarchen-Bourgeoisie - statt, de¬ 
ren am besten organisierte und vorbereitete 
Gruppe sich der pro-westlichen Strömung, 
den nationalistischen Kräften und Rechts¬ 
radikalen angeschlossen hat. Diese Kräfte 
machen sich gewöhnlich die Unzufrieden¬ 
heit der Menschen zunutze und haben einen 
Staatsstreich vollzogen. 

Zugleich hat sich der Westen offen und ohne 
zu zögern in die inneren Angelegenheiten 
unseres Landes eingemischt, die Aktionen 
der Rechten unterstützt, die bereits auf eine 
ernsthafte Veränderung der geopolitischen 
Lage in Europa und der Welt gerichtet sind, 
gegen die jahrhundertealten wirtschaftli¬ 
chen, kulturellen und geistigen Bande der 
Völker der Ukraine und Russland sowie an¬ 
derer Brudervölker der früheren Sowjetuni¬ 
on. Die Ukraine wird zu einem Protektorat 
der USA; der EU, der NATO, der Internati¬ 


onalen Währungsfonds und verschiedener 
multinationaler Konzerne. 

Die gegen Janukowitsch gerichteten Akti¬ 
onen der Rechtsradikalen brachten offen 
neonazistische Kräfte, ideologische Erben 
der Nazi-Invasoren, nach oben. Das wird be¬ 
gleitet von einer extrem gefährlichen Welle 
antikommunistischer Hysterie, von der Zer¬ 
störung von Denkmälern für Lenin und die 
Helden des Großen Vaterländischen Krieges, 
von Banditenangriffen auf die Einrichtungen 
unserer Partei in Kiew und in anderen Städ¬ 
ten, vom moralischen und physischen Terror 
gegen die Kommunisten und von der Forde¬ 
rung nach einem Verbot der Aktivitäten der 
Kommunistischen Partei der Ukraine. 

All das zeigt, dass die Kräfte, die die Macht 
ergriffen haben, zu rechtswidrigen Aktio¬ 
nen zur Unterdrückung nicht nur der Funk¬ 
tionäre der Partei, sondern auch der einfa¬ 
chen Kommunisten greifen können. Darauf 
müssen wir vorbereitet sein. 

Unter diesen Umständen gilt unsere 
Hauptsorge, die Strukturen und Kader der 
Partei zu erhalten und wachsam zu sein, 
um nicht auf Provokationen hereinzufallen. 
Es ist wichtig, jede Gelegenheit zu nutzen, 
um die Natur des sich vollziehenden Put- 
sches und die sich daraus ergebenen Gefah¬ 
ren für die einfachen Bürger zu erklären: Ein 
starker Wirtschaftseinbruch, Anstieg der Er¬ 
werbslosigkeit und das Ausbleiben von Ge¬ 
halts- und Rentenzahlungen, Preis- und Ge¬ 
bührenerhöhungen, zügellose Verbrechen, 
eine stärkere Verarmung der Bevölkerung. 
Die Führung der Partei und unsere Frakti¬ 
on in der Obersten Rada der Ukraine wer¬ 
den alles tun, um unter diesen schwierigen 
Umständen die Interessen der Arbeiter zu 
schützen, die Partei zu erhalten und die In¬ 
tegrität der Ukraine zu verteidigen. 

Liebe Genossen! 

Unsere Partei stellt jeden von uns vor neue 
Prüfungen. Stärken wir unsere Kraft und un¬ 
sere Zahl, vervielfachen wir den Kampf für 
unsere gerechte Sache, für den Sozialismus! 

Petro Simonenko, Erster Sekretär des Zent¬ 
ralkomitees der Kommunistischen Partei der 
Ukraine, Vorsitzender der kommunistischen 
Fraktion in der Obersten Rada der Ukraine 

Quelle des Originals: kpu.ua/Übersetzung: RedGlobe 


Afrika fest im Blick 

Gipfeltreffen in Paris zur Verstärkung der Rolle des deutsch-französischen „Führungsduos“ 


Island will nicht in die EU 

Die isländischen Regierungsparteien, 
die liberale „Fortschrittspartei“ und die 
bürgerlich-konservative „Unabhängig¬ 
keitspartei“, haben sich am 21. Febru¬ 
ar auf ein Gesetz geeinigt, mit dem der 
2010 eingereichte Aufnahmeantrag 
in die EU zurückgezogen wird. Dies 
kündigte Außenminister Sveinsson in 
einer Radiosendung an. Die Zurück¬ 
ziehung des Beitrittsantrags soll ohne 
die ursprünglich angekündigte Volks¬ 
abstimmung erfolgen. Laut Umfragen 
wäre bei einem Referendum ein klares 
Nein zum EU-Beitritt zu erwarten. 

In der Berichterstattung der bürgerli¬ 
chen Medien wurden als Begründung 
vor allem Interessengegensätze we¬ 
gen der EU-Fischfangquoten ange¬ 
führt. Das verdeckt die Tatsache, dass 
es seit 2009 noch ein weiteres Konflikt¬ 
thema gibt. Als in der Krise 2008 die 
drei größten isländischen Privatbanken 
nach milliardenschweren Spekulations¬ 
operationen an den Rand des Bank¬ 
rotts gerieten und vom Staat übernom¬ 
men wurden, wurde aus der EU gefor¬ 
dert, dass der isländische Staat für ihre 
„Rettung“ aufkommen und dafür sor¬ 
gen müsse, dass ausländischen Gläubi¬ 
ger keine Verluste erleiden. Vor allem 
Kapitalanleger aus Deutschland, den 
Niederlanden und Großbritannien 
hatten auf lukrative Geldvermehrung 
durch die von den isländischen Banken 
versprochenen hohen Zinsen gehofft. 
Doch der isländische Staatspräsident 
Olafur Grimsson weigerte sich kurzer¬ 
hand, das entsprechende „Icesave“-Ge- 
setz zu unterzeichnen. Seitdem gibt es 
Forderungen, dass Islands EU-Beitritt 
mit einer Regelung dieser „Entschädi¬ 
gungsfrage“ für die ausländischen Ka¬ 
pitalanleger gekoppelt sein müsse. 


Ziemlicher Auftrieb am 19. Februar 
in Paris. Nicht weniger als 15 deutsche 
Minister unter Führung der Kanzle¬ 
rin wurden eingeflogen, um sich mit 
Frankreichs Staatschef Hollande, Re¬ 
gierungschef Ayrault und 25 französi¬ 
schen Ministern zum 16. französisch¬ 
deutschen Ministerrat zu treffen. Min¬ 
destens einmal im Jahr sind derartige 
„Gipfeltreffen“ beider Regierungen 
vorgesehen. Diesmal war es das ers¬ 
te seit der Neubildung der Regierung 
der „großen Koalition“ in Deutschland, 
wodurch Hollande und seine Minister 
erstmals mit mehreren sozialdemokra¬ 
tischen Parteifreunden in deutschen 
Ministerämtern zusammentrafen. 
ARD-Korrespondent Stefan Simons 
meinte, es sei hauptsächlich um ein 
„Um-die-Wette-Strahlen im Elysee“ 
gegangen; Merkel und Hollande hät¬ 
ten sich „als eingespieltes Harmonie- 
Duo“ präsentiert. 

Da hatten die fünf Tonnen Kohle und 
die 2 000 Liter kontaminiertes Was¬ 
ser aus der Atomanlage La Hague, 
die Greenpeace-Aktivisten am frü¬ 
hen Morgen des Tages vor den Präsi¬ 
dentenpalast gekippt hatten, um das 
Motto „Weg mit Kohle und Atom - 
Energiewende jetzt“ als Forderung an 
beide Regierungen zu unterstreichen, 
natürlich keine Chance, in den vorherr¬ 
schenden Medien auch nur erwähnt zu 
werden. 

Die von den beiden Staatschefs verein¬ 
barte Gemeinsame Erklärung ist eben¬ 
so lang (23 Seiten) wie überwiegend mit 
wohlklingenden Absichtserklärungen 
gefüllt, deren konkrete Bedeutung zu¬ 


meist nur erraten werden kann. Doch 
so verklausuliert die Verlautbarungen 
über die vereinbarten Vorhaben auch 
formuliert sind, ist das Bestreben, die 
Rolle des deutsch-französischen Füh¬ 
rungsduos sowohl innerhalb der EU als 
auch generell in der imperialistischen 
Weltpolitik zu verstärken, wohl ernst 
zu nehmen. 

„Große Harmonie“ und „totale 
deutsch-französische Gemeinsamkeit“ 
ergab sich bei dem Treffen vor allem 
im Bereich der Außenpolitik. Zur wei¬ 
teren Einmischung in der Ukraine 
vereinbarten die beiden Außenminis¬ 
ter Steinmeier und Fabius eine Blitz¬ 
reise zusammen mit dem polnischen 
Außenminister Sikorski in die ukraini¬ 
sche Hauptstadt. Gemeinsame Reisen 
beider Außenminister nach Mali, Mol¬ 
dawien und Georgien sollen folgen. 
Die Koordinierung der Planungsstäbe 
beider Außenministerien soll verstärkt 
werden. 

Im Mittelpunkt der verstärkten außen¬ 
politischen Kooperation beider Staaten 
standen jedoch eindeutig Vereinbarun¬ 
gen für ein „verstärktes gemeinsames 
Engagement“ in Afrika, sowohl per 
Militärintervention als auch mit poli¬ 
tischen und ökonomischen Mitteln. In 
der Berichterstattung ist vom Start ei¬ 
ner „gemeinsamen Afrika-Strategie“ 
Frankreichs und Deutschlands die 
Rede. 

Einig war man sich, dass zumindest 
Teile der deutsch-französischen Bri¬ 
gade spätestens ab Frühjahr in Mali 
eingesetzt werden. Dementsprechend 
beschloss die Mehrheit der Großen 


Koalition im Bundestag einen Tag 
später, dass der Auslandseinsatz deut¬ 
scher Einheiten in Mali um ein Jahr 
verlängert und die Beteiligung deut¬ 
scher Soldaten von 180 auf 250 erhöht 
wird. Parallel dazu wurde eine stär¬ 
kere Beteiligung der Bundeswehr an 
Transport- und Logistik-Aufgaben für 
die Militärintervention in der „Zen¬ 
tralafrikanischen Republik“ verein¬ 
bart. 

Niemand sollte sich aber durch die 
„niedrige Schwelle“ der deutschen mi¬ 
litärischen Beteiligung täuschen lassen. 
Auch wenn von Regierungsseite ver¬ 
breitet wird, dass es nicht um „Kampf¬ 
einsätze“, sondern nur um eine „Aus¬ 
bildungsmission“ in Mali und „Hilfs¬ 
dienste“ für den Einsatz in der ZAR 
gehe und Kanzlerin Merkel nur von 
einem „symbolischen Wert“ des deut¬ 
schen Mali-Einsatzes sprach, dürfte 
es hier darum gehen, den „Einstieg 
in mehr“ vorzubereiten und die Ge¬ 
genstimmung in der deutschen Be¬ 
völkerung abzubauen. Zum Bundes¬ 
wehreinsatz in Mali meinte Frau Mer¬ 
kel jedenfalls bereits: „Die malische 
Armee auszubilden wird eine längere 
Aufgabe sein.“ Auf der Homepage der 
Bundesregierung ist auch zu erfahren, 
dass deutsche Soldatinnen und Solda¬ 
ten in Mali neben der Ausbildung der 
Mali-Armee auch „Sicherungsaufga¬ 
ben zum Schutz der Mission“ - also 
erforderlichenfalls doch wohl auch 
„Kampfeinsätze“ - übernehmen. Au¬ 
ßerdem wurde laut Mitteilung der Re¬ 
gierung online der „Ausbildungsauf¬ 
trag erweitert“, und zwar so, dass die 


deutschen Einheiten auch „Führungs¬ 
stäbe und das malische Verteidigungs¬ 
ministerium beraten“. 

Außerdem werden Deutschland und 
Frankreich laut der gemeinsamen Er¬ 
klärung auch „zur Stabilisierung Liby¬ 
ens und zur Sicherheit der Sahelzone 
beitragen“. Aber auch generell will das 
„Führungsduo“ in der EU die militär¬ 
politische Zusammenarbeit innerhalb 
der EU wie auf bilateraler Ebene und 
die „Koordinierung ihrer wichtigen au¬ 
ßen-, sicherheits- und verteidigungspo¬ 
litischen Entscheidungen“ verstärken 
und „gemeinsame Handlungsoptio¬ 
nen entwickeln“. Dazu gehört u.a. die 
Einrichtung einer „interdisziplinären 
Arbeitsgruppe, die zügig Vorschläge 
erarbeiten soll“, um die „Entwicklung 
einer neuen Generation von Überwa¬ 
chungsdrohnen bis 2020-2025“zu un¬ 
terstützen. Ferner werden sie „anhand 
der Harmonisierung des militärischen 
Bedarfs die erforderlichen interopera¬ 
blen Mittel und Fähigkeiten entwickeln 
und Initiativen zur Verstärkung ihrer 
Industrie- und Technologiepartner¬ 
schaften ergreifen“. 

Und auch die Zusammenarbeit der Ge¬ 
heimdienste ist nicht vergessen worden. 
Laut der gemeinsamen Erklärung ha¬ 
ben Hollande und Merkel „den fran¬ 
zösischen N achrichtendienst-Koordi- 
nator, A. Zabulon, und den deutschen 
Staatssekretär für die Belange der 
Nachrichtendienste, K.-D. Fritsche, auf¬ 
gefordert, Vorschläge für eine verstärk¬ 
te Zusammenarbeit unserer Nachrich¬ 
tendienste zu erarbeiten“. 

Georg Polikeit 















m unsere zeit 


Internationale Politik 


Freitag, 28. Februar 2014 


Putsch nach bekanntem Drehbuch 


ln Venezuela wollen Opposition und Imperialismus die gewählte Regierung stürzen 


A ngeblich „ganz spontan“ ge¬ 
hen Unzufriedene auf die Stra¬ 
ße, um gegen tatsächliche oder 
vermeintliche Fehler der Regierung 
zu protestieren. Plötzlich schlagen die 
Demonstrationen in Gewalt um, Barri¬ 
kaden werden errichtet, das öffentliche 
Leben wird behindert oder ganz zum 
Stillstand gebracht. Die Forderungen 
radikalisieren sich, letztlich geht es nur 
noch um den Rücktritt der Regierung. 
Internationale Medien berichten vol¬ 
ler Sympathie über die „friedlichen 
Demonstranten“ während ausländi¬ 
sche Regierungen „beide Seiten“ zum 
Dialog aufrufen, aber letztlich die Re¬ 
gierung des Landes für die Gewalt ver¬ 
antwortlich machen. 

Dieses Drehbuch erleben wir nun 
auch - einmal mehr - in Venezuela. 
Angefangen hatte es Anfang Februar 
zunächst mit einer Demonstration von 
Angestellten oppositioneller Tages¬ 
zeitungen, die sich darüber beklagten, 
dass für sie zu wenig Papier zur Ver¬ 
fügung stehe. Es folgten Proteste von 
Studentengruppen, die von den Op¬ 
positionsparteien und rechten Medien 
lautstark unterstützt wurden. Die De¬ 
monstration am 12. Februar eskalier¬ 
te jedoch, als vermummte Teilnehmer 
nach Abschluss der Kundgebung ver¬ 
suchten, das Gebäude der Staatsan¬ 
waltschaft im Zentrum der Hauptstadt 
Caracas zu stürmen. Es fielen Schüsse, 
durch die am Ort des Geschehens zwei 
junge Männer getötet wurden. Mehrere 
Stunden später starb bei einem weite¬ 
ren Protest ein dritter Mann. 

Das war der Auftakt für eine seither an¬ 
haltende Serie von Protesten, bei denen 
es inzwischen nur noch um den Rück¬ 
tritt des Präsidenten Nicoläs Maduro 
geht. Dass dieser erst im vergangenen 
April demokratisch gewählt wurde, 
spielt keine Rolle. Dass das Regierungs¬ 
lager bei den Kommunalwahlen im ver¬ 
gangenen Dezember einen eindrucks¬ 
vollen Sieg feiern konnte, interessiert 
ebenfalls nicht. Und dass Umfragen der 
venezolanischen Meinungsforschungs¬ 
institute nach wie vor eine Mehrheit für 
Maduro ergeben, stört nur. 

Die Massenmedien in den USA, Eu¬ 
ropa und Lateinamerika haben sich 
auch in diesem Fall zum Sprachrohr 
der rechten Opposition gemacht. Breit 
bilden ARD, ZDF und Privatsender die 
Proteste in Venezuela ab. Dabei fällt ih¬ 
nen kaum auf, dass sie oft nur brennen¬ 
de Barrikaden zeigen können, die von 
lediglich einer Handvoll Jugendlicher 
verteidigt werden - und denen oftmals 
die Sicherheitskräfte nur zugucken, so¬ 
lange die Aktion nicht aus dem Ruder 


läuft. Die Großdemonstration von Ar¬ 
beitern, Frauen oder älteren Venezola¬ 
nern, die gegen die Gewalt und für die 
Regierung auf die Straße gehen, finden 
nur am Rande statt. 

Tatsächlich ist Venezuela in den meis¬ 
ten Teilen des Landes völlig ruhig. Die 
Randale spielt sich fast ausschließlich 
in den wohlhabenden Mittelschichts¬ 
vierteln im Osten von Caracas ab. Ein 
weiterer Schwerpunkt ist der an Ko¬ 
lumbien grenzende Bundesstaat Tächi- 
ra mit der Hauptstadt San Cristöbal. 
Deren Bürgermeister wurde erkannt, 
als er selbst mit Tüchern vermummt an 
den Krawallen in seiner Stadt teilnahm. 
An anderen Orten kommt es hingegen 


Dei Basis steht hinter Präsident Maduro. 

nur vereinzelt zu Protesten oder „Gua- 
rimbas“ wie die Straßenblockaden mit 
brennenden Autoreifen in Venezuela 
genannt werden. Von Streiks der Ar¬ 
beiter ist nichts zu hören, und auch aus 
den Sicherheitskräften sind keine An¬ 
zeichen für Spannungen bekannt. 
Trotzdem hat die von Präsident Madu¬ 
ro als Putschversuch bezeichnete Kam¬ 
pagne der Rechten bis Montag min¬ 
destens elf Menschenleben gekostet. 
Über das bis dahin letzte Todesopfer 
informierte Maduro am vergangenen 
Sonntag bei einer Demonstration von 
älteren Venezolanern. Der junge Dan¬ 
ny Vargas sei in Tächira von einer Per¬ 
son erstochen worden, die sich über die 
zahlreichen Blockaden aufgeregt habe. 
Oppositionsmedien machen die Re¬ 
gierung pauschal für alle Todesopfer 
verantwortlich. Doch eine Analyse der 
Zeitschrift „Questiön“ wirft ein ande¬ 
res Blick auf die Vorfälle. So war der 
erste Tote, der 40 Jahre alte Juan Mon¬ 
toya, ein bekannter Aktivist der so¬ 
zialen Bewegungen in dem für seine 
kämpferischen Traditionen bekannten 
Stadtviertel 23 de Enero. Er wurde am 
12. Februar auf der Avenida Candela- 


ria im Zentrum von Caracas ermordet. 
Kurz nach ihm starb der 24-jährige 
Bassil Dacosta, der einen Bekannnten 
auf die Oppositionsdemonstration be¬ 
gleitet hatte. Medienberichten zufolge 
wurden beide aus der selben Waffe er¬ 
schossen, verhaftet wurde deswegen of¬ 
fenbar ein Beamter des Geheimdiens¬ 
tes SEBIN, der sich entgegen aller An¬ 
ordnungen am Ort des Geschehens 
aufgehalten hatte. Geheimdienstchef 
Manuel Gregorio Bernal war unmit¬ 
telbar darauf von Präsident Maduro 
seines Amtes enthoben worden. Das 
dritte Todesopfer des Tages war der 
28-jährige Roberto Redman, der eini¬ 
ge Stunden später bei einer Protestakti¬ 


on im Mittelschichtsviertel Chacao von 
einem Motorrad aus erschossen wurde. 
Ein Zusammenhang wird vermutet, die 
Hintergründe der Tat sind jedoch bis¬ 
lang nicht aufgeklärt. 

In Cumanä im ostvenezolanischen 
Bundesstaat Sucre starb der 17-jähri¬ 
ge Jose Ernesto Mendez, nachdem er 
während einer Straßenblockade von ei¬ 
ner anderen Person zusammengeschla¬ 
gen worden war. Ob der Zwischenfall 
in direktem Zusammenhang mit dem 
Protest stand, ist unklar, doch Madu¬ 
ro zählt den Jugendlichen zu den Op¬ 
fern der Gewaltwelle. Ebenso wie das 
22-jährige Fotomodell Genesis Car- 
mona, die in Valencia während einer 
Oppositionsdemonstration erschossen 
wurde. Ursprünglich hatten die Medi¬ 
en sozialistische Gegendemonstranten 
für das Verbrechen verantwortlich ge¬ 
macht, doch ballistische Untersuchun¬ 
gen ergaben, dass die junge Frau von 
hinten - aus den eigenen Reihen der 
Oppositionellen - erschossen wurde. 
Während der Fall Carmonas, die 2013 
zur „Miss Tourismus Carabobo“ ge¬ 
wählt worden war, große Aufmerk¬ 
samkeit erregte, berichtete kaum eine 


Zeitung über den Tod des 36-jährigen 
Stahlarbeiters Ängel Castillo. Er wur¬ 
de aus einem nahe gelegenen Gebäude 
heraus erschossen, als er sich gerade mit 
seinen Kollegen aus einer Demonstrati¬ 
on für die Regierung löste. Ebenso ver¬ 
schwiegen die meisten Medien den Tod 
des 54 Jahre alten Arturo Alexis Mar- 
tinez, einem Bruder des sozialistischen 
Parlamentsabgeordneten Armando 
Martfnez. Er wurde erschossen, als er 
in Barquisimeto gerade versuchte, zu ei¬ 
ner Barrikade aufgehäufte Abfälle zur 
Seite zu räumen, um mit seinem Auto 
die Straße passieren zu können. 
„Zusammengefasst ist klar, dass keiner 
der Todesfälle, die sich in den vergan¬ 
genen Tagen in Venezuela ereignet ha¬ 
ben, auf Aktionen der dämonisierten 
bewaffneten ,Colectivos 4 des Chavis- 
mo zurückgeführt werden kann“, kom¬ 
mentiert „Questiön“ die Ergebnisse 
der Analyse. „Colectivos“ werden die 
unzähligen Basisgruppen genannt, die 
sich vor allem in den ärmeren Vierteln 
der Städte organisiert haben. Viele von 
ihnen leisten freiwillige soziale Arbeit, 
zum Beispiel Gesundheitsaufklärung, 
bieten Sportveranstaltungen oder Mu¬ 
sik an und kümmern sich um die Ver¬ 
schönerung ihrer Stadtteile. Viele die¬ 
ser Gruppen verstehen sich aber auch 
als revolutionär links, manche auch 
durchaus als kommunistisch, und kri¬ 
tisieren die Regierung, wenn sie nicht 
hart genug gegen die Rechte vorgeht. 
Die „Colectivos“ bilden so zusammen 
mit kämpferischen Gewerkschaften, 
der Kommunistischen Partei PCV und 
anderen revolutionären Kräften den 
linken Flügel der bolivarischen Bewe¬ 
gung Venezuelas. Deshalb sind sie von 
der rechten Opposition zum Haupt¬ 
feind erklärt worden. 

Gegen diese Spaltungsversuche der 
Putschisten hat die PCV zu einer Stär¬ 
kung der Einheit der revolutionären 
Kräfte und zu einer ideologischen und 
politischen Debatte aufgerufen, um 
das gemeinsame Handeln zu vertiefen. 
„Wir sind ein freies, souveränes, un¬ 
abhängiges Land und haben auf allen 
Ebenen angeprangert, dass gegen un¬ 
sere Nation ein vom US-Imperialismus 
entwickelter Destabilisierungsplan ab¬ 
läuft“, warnte der kommunistische Par¬ 
lamentsabgeordnete Yul Jabour. Letzt¬ 
lich habe diese Kampagne Washingtons 
gegen Venezuela begonnen, als Hugo 
Chävez vor 15 Jahren sein Amt als Prä¬ 
sident des südamerikanischen Landes 
antrat, erinnerte Jabour unter ande¬ 
rem an die Verwicklung der USA in 
den Putsch vom April 2002. 

Andre Scheer 



Verhandlungen „auf gutem Weg“ 

Das geplante „Freihandelsabkommen“ mit den USA dient allein Profitinteressen 


Die hinter verschlossenen Türen ge¬ 
führten Verhandlungen über eine 
„Transatlantische Handels- und In¬ 
vestitionspartnerschaft“ (Transatlantic 
Trade and Investment Partnership - 
TTIP) zwischen den USA und der EU 
sind „auf gutem Weg“. Das haben die 
Chefunterhändler beider Seiten, der 
US-Handelsbeauftrage Micheal Fro- 
man und der für den Handel zuständige 
EU-Kommissar Karel de Gucht, bei ih¬ 
rem jüngsten Treffen am 17/18. Februar 
in Washington festgestellt, zu dem sie 
zusammengekommen waren, um nach 
den ersten drei Verhandlungsrunden 
„Bilanz zu ziehen“. 

Laut de Gucht seien alle Aspekte wie 
ungehinderter Marktzugang, Aus- 
schreibungs- und Vergaberegeln, Re¬ 
gulierungsvorschriften in Sachen Ver¬ 
braucher-, Umwelt- und Datenschutz 
sowie die weitere Absenkung oder 
Abschaffung von Zöllen in den bishe¬ 
rigen Gesprächen bereits behandelt 
worden. Doch die Details in den ein¬ 
zelnen Bereichen müssten noch gere¬ 
gelt werden. In einigen Bereichen sei¬ 
en die Vorstellungen auch noch weit 
auseinander. Die nächste Verhand¬ 
lungsrunde ist für den 10.-14. März in 
Brüssel geplant. 


Also war die ganze vordergründig de¬ 
monstrierte Aufregung über den Ab¬ 
hörskandal der US-Geheimdienste, 
die Millionen Telefongespräche und E- 
Mail-Verbindungen von EU-Bürgern 
einschließlich des Handys der deutschen 
Kanzlerin und anderer führender EU- 
Politiker abgefangen und ausgeforscht 
haben, ohne jeden Effekt geblieben. 
Selbst die EU-Kommissarin Viviane 
Reding hatte beim Bekanntwerden des 
Skandals verkündet, nun müssten die 
TTIP-Verhandlungen zumindest ausge¬ 
setzt werden, bis der Vorgang „aufge¬ 
klärt“ ist und die USA einem „No-spy- 
Abkommen“, also einem Verzicht auf 
derartige Abhöraktionen zugestimmt 
haben. Offensichtlich war das alles nur 
heiße Luft. Von einem „No-spy-Abkom¬ 
men“ ist seit Wochen keine Rede mehr, 
nachdem US-Präsident Obama mitge¬ 
teilt hatte, dass die CIA wegen der „Be¬ 
kämpfung von Terrorismus“ auf derarti¬ 
ge Ausspähaktionen in aller Welt nicht 
verzichten könne. 

EU-Kommissar de Gucht bemühte sich 
bei seinem Auftritt nach dem Treffen in 
Washington, der in vielen EU-Ländern 
aufgekommenen Kritik an dem beab¬ 
sichtigten „Freihandelsabkommen“ ent¬ 
gegenzuwirken, indem er verkündete, 


„europäische Standards“ würden „nicht 
aufgeweicht“. „Hormonfleisch“ aus den 
USA werde in der EU nicht zugelassen. 
Er kann dies allerdings leicht behaup¬ 
ten, weil die Verhandlungen über die 
konkreten Vertragsregelungen streng 
von der Öffentlichkeit abgeschirmt 
geführt werden. Eine Kontrolle, ob de 
Guchts Versprechen eingehalten oder - 
wie häufig - durch juristische Hinter¬ 
türchen im Vertragstext ausgehebelt 
werden, ist daher nicht möglich. Nicht 
einmal der „TTIP-Beraterausschuss“ 
der bei der EU eingerichtet wurde 
und aus Vertretern von Unternehmer¬ 
verbänden und Verbraucherschutzor¬ 
ganisationen besteht und jeweils über 
den Ablauf der Verhandlungsrunden 
„informiert“ werden soll, hat Zugang 
zu den verhandelten Texten. Viele Ver¬ 
braucherschützer befürchten, dass am 
Ende der EU-Markt für nach niedrige¬ 
ren Standards produzierte Nahrungs¬ 
mittel aus den USA „geöffnet“ wird 
und damit US-amerikanische oder ka¬ 
nadische Landwirtschaftsprodukte wie 
Gen-Mais, hormonbelastetes Fleisch 
oder mit Chlorgas behandelte Hühn¬ 
chen in europäischen Supermärkten 
landen könnten, ohne dass dies für die 
Verbraucher erkennbar sein wird. 


Allerdings erscheint der in mehreren 
EU-Staaten hörbar gewordene Wi¬ 
derstand gegen das TTIP-Abkommen 
noch wenig koordiniert. Das Abkom¬ 
men wird, wenn es zustande kommt, 
zweifellos den US-Multis mehr Absatz- 
und Gewinnmöglichkeiten in Europa 
eröffnen und umgekehrt vielleicht auch 
den in der EU angesiedelten transna¬ 
tionalen Konzernen größere Profit¬ 
aussichten auf dem USA-Markt eröff¬ 
nen. Auf jeden Fall aber hätte es eine 
enorme Verschärfung des Konkurrenz¬ 
kampfs zwischen den Großkonzernen 
beider Seiten zur Folge, was mit ziem¬ 
licher Sicherheit zu einer Bedrohung 
für dabei auf der Strecke bleibende Ar¬ 
beitsplätze führen würde. Deshalb ist 
die Verhinderung dieses Abkommens 
nicht nur eine Frage für Verbraucher-. 
Umwelt- und Datenschützer, sondern 
auch für die Gewerkschaften. Da nicht 
nur die Regierungschefs der EU, son¬ 
dern auch das EU-Parlament dem 
TTIP-Abkommen zustimmen muss, 
sind Möglichkeiten gegeben, es zu Fall 
zu bringen, wenn eine Mehrheit im 
EU-Parlament durch außerparlamen¬ 
tarische Aktionen dazu gebracht wer¬ 
den kann, ihm nicht zuzustimmen. 

Georg Polikeit 


Monopol-für 

Zypern-Lösung 

Neubelebung des 
Annan-Plans 

2011 wurden südlich von Zypern rei¬ 
che Erdgasvorkommen entdeckt. Nob¬ 
le Energy, eine texanische Firma, schätz¬ 
te nach ersten Bohrungen das Volumen 
auf 180 bis 285 Milliarden Kubikme¬ 
ter. Mittlerweile ergaben weitere For¬ 
schungen mindestens das Doppelte im 
Levante-Becken, das von Israel, Liba¬ 
non, Syrien und Zypern begrenzt wird. 
Unternehmen wie Total (Frankreich), 
Petronas (Malaysia), Eni (Italien), Ma¬ 
rathon Oil (US) und Cairn Energy (UK) 
bekundeten umgehend ihr Schürf-Inter- 
esse. Vorsichtig berechnet kann Zypern 
seinen Anteil mit einem Gesamtwert 
von rund 620 Mrd. Euro veranschlagen, 
fast das Dreißigfache der jährlichen 
Wirtschaftsleistung Zyperns. Wundert 
es da, dass die politischen Eliten der 
USA und der EU mit Hochdruck nach 
Wegen suchen, die entdeckten Ressour¬ 
cen ihren eigenen energiepolitischen In¬ 
teressen ein- bzw. unterzuordnen? 
Deutschland etwa will die Abhängig¬ 
keit von russischen Gasimporten redu¬ 
zieren. Einen Südostkorridor für eine 
neue, unabhängige und sichere Gas- 
Importroute nach Europa zu schaffen 
ist seit vielen Jahren erklärtes Ziel der 
deutschen Regierung und erhält durch 
die Gasfunde besondere Aktualität. 
Politisch störend wirkt allerdings die 
ungelöste Zypernfrage. Am 11. Februar 
trafen sich nun am früheren Flughafen 
von Nikosia, der unter dem Schutz der 
UNO steht, der konservative Zypern¬ 
präsident Nikos Anastasiadis und der 
Präsident der völkerrechtlich nicht an¬ 
erkannten Türkischen Republik Nord¬ 
zypern, Dervis Eroglou; keineswegs 
überraschend, wie Anastasiadis beton¬ 
te: Das vorherige Treffen mit der Ver¬ 
treterin des US-Außenministeriums 
Victoria Ruland habe ihm sehr gehol¬ 
fen bei dem Versuch, den Verhand¬ 
lungsprozess neu zu beleben. Nachdem 
die Verhandlungen im Juli 2012 nach 
dem Scheitern des Annan-Planes be¬ 
endet wurden, erklärten Anastasiadis 
und Eroglou jetzt in einem gemeinsa¬ 
men Kommunique ihren Willen, erneut 
die Lösung der Zypernfrage anzuge¬ 
hen. In der Folge gab es bereits meh¬ 
rere Treffen von Unterhändlern, die 
eine Lösungsbasis ausarbeiten sollen. 
Offensichtlich geht es um eine Neuauf¬ 
lage des Annan-Planes, der im Wesent¬ 
lichen eine Teilung Zyperns beinhaltet 
und den Status quo in einer föderalen 
Struktur festschreiben will. Weder die 
türkische Besatzung im Norden noch 
die beiden Militärstützpunkte der ehe¬ 
maligen Kolonialmacht Großbritanni¬ 
en, Akrotiri und Dhekhelia, stehen im 
Verhandlungsprozess zur Disposition. 
Eine bizonale Struktur mit hoher de¬ 
zentraler Autonomie sowie einer Zen¬ 
tralregierung für ganz Zypern und ge¬ 
meinsamer Staatsbürgerschaft sieht auf 
dem Papier progressiv aus, zementiert 
in der politischen Praxis für Zypern 
gleichwohl die Teilung. Souveränität 
eines geeinten Zypern sieht anders aus. 
Andros Kyprianou, Generalsekretär 
der AKEL (Fortschrittspartei des ar¬ 
beitenden Volkes), stellte deshalb auch 
klar: „Nur eine föderative Lösung mit 
staatlicher Souveränität in einer Ver¬ 
einigten Republik Zypern, in der die 
Menschenrechte und die Grundfreihei¬ 
ten aller Zyprioten gewährleistet wer¬ 
den, findet unsere Unterstützung. Das 
schließt das Recht auf Rückkehr der 
Flüchtlinge auf ihren Grund und Bo¬ 
den bzw. ihre Häuser ein. Diese Lösung 
muss den Rückzug der Siedler und die 
vollständige Entmilitarisierung sowohl 
der türkischen wie auch der britischen 
Besatzung realisieren.“ So sieht es die 
UN-Resolution 353 vor, die die Integri¬ 
tät und Unteilbarkeit der Republik Zy¬ 
pern bekräftigt, und auch die Resolution 
541 des UN-Sicherheitsrates, in der die 
Türkische Republik Nordzypern für völ¬ 
kerrechtswidrig erklärt wird. Statt dem 
Völkerrecht Geltung zu verschaffen, er¬ 
höhen die USA und die EU den Druck 
und bedienen ihre imperialistischen In¬ 
teressen: der Kampf um die Erdgas-Res¬ 
sourcen und die Strategie der NATO ge¬ 
gen die arabische Welt mit Hilfe der Mi¬ 
litärstützpunkte auf Zypern. Udo Paulus 







8 Freitag, 28. Februar 2014 


Kommentare / Interview 


unsere zeit m 


Gastkolummne von Volker Bräutigam 

Sehr geehrte Frau Merkel... 


... als die wegen diverser Verbre¬ 
chen rechtmäßig zu einer mehrjähri¬ 
gen Haftstrafe verurteilte ukrainische 
Multimillionärin Julia Timoschenke 
unter dem Jubel des Kiewer Stra¬ 
ßenmobs aus dem Gefängnis ent¬ 
lassen werden musste, haben Sie als 
erste namhafte ausländische Politike¬ 
rin der Dame telefonisch Glück ge¬ 
wünscht. Wir wissen es nicht, müssen 
aber annehmen, dass Sie die Oligar¬ 
chin auch ermunterten, sich nun um 
die Führung der Ukraine zu bemü¬ 
hen. Jedenfalls erklärte Timoschenko 
gleich nach dem Telefonat, sie werde 
im Mai zu den Präsidentschaftswah¬ 
len antreten. 

Selbst unter jenen Rebellen, die den 
bisherigen Präsidenten Janukowitsch 
hassen, sind viele über Timoschenkos 
Avancen entsetzt: „Für diesen Wech¬ 
sel sind die Menschen nicht gestor¬ 
ben“, stand auf Protestplakaten mit 
den Fotos von Janukowitsch und Ti¬ 
moschenko zu lesen. Vermutlich ist 
Ihnen jedoch egal, was jene Ukrai¬ 
ner denken, die in dem Kiewer Cha¬ 
os noch halbwegs bei Verstand ge¬ 
blieben sind. 

Nicht erst Ihr eiliger Glückwunsch 
offenbart: Sie pfeifen auf das Gebot 
der Nichteinmischung in die inne¬ 
ren Angelegenheiten eines fremden 
Staates, eine der Grundlagen des Völ¬ 
kerrechts. Und ukrainisches Verfas¬ 
sungsrecht ist Ihnen schon vollends 
gleichgültig. Präsident Janukowitsch 
ist zwar ein in freier und demokrati¬ 
scher Wahl - unter den wachsamen 
Augen der OS CE - vom Volk beru¬ 
fenes Staatsoberhaupt, das deshalb 
rechtens allenfalls vom Wahlvolk 
wieder abgesetzt werden kann. Nicht 
aber vom Parlament, schon gar nicht, 
wenn diese Abgeordnetenversamm¬ 
lung unter unmittelbarem Einfluss 
des bewaffneten Mobs beraten und 
beschließen muss. 


Eine deutsche Kanzlerin scheren sol¬ 
che rechtstechnischen Feinheiten na¬ 
türlich nicht. 

Frau Kanzlerin, Sie schätzen und stüt¬ 
zen sich auf Milliardärinnen wie Liz 
Mohn und Friede Springer, die das 
für Sie so notwendige dumpfe Volks¬ 
empfinden päppeln. Sie sympathisie¬ 
ren mit der demnächst wieder über 
Milliarden verfügenden Timoschen¬ 
ko und genießen es, inmitten von Rei¬ 
chen und Mächtigen selbst Macht zu 
haben. Macht, die Sie nachdrücklich 
und entgegen dem Mehrheitswillen 
Ihrer Wähler gebrauchen. Darunter 
die aggressive deutsche Großmacht¬ 
politik inklusive Militäreinsätzen im 
Ausland, die europafeindliche Auste- 
ritätspolitik, die Bankenrettung, die 
Zulassung von Genmais. 

Strich drunter: Ihre Politik ist längst 
nicht mehr verfassungskonform. 
Das Grundgesetz macht sich das 
Völkerrecht ausdrücklich zu eigen. 
Sie nicht, das zeigt ein Blick auf Ihre 
Einmischung in der Ukraine. Mit 
wie vielen Millionen hat Ihre Par¬ 
tei den Staatsstreich in Kiew finan¬ 
ziert? Mit welcher Kabale haben 
Sie zu den Exzessen auf dem Mai- 
dan beitragen lassen? Nach meiner 
unmaßgeblichen Ansicht betreiben 
Sie Verfassungsbruch, erfüllt Ihre 
Regierung den Straftatbestand des 
Friedensverrats. Vielleicht klärt sich 
das in nicht allzu ferner Zukunft 
noch formell. 

Das Schicksal ist ein launisches 
Wesen. Die einst regierende Timo¬ 
schenko kam in den Knast, regiert 
vielleicht bald wieder - und landet 
eines schönen Tages wohl auch wie¬ 
der im Bau. In Deutschland gehen 
die Uhren langsamer. Der Michel 
braucht seit jeher ein paar Jahre 
mehr für schlagfertige Antworten. 
Deshalb sind Sie an der Regierung - 
noch. 


Dokumentiert: 

Gesetzinitiative zur sogenannten 
Tarifeinheit verhindern! 

Beschluss des Stadtvorstands der GEW München 


Wir fordern den GEW- Bundesvorstand auf, 
die ganze Kraft unserer Gewerkschaft ein¬ 
zusetzen, um die geplante Gesetzesinitiative 
der Bunderegierung zur sog. Tarifeinheit zu 
verhindern. 

Begründung: 

(...) Das Ziel der Tarifeinheit, also das Prin¬ 
zip „Ein Betrieb - eine Gewerkschaft“, ist 
es, die Kampfkraft der Belegschaften und 
der Gewerkschaften durch Geschlossenheit 
zu stärken. Es waren vor allem die Unterneh¬ 
mer, die diese Einheit durchbrachen, indem 
sie mit kapital-nahen Pseudo-Gewerkschaf¬ 
ten Dumpingverträge abschlossen oder Tei¬ 
le der Belegschaft abspalteten und ihnen in 
Tochterfirmen schlechtere Tarife verpassten, 
wie z.B. den Pförtnern, Reinigungskräften 
u.a. Service-Arbeitern. Da war von Taifeinheit 
nichts zu hören. Die angebliche Sorge um ei¬ 
nen einheitlichen Tarifvertrag ließe sich sehr 
schnell beheben: Was hindert die Unterneh¬ 
mer, bei unterschiedlichen Tarifverträgen den 
jeweils günstigsten einheitlich für alle anzu¬ 
wenden? Die Unternehmer werden im Gegen¬ 
teil die Praxis der Spaltung nicht aufgeben, 
sie werden den Flächentarifvertrag weiter zu 
durchlöchern suchen und so käme ein Ge¬ 
setz zur sog. Tarifeinheit einer Aufforderung 
an sie gleich, gelbe Gewerkschaften ins Le¬ 
ben zu rufen. 

Es geht ihnen nicht um Tarifeinheit, es geht 
ihnen um nichts anderes als ein Streikver¬ 
bot. Die Unternehmer begründen ihren er¬ 
neuten Vorstoß heuchlerisch mit den angeb¬ 
lichen schädlichen Auswirkungen von Streiks 
„in Krankenhäusern oder Pflegeheimen, auf 
Flughäfen oder beim Schienenverkehr, bei Be¬ 
triebsfeuerwehren oder Vorfeldlotsen.“ Eine 
solche Abwägung der Interessen der Streiken¬ 
den und volkswirtschaftlicher Fernwirkungen 
würde bald jeden Streik unmöglich machen, 
das liefe auf Tarifzensur und das Verbot der 
Tarifautonomie hinaus. Diese gilt als Grund¬ 
recht für Mehrheiten wie für Minderheiten, 
ihre Einschränkung widerspräche damit der 


Verfassung (Koalitionsgrundrecht des Art. 9 
Abs. 3 GG). 

(...) 

Aber wir dürfen uns deshalb nicht zurück¬ 
lehnen und auf das Bundesverfassungsge¬ 
richt hoffen. Wir müssen das Streikrecht aus 
eigener Kraft verteidigen. Denn „das Streik¬ 
recht ist das wichtigste Grundrecht von Ar¬ 
beitnehmern,“ so hieß es in der Resolution 
der ver.di-Fachgruppe Verlage, Druck und Pa¬ 
pier 2010. „Ohne das Recht auf Streik kön¬ 
nen Gewerkschaftsmitglieder ihre Interessen 
nicht durchsetzen. Ohne Streikrecht gibt es 
keine Tarifautonomie. Tarifverhandlungen 
würden verkommen zu „kollektivem Bet¬ 
teln“ . Streikrecht und Tarifautonomie müs¬ 
sen gegen alle Angriffe von Arbeitgebern und 
Politik unbedingt und mit allen Mitteln vertei¬ 
digt werden.“ 

Dass Andrea Nahles (SPD) den Vorstoß des 
BDA jetzt wieder aufgreift, liegt u.a. daran, 
dass es auch innerhalb des DGB Zustimmung 
gab und gibt. Dahinter steckt die Intention, 
die Konkurrenz der Spartengewerkschaften 
zu beseitigen. 

(...) 

Die Sorge vor einer angeblich unberechenba¬ 
ren Streikhäufigkeit, vor „unnötigen Streiks“ 
schließlich ist lächerlich in einem Land, das 
die geringste Zahl an Streiktagen in Euro¬ 
pa aufweist und wo das Streikrecht ohnehin 
schon beschnitten und auf das Tarifrecht re¬ 
duziert ist. Im Wissen, dass der Unternehmer¬ 
angriff auf unsere sozialen und demokrati¬ 
schen Rechte dringend der Gegenwehr bedarf, 
verabschiedete der ver.di-Bundeskongress 
2007 einen Antrag für ein „allumfassendes 
Streikrecht nach den Maßgaben der Europä¬ 
ischen Sozialcharta, einschließlich des politi¬ 
schen Streiks und des Generalstreiks“. 

Und noch einmal Detlef Hensche: „Es wird zu 
wenig gestreikt in diesem Lande!“ 

Mit Begründung verabschiedet am 10.2.2014 
auf der Stadtvorstandssitzung der GEW Mün¬ 
chen 


CO-Pipeline kurz vor der Schrottpresse 

Bayer-Millionenprojekt stinkt zum Himmel 


Die Pipeline des Weltkonzerns Bayer, 
die tödliches Kohlenmonoxid (CO) 
über 67 Kilometer von Dormagen 
durch zum Teil dicht besiedelte Wohn¬ 
gebiete nach Krefeld-Uerdingen trans¬ 
portieren soll, ist erneut in die Medien 
gelangt. Im Gegensatz zum CO, das 
unsichtbar, geruch- und geschmacklos 
ist, entstand jetzt der Eindruck, dass 
hier erneut ein Skandal ruchbar gewor¬ 
den ist und nun zum Himmel stinkt. 

UZ: Du warst zehn Jahre lang für die 
DKP im Rathaus von Düsseldorf-Ger¬ 
resheim aktiv. Was hat dieser Stadtbe¬ 
zirk unter kommunalpolitischen Ge¬ 
sichtspunkten mit der Pipeline von Bay¬ 
er zu tun? 

Uwe Koopmann: Die Pipeline führt 
seit 2009 mehr als einen Kilometer 
durch unseren Stadtbezirk, dicht vor¬ 
bei an Wohnhäusern, an einer Tankstel¬ 
le, an einem Kindergarten, einer Kir¬ 
che und einer Kneipe - und der Garage 
der Freiwilligen Feuerwehr. Der Todes¬ 
streifen hat bei einem Bruch der Pipe¬ 
line eine Breite von 1,5 Kilometern. 
Die Zahl der Toten wäre unermesslich. 
Bayer verweist dagegen zum Umgang 
mit dem Giftgas auf eine Erfahrungs¬ 
spanne, die schon vor 1945 ihren An¬ 
fang genommen habe ... 

UZ: Kannst du kurz die tödlichen Ge¬ 
fahren benennen, die vom CO ausge¬ 
hen? 

Uwe Koopmann: Die Mediziner 
und Chemiker in unserer Initiati¬ 
ve haben dargestellt: CO verdrängt 
Sauerstoff vom roten Blutfarbstoff 
(Hämoglobin); es bindet 200-fach 
stärker an den Blutfarbstoff als 
Sauerstoff; es blockiert den Sau¬ 
erstofftransport. Sind 47 Prozent 
des Blutfarbstoffs mit CO besetzt, 
ist Leben nicht mehr möglich. An¬ 
schaulich: ein Schnapsglas gefüllt 
mit CO wirkt tödlich. 

UZ: Warum belastet Bayer die Be¬ 
völkerung mit diesem Risiko? 

Uwe Koopmann: Zwei Gründe. 
Nach eigenen Berechnungen von 
Bayer ist der Bau der CO-Pipe- 
line - man spricht von 100 Millio¬ 
nen Euro - und der Transport von 
Kohlenmonoxid vom Standort 
Dormagen zum Standort Krefeld- 
Uerdingen billiger als die Produk¬ 
tion am Abnehmerstandort. Es 
geht also betriebswirtschaftlich 
um die Frage: Wie erziele ich den 
höchsten Profit? Die Verfolgung 
des Ziels, ich verweise auf Marx, wird 
unter Umständen auch zum Preis des 
eigenen Unterganges verfolgt. In die¬ 
sem Fall ist es der Tod der Anlieger der 
Pipeline-Trasse. 

UZ: Und der zweite Grund ... 

Uwe Koopmann: ... liegt darin, dass 
Bayer diese Pipeline als Referenzob¬ 
jekt für neue Pipeline-Strecken be¬ 
trachtet. Verlängerungen sind bereits 
zu weiteren Chemie-Standorten an¬ 
gedacht. Es geht also um strategische 
Überlegungen. 

UZ: Auch diese Gründe könnten jetzt 
in einer Sackgasse enden? 

Uwe Koopmann: Richtig! Dabei ist 
es politisch kompliziert. Alle Partei¬ 
en im NRW-Landtag, auch die Grü¬ 
nen, hatten 2006 ohne Aussprache im 
Plenum für die Lex Bayer gestimmt, 
also praktisch für die Enteignung der 
Grundeigentümer, damit die Pipeline 
auch gegen den Widerstand der Be¬ 
troffenen gebaut werden kann. Bayer 
hatte damals argumentiert, dass es kei¬ 
ne Alternative zur Pipeline gebe und 
dieses Transportmittel am wirtschaft¬ 
lichsten sei. Zudem diene die Pipeline 
der Allgemeinheit. Die Mehrheit von 
CDU und SPD war zu keinem Zeit¬ 
punkt bereit, das Gesetz zu kassieren. 
Auch in der vergangenen Woche, als 
die CO-Pipeline auf Antrag der CDU 



Uwe Koopmann war lange Jahre 
Bezirksvertreter in Düsseldorf- 
Gerresheim. 


wieder Thema im Landtag war, gab es 
dazu keinen Antrag, auch nicht von 
den Grünen. Die Partei möchte schon, 
unterwirft sich aber dem mit der SPD 
vereinbarten Koalitionsvertrag, der das 
nicht zulässt. Der CDU-Antrag wurde 
von allen Parteien einstimmig zur wei¬ 
teren Beratung in den Fachausschuss 
überwiesen. 

UZ: Die Grünen und die wenigen Kri¬ 
tiker der Pipeline in den Reihen von 
CDU und SPD haben den „Fluchtweg“ 
zur Justiz, zum Oberverwaltungsgericht 
(OVG) in Münster, eingeschlagen. Dort 


könnte noch in diesem Jahr entschieden 
werden, ob Bayer die Pipeline letztend¬ 
lich in Betrieb nehmen darf. 

Uwe Koopmann: So ist es. Aber noch 
einmal zur Politik. Umweltminister Jo¬ 
hannes Remmel (Grüne) ließ ein exter¬ 
nes Gutachten beim Bielefelder Insti¬ 
tut für Umweltanalyse (IFUA) erstel¬ 
len. Das kommt zu folgendem Schluss: 
„Die CO-Versorgung vor Ort in Uer¬ 
dingen stellte schon zum Zeitpunkt 
der Entscheidungsfindung für den 
Bau und Betrieb der CO-Pipeline die 
kostengünstigere und auch wirtschaft¬ 
lichere Investitionsalternative für die 
sichere CO-Versorgung am Standort 
Uerdingen dar.“ Die CO-Produktion 
in Krefeld-Uerdingen sei im Vergleich 
zum Pipeline-Bau sogar um 60 Prozent 
günstiger. Damit war die bisherige be¬ 
triebswirtschaftliche Argumentation 
von Bayer zusammengebrochen. IFUA 
und das Institut für Wasser & Energie 
Bochum (IWEB) stützen sich bei ihren 
Berechnungen auf Zahlen, die Bayer 
veröffentlicht hat. Weitere Erkenntnis¬ 
se: Dormagen produziert gar nicht die 
CO-Überschüsse, um die Werke in Le¬ 
verkusen und Krefeld hinreichend be¬ 
liefern zu können. 

UZ: Die Bayer AG streut Zweifel gegen 
das Gutachten. 

Uwe Koopmann: Anlass war der 
nicht-öffentliche Erörterungstermin 


am 18. Februar vor dem OVG Müns¬ 
ter. Dort könnte noch in diesem Jahr - 
also acht Jahre nach der politischen 
Genehmigung durch das Lex Bayer - 
entschieden werden, ob die Pipeline 
Kohlenmonoxid transportieren darf 
oder ob sie gleichsam in die Schrott¬ 
presse kommt. Dem Gericht ist das 
Gutachten bekannt. Es könnte also bei 
der Entscheidungsfindung eine Rolle 
spielen. Kernvorwurf: Das Gutachten 
basiere „auf einer unvollständigen Tat¬ 
sachengrundlage“. Diese Aussage fällt 
zurück auf Bayer, denn das Unterneh¬ 
men hat Unterlagen mit Hinweis auf 
Betriebsgeheimnisse nicht zur Verfü¬ 
gung gestellt. Andererseits wurde das 
Gutachten, vom Umweltminister be¬ 
stellt, zunächst nur Bayer „zugänglich“ 
gemacht. 

Flankiert wird die Bayer-Replik durch 
die fast zeitgleiche Behandlung des be¬ 
sagten CDU-Antrages am 20. Februar 
im Landtag, in dem geradezu gebets¬ 
mühlenartig die Bayer-Positionen wie¬ 
derholt werden. Es wäre vermutlich ef¬ 
fektiver, wenn die CDU-Fraktion ihre 
Sessel im Landtag dem Bayer-Vor¬ 
stand direkt angeboten hätte. Beson¬ 
ders dreist die Forderung: „Stärkung 
der Verbundstandorte, insbesondere 
durch beschleunigte Genehmigungs¬ 
verfahren von Pipeline-Projekten ... 
und Unterstützung aktueller Pipeline- 
Projekte wie die CO-Pipeline von Dor¬ 
magen nach Uerdingen.“ 

UZ: Es geht der CDU im NRW- 
Landtag aber offensichtlich nicht 
nur um die Rettung der CO-Pipe¬ 
line? 

Uwe Koopmann: Es geht insgesamt 
um viel mehr. Die Politik soll ganz 
im Sinne des Klassenkampfes von 
oben nach unten das Koordinaten¬ 
system der Klassenverhältnisse ver¬ 
schieben. Verschleiernd heißt es in 
dem Antrag der Vorkämpfer Armin 
Laschet, Lutz Lienenkämper und 
Henrik Wüst: „Die Landesregierung 
wird aufgefordert, die Rahmenbe¬ 
dingungen für die chemische und 
pharmazeutische Industrie in NRW 
zu verbessern.“ Und dann wird mit 
dem Vorschlaghammer gearbeitet: 
Abschaffung des Klimaschutzgeset¬ 
zes, Verzicht auf den Klimaschutz¬ 
plan, mehr Wissenstransfer zwi¬ 
schen Hochschulen und Wirtschaft, 
Rücknahme des Gesetzes über das 
Verbandsklagerecht und die Mit¬ 
wirkungsrechte der Tierschutzverei¬ 
ne, mehr Geld für den Straßenbau. 
Leichter wäre es nur noch, wenn 
Bayer beauftragt würde, die passen¬ 
den Gesetze und Verordnungen in 
den eigenen Büros schreiben zu lassen. 

UZ: Wie ist heute die Reaktion auf die¬ 
ses Zusammenspiel von Ministerien, 
Landtagsparteien und Bayer? 

Uwe Koopmann: Aus den Reihen der 
Pipeline-Gegner wurde die Kritik auf 
den Punkt gebracht: Es sei unglaublich, 
wie ein Großteil der Düsseldorfer Ma¬ 
rionetten bzw. ihre Fäden führenden 
Spieler sich offenbar verschämt und 
amtsmüde in Bezug auf die CO-Pipe- 
line in ihre Puppenkiste (Landtag) ver¬ 
krochen haben. Das „Allgemeinwohl“ 
werde von Bayer strapaziert. Eine Ar¬ 
beitsplatzgarantie gebe es nicht. Viel¬ 
mehr drohe Konzernchef Dekkers mit 
der Produktionsverlagerung in Billig¬ 
lohnländer oder die Kunststoffsparte 
ganz zu verkaufen. Das Zusammenspiel 
der Beteiligten bekommt einen passen¬ 
den Fachbegriff: Schmierentheater. 

UZ: Bleibt nur noch die Frage nach den 
Aktivitäten der DKP. 

Uwe Koopmann: In Düsseldorf haben 
wir die CO-Pipeline und die Bayer- 
Aktivitäten fest im Blick. Im Rahmen 
der Kommunalpolitik und der Kom¬ 
munalwahlen spielt das Thema aber 
auch an den anderen Berührungs¬ 
punkten entlang der Trasse eine Rol¬ 
le: Dormagen, Köln, Solingen bis hin 
nach Krefeld. 

Die Fragen stellte Adi Reiher. 



Bayer MaterialScience ist beim Bau der CO- 
Pipeline diskret: Auf den gelben Metallrohren 
mit der freien Fläche am Kopfende wurde noch 
nicht die erforderliche Warntafel angebracht, die 
darauf hinweist, dass an dieser Stelle unterir¬ 
disch die hochgiftige Pipeline verläuft. 











Sozialistische 
Wochenzeitung - 
Zeitung der DKP 

www.unsere-zeit.de 





Bundeswehr in aller Welt 

Vor allem aber in Afrika ... 


S chon vor 1990 wurden Einheiten der Bundeswehr im 
Ausland eingesetzt: bei „humanitären“ Hilfsaktionen 
bzw. der Katastrophenhilfe. 

Noch 1982 lehnte Bundeskanzler Helmut Schmidt aber eine 
Anfrage der USA ab, die um eine Entsendung von Minen¬ 
räumbooten der Bundesmarine in den während des ersten 
Golfkrieges von Iran und Irak verminten Persischen Golf 
bat. Die offizielle, aber nicht exakte Begründung lautete da¬ 
mals, das Grundgesetz beschränke den Aktionsradius der 
Bundeswehr auf die sogenannte „erweiterte Landesvertei¬ 
digung“ im Rahmen der NATO. 

1990 begann in der Bundesrepublik eine Debatte über den 
Einsatz der Bundeswehr außerhalb des NATO-Vertragsge- 
biets. Während sich die damaligen Regierungsparteien CDU 
und FDP für solche Einsätze (noch im Rahmen einer UN- 
Mandatierung) aussprachen, waren SPD und Grüne zunächst 
dagegen. 

Erste Bundeswehreinsätze außerhalb der EU und des Ge¬ 
bietes der NATO-Staaten, die keine Hilfsaktionen wa¬ 
ren, gab es bereits zwischen dem 16. August 1990 und dem 
13. September 1991 während und nach dem Zweiten Golf¬ 
krieg vom 30. Januar 1991 bis 17. März 1991 im Rahmen der 
US-Operation Desert Storm (MinenabWehrkräfte der Ma¬ 
rine). 1993 erfolgte die Entsendung eines Feldlazaretts nach 
Phnom Penh im Rahmen der UN Advance Mission in Cam- 
bodia (UNAMIC). 

Danach wurden Bundeswehreinsätze in aller Welt zur „Nor¬ 
malität“. Im Rahmen von UNO-Missionen, aber auch der 
NATO. Aber erst 1999 beteiligte man sich - und dies unter 
einer Regierung der SPD und Bündnisgrünen im Rahmen 
der NATO-Aggression gegen Jugoslawien erstmals seit 1945 
wieder offen an Kriegshandlungen. Seitdem sind bewaffnete 
Truppen „vor Ort“: Im Kosovo beispielsweise im Rahmen 
der KFOR. 


Am Irakkrieg beteiligte sich Deutschland nicht mit Truppen, 
aber von hier aus starteten nicht nur US-Versorgungsflüge ... 
Seitdem hat sich viel verändert. Deutsche Truppen stehen 
in Afghanistan, deutsche Patriot-Raketen immer noch in 
der Türkei an der Grenze zu Syrien. Schiffe sind im Rah¬ 
men der UNIFIL-Mission und beim Antiterroreinsatz Ac¬ 
tive Endeavor im Mittelmeer im Einsatz sowie am Horn 
von Afrika (ATALANTA). In Afghanistan will man nach 
dem Teilabzug 2014 weiter dabei sein - mit einer „Ausbil¬ 
dungsmission“ ... 

Die Bundeswehr selbst wirbt auf ihren Seiten www.bundes- 
wehr.einsatz.de oder auch www.marine.de für die Einsätze 
der Bundeswehr in aller Welt. 

Diese konzentrieren sich derzeit vor allem auf Afrika. Oft 
ihm Rahmen einer UNO- oder „EU“-Mission unter dem La¬ 
bel „humanitäre Hilfe“, häufig unter dem des „Partnership“, 
also der Ausbildung von Polizei und Militär oder des „ Anti- 
Terror-Kampfes“. Die Bundeswehr ist - wenn auch noch mit 
kleineren Gruppen - vor Ort in der Westsahara, in Mali, im 
Sudan und Südsudan, in der Demokratischen Republik Kon¬ 
go, in Uganda. Und auch die Bundespolizei ist unterwegs ... 
Doch man will künftig nicht mehr nur „Geleitzug“ sein oder 
Unterstützung für andere geben, sondern verstärkt eigene 
Interessen verfolgen (siehe UZ vom 21. Februar, Seite 1). 
Schließlich geht es unter anderem um politischen und wirt¬ 
schaftlichen Einfluß, vor allem aber um die Sicherung des 
Zugriffs auf seltene bzw. knapper werdende wichtige Roh¬ 
stoffe. 

Und deshalb könnte beispielsweise ein Einsatz der Bundes¬ 
wehr in der Zentralafrikanischen Republik folgen, in der es 
große Uran Vorkommen gibt, die bislang nicht abgebaut wer¬ 
den (vgl. Dirk Seifert, Deutsche Militäreinsätze in Afrika als 
„Sicherheit“ für Europa, umweltfairaendern.de, 28.1.2014) 

nh 



Einsätze der Bundes¬ 
wehr zu Wasser, zu 
Lande und in der Luft 
- in Mali, im Kosovo, in 
Afghanistan, vor den 
Küsten Somalias und 
des Libanon 


Fotos: 

Bundeswehr/Falk Bärwald 
Bundeswehr/Sebastian Wilke 
Bundeswehr/Wayman 
Bundeswehr/Hbtsm Sascha Jonack 
Bundeswehr/KdoStratAufkl 
Bundeswehr/Bienert 



























10 Freitag, 28. Februar 2014 


Theorie und Geschichte 


unsere zeit m 


1914 und die Mauer 

Ludwig Elm über runde Jahrestage, die deutsche Rechte und ihr gesamteuropäisches Geschichts-Gaucklertum* 


D ie Bundesstiftung zur „Aufar¬ 
beitung der SED-Diktatur“ of¬ 
feriert seit September 2013 bun¬ 
desweit, preisgünstig und massenhaft 
die Ausstellung „Diktatur und Demo¬ 
kratie im Zeitalter der Extreme. Streif¬ 
lichter auf die Geschichte Europas im 
20. Jahrhundert“ Sie wurde vom Insti¬ 
tut für Zeitgeschichte München aus¬ 
gearbeitet. Es gehe darum, angesichts 
gleichzeitiger runder Jahrestage (1914, 
1939,1989 und 2004 - Osterweiterung 
EU) „die Geschichte der kommunis¬ 
tischen Diktaturen in SBZ/DDR und 
Mittel- und Osteuropa sowie der deut¬ 
schen und europäischen Teilung in der 
Geschichte Europas des 20. Jahrhun¬ 
derts“ zu verorten. 1 Von 26 Plakaten 
der Ausstellung zeigt das Startplakat 
mit Werbefunktion die Berliner Mau¬ 
er und drängt dem Betrachter plump 
die ideologische Leitidee auf. Ein ein¬ 
ziges Poster ist dem Ersten Weltkrieg 
gewidmet. Im Januar 2014 eröffnete 
Bundestagspräsident Norbert Lam- 
mert die Ausstellung im Paul-Löbe- 
Haus des Parlaments und erteilte ihr 
damit eine höhere Weihe. Sie soll auch 
im Ausland gezeigt werden: Das wirt¬ 
schaftlich stärkste Land Europas bean¬ 
sprucht längst maßgeblichen Einfluss 
auf eine militant antikommunistische 
Massenbeinflussung der Öffentlichkeit 
des Kontinents ... 

Die Mauer als Leitmotiv 

Die Mauer soll als tragisches, angeblich 
nur vom Kommunismus verursachtes 
und herausragendes Symbol der Irrwe¬ 
ge des 20. Jahrhunderts stilisiert wer¬ 
den. Sie soll im Geschichtsbild nach¬ 
wachsender Generationen den Ersten 
Weltkrieg, den damaligen Nachkriegs¬ 
terror, Weltwirtschaftskrise und die 
Mitverantwortlichen für den 30. Janu¬ 
ar 1933, den 1. September 1939 und den 
europaweiten Vernichtungskrieg, aber 
auch die Erinnerung an die Revoluti¬ 
on vom 9. November 1918 sowie vor 
allem an den Befreiungstag, den 8. Mai 
1945 zurückdrängen. Unerwähnt bleibt 
wiederum, dass die staatliche Spaltung 
1948/49, die langjährige Nichtanerken¬ 
nung und grundsätzliche Anfeindung 
des anderen deutschen Staates sowie 
der Beitritt eines deutschen Teilstaa¬ 
tes im Jahre 1955 zur NATO jeweils 
von westlicher Seite ausging und lange 
vor 1961 die Teilung Deutschlands ze¬ 
mentiert hatte. Wer daran erinnert wird 
überhört oder diffamiert - ihm schlägt 
inszenierte Empörung entgegen. Wer 
der DDR feindselig gegenüber stand 
oder aus anderen Gründen mit ihr Pro¬ 
bleme hatte, erhält einen ungleich hö¬ 
heren Rang und breiteren Raum in der 
Erinnerung als die Vielzahl jener Frau¬ 
en und Männer der Arbeiterbewegung, 
als die Mehrzahl der Gegner von Mili¬ 
tarismus und Faschismus, die im Ersten 
Weltkrieg, in der Weimarer Republik 
sowie in den Jahren der faschistischen 
Diktatur und des Zweiten Weltkrieges 
verfolgt, entrechtet, in Emigration oder 
KZ getrieben und ermordet wurden. 
Diesem Geschichtskonzept entspricht, 
dass mit Beginn dieses Jahres politisch 
und medial die Kampagne zur Vorbe¬ 
reitung des 25. Jahrestages des Mauer¬ 
falls eröffnet wurde. Das geschieht in 
der Tradition jener restaurativ-anti- 
kommunistischen Kräfte, die im Som¬ 
mer 1953 unter Mithilfe der SPD eilig 
einen Feiertag am 17. Juni ausriefen, 
aber über ein halbes Jahrhundert ei¬ 
nen Gedenktag für die Opfer des Fa¬ 
schismus verhinderten. Ihre Nachfol¬ 
ger sind jene, die bis heute dem 8. Mai 
1945 ignorant bis feindselig begegnen 
und bei seiner gelegentlich unvermeid¬ 
baren Erwähnung keinesfalls den Fa¬ 
schismus (oder auch nur „Nationalso¬ 
zialismus“) erwähnt sehen möchten. 
Es sind die geistigen Erben und poli¬ 
tischen Nachkommen der Kreise, die 
weit über vierzig Jahre keinerlei Anlass 
für eine Gedenkstättenkonzeption der 
Bundesrepublik gesehen hatten ... 
Unionsparteien und FDP hatten nach 
dem Ende der faschistischen Diktatu¬ 
ren in Portugal und Spanien, von au¬ 
toritären Militärregimes in der Türkei, 
Griechenland und anderswo keinen 


Anlass gesehen, sich für die Aufar¬ 
beitung massenhafter und teilweise 
jahrzehntelanger Verbrechen zu en¬ 
gagieren. Von Ausnahmen abgesehen, 
spielen die - beispielsweise unter der 
Franco-Diktatur oder in Indonesien 
1965 - verübten Morde und Massaker 
bis heute in der offiziellen Erinnerungs¬ 
kultur der Bundesrepublik keine nen¬ 
nenswerte Rolle. Schließlich sind es die 
der deutschen Rechten ideell und poli¬ 
tisch verbundenen Schichten und Par¬ 
teien in jenen Ländern, die 
meist bis heute Klärungspro¬ 
zesse bezüglich ihrer krimi¬ 
nellen Vergangenheiten ver- 
oder behindern. Andererseits 
überschlagen sich die rechten 
Kräfte in der Bundesrepub¬ 
lik seit den 1990er Jahren im 
Bemühen, das fortschritts¬ 
feindliche Erbe und Poten¬ 
tial baltischer sowie ost- und 
südosteuropäischer Länder - 
militär- und profaschistische 
Traditionen eingeschlossen - 
zu mobilisieren. 

In diesem Sinne gibt es 
längst Anstrengungen, das 
primär antikommunistische 
Konzept gesamteuropä¬ 
isch durchzusetzen. Es wird 
sichtbar in dem Versuch, den 
28. August 1939, den Tag der 
Unterzeichnung des deutsch- 
sowjetischen Nichtangriffs¬ 
paktes mit geheimem Zu¬ 
satzabkommen, als europäi¬ 
schen Gedenktag zu stiften. 
Zunehmend und meist ohne 
auffälligen Widerspruch wird 
die Sowjetunion neben Nazi¬ 
deutschland als annähernd 
gleichermaßen mitverant¬ 
wortlich für den Ausbruch 
des Zweiten Weltkrieges ge¬ 
nannt. Aktuell äußert sich die 
Grundtendenz im Beschluss 
des Europäischen Parlaments 
„Europa für Bürgerinnen 
und Bürger“ vom 19. No¬ 
vember 2013, Initiativen zu 
fördern, die „die Ursachen 
der totalitären Regime in 
der modernen europäischen 
Geschichte (insbesonde¬ 
re, aber nicht ausschließlich 
des Nationalsozialismus, der 
zum Holocaust führte, des Fa¬ 
schismus, Stalinismus und der totalitä¬ 
ren kommunistischen Regime) und das 
Gedenken an die Opfer ihrer Verbre¬ 
chen“ reflektieren ... 

Die deutsche Rechte als 
Haupttäter benennen 

Um dominante ideologische Prozesse 
in Gesellschaft und politischem System 
der Bundesrepublik, ihre Triebkräfte, 
Inhalte und Feindbilder zutreffend 
verorten zu können, wird hier für den 
Schlüsselbegriff „deutsche Rechte“ 
plädiert. Das Verständnis entspricht im 
Wesentlichen dem von Peter Glotz in 
seiner gleichnamigen Schrift von 1989: 
„Die Hauptfigur dieser Schrift heißt 
Helmut Kohl. Er ist, seinen vielen Ver¬ 
ächtern zum Trotz, seit 1973 die Zen- 
tralfigur in der rechten Hälfte des po¬ 
litischen Spektrums“. 2 Die „größte Par¬ 
tei der Rechten in der Bundesrepublik, 
die CDU“ sei bisher von Konrad Ade¬ 
nauer und Helmut Kohl geprägt wor¬ 
den. Glotz betonte den analytischen 
Wert seines Verständnisses von der 
Rechten, denn seine Schrift sei „gera¬ 
de ein Plädoyer fürs genaue Hinschau¬ 
en, also die Unterscheidung zwischen 
rechtsliberalen, liberal-konservativen, 
national-konservativen, rechtspopu- 
listischen, rechtsradikalen, rechtsext¬ 
remistischen und rechtsterroristischen 
Gruppen und Splittern“. 3 Das ist heu¬ 
te hilfreich für eine Klarstellung, die 
der Strömung statt des vernebelnden 
Vokabulars von „christlich“, „neo-“ 
oder „marktliberal“, „wertkonserva¬ 
tiv“, „europäisch“, „sozial“ usw. ihren 
tatsächlichen Platz zuweist. 2014 ist 
in der Nachfolge von Adenauer, Er¬ 
hard, Kiesinger, Strauß und Kohl die 
CDU-Vor sitzende und Kanzlerin An¬ 
gela Merkel die „Hauptfigur“ der deut¬ 


schen Rechten. Bezüglich der Bezeich¬ 
nung der US-amerikanischen, franzö¬ 
sischen oder britischen Rechten sind 
die semantischen Hemmungen gerin¬ 
ger. Allerdings ruft auch in keinem die¬ 
ser Länder der Begriff vergleichbare 
Assoziationen zur Erbschaft schwers¬ 
ter und massenhafter Verbrechen ge¬ 
gen die Menschlichkeit hervor. Die 
Tatorte reichen von China 1900 und 
Südwestafrika 1904-1907, über Belgi¬ 
en, Frankreich, Russland und ande¬ 


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re Länder 1914 bis 1918 bis zu denen 
des Faschismus und im Zweiten Welt¬ 
krieg. Die bevorstehende Wiederkehr 
der 100. und 75. Jahrestage jener Ereig¬ 
nisse alarmiert konservative, militant 
antikommunistische Kräfte und veran¬ 
lasst sie, mit geschichtspolitischen Initi¬ 
ativen die Hegemonie in der Deutung 
des vergangenen Jahrhunderts zu be¬ 
halten. Sie wollen ihren heutigen und 
absehbaren gesellschaftspolitischen 
Ambitionen auch daraus Plausibilität 
und Massenwirksamkeit verleihen ... 

Geistige Krise und 
fehlende Perspektiven 

... Eine Kompensation für nunmehr 
unumgängliche Offenlegungen zu Ge¬ 
sellschaft und Geschichte der Bun¬ 
desrepublik wird offensichtlich in der 
weiter verschärften Denunziation und 
Delegitimierung der DDR gesucht und 
gefunden. Jüngste Beispiele unablässi¬ 
ger Kampagnen: Die Arbeit in Haft¬ 
anstalten der DDR wird als „Zwangs¬ 
arbeit“ bezeichnet, um Analogien zur 
tatsächlichen Zwangsarbeit in der NS- 
Diktatur zu suggerieren. Die Forderung 
nach Verbot von DDR-Symbolen wird 
in Teilen von Medien und Politik nicht 
als rechte Scharfmacherei, sondern als 
diskussionswürdige Wortmeldung auf¬ 
genommen. Die unablässige, aggres¬ 
sive sowie von den Ursprüngen und 
Grundlagen her fälschende Beschrei¬ 
bung und Herabsetzung des vergan¬ 
genen zweiten deutschen Staates wur¬ 
den ein Hauptfeld indirekt verklärter 
Selbstdarstellung bundesdeutscher Ge¬ 
sellschaft und Geschichte. Überhaupt 
gehört das Bestreben, von eigenen kri¬ 
tikwürdigen Herkünften vor und nach 
1945 abzulenken und sich historisch zu 
entlasten, nicht zu den letzten Antrie¬ 


ben des eifernden zeitgenössischen Ge¬ 
schichtsrevisionismus und schier endlos 
fortgeschriebenen Gaucklertums. 

Die bürgerlich-aristokratischen Ober¬ 
schichten speisten ihre Herrschafts¬ 
ideologie im Kaiserreich wesentlich aus 
den militärischen Erfolgen von 1813, 
1864, 1866 und besonders 1870/71 ge¬ 
gen Frankreich; aus kolonialen Erobe¬ 
rungen, Hochrüstung sowie Anfangs¬ 
und Teilerfolgen im Ersten Weltkrieg. 
Ab 1919 füllten Bismarck- und Hinden- 
burgkult, Dolchstoßlegende, 
Monarchismus, Gegnerschaft 
zu Versailles und Antibol¬ 
schewismus die Geschichts¬ 
bücher, die Rechtspresse so¬ 
wie die akademischen Fest¬ 
akte und die Trivialliteratur. 
Nicht erst, aber vor allem seit 
1990 dienen Mauerfall und 
Ende der DDR, das Schei¬ 
tern des osteuropäischen 
Staatssozialismus und die 
globale Dominanz des Kapi¬ 
talismus dazu, der fortbeste¬ 
henden bürgerlichen Gesell¬ 
schaft und ihrem politischem 
System den ansonsten unzu¬ 
länglichen Glanz geschichtli¬ 
cher Überlegenheit und his¬ 
torischer Siege zu verleihen. 
Offensichtlich erscheinen 
unter Bedingungen chroni¬ 
scher Krisenprozesse, extre¬ 
mer Ungleichheit sowie feh¬ 
lender Zukunftsgewissheit 
Dax-Werte, Export-Quoten 
und immerwährende Krimi-, 
Sex- und Dschungelberiese¬ 
lung als wesentlich, aber ide¬ 
ell und ethisch unzureichend. 
Ein großzügig finanziertes 
und regierungsamtlich pro¬ 
tegiertes Netz staatlicher In¬ 
stitutionen und Instrumen¬ 
tarien steht längst dafür zur 
Verfügung. Es offenbart die 
Realitäten des bundesdeut¬ 
schen Verständnisses von 
Zivilgesellschaft und Plura¬ 
lismus, Wissenschafts- und 
Meinungsfreiheit, Rechts¬ 
staatlichkeit sowie Achtung 
der Menschenwürde aller. 
Systematisch wird ausge¬ 
grenzt und geächtet oder pri¬ 
vilegiert, es grassieren Tabus 
und enge Sprachregelungen 
in Politik, Medien und Bildung. Zu 
den traditionellen Zentralen und Stif¬ 
tungen zur politischen Bildung kamen 
seit den neunziger Jahren die Stasi-Un¬ 
terlagenbehörde mit Filialen in Bun¬ 
desländern sowie Funktionen bei der 
Aktenöffnung sowie zur ideologischen 
Steuerung und Mobilisierung, die Stif¬ 
tung zur Aufarbeitung der SED-Dikta¬ 
tur, neu geschaffene zeitgeschichtliche 
Forschungs- und Propagandainstitute 
in Leipzig, Dresden, Weimar und Pots¬ 
dam und der Forschungsverbund SED- 
Staat in Berlin. An Universitäten und 
Hochschulen wetteiferten Professoren 
mit dem Nachweis des eigenen beflis¬ 
senen Konformismus um einschlägige 
Fördermittel. Die zentralen Verfas¬ 
sungsorgane der Bundesrepublik, die 
langjährig keinerlei Zuständigkeit für 
Gedenkstätten und Museen erkennen 
konnten, überbieten sich inzwischen 
auf diesen Gebieten, nachdem sie die 
darin liegenden Möglichkeiten dauer¬ 
hafter antikommunistischer Ideologi- 
sierung des öffentlichen Lebens begrif¬ 
fen hatten. Der herrschende geschichts¬ 
ideologische Staatsdirigismus widerlegt 
alle Phrasen von der vermeintlichen Li¬ 
beralität, Pluralität und aufklärerischen 
Leitmotiven. 

Die Geschichtsideologie und -politik 
der deutschen Rechten wird dominiert 
vom antikommunistischen, konserva¬ 
tiven, teils latent deutschnationalem 
Ideengut der CDU, CSU, FDP, AfD 
und anderer. Sie wird massenmedial 
flankiert und multipliziert von „Bild“, 
„Welt“, „FAZ“ teils „Zeit“ und anderen 
Medien einschließlich Funk, TV, Film, 
Online-Diensten etc. sowie fortgesetzt 
und vervielfacht in Schulbüchern und 
Angeboten der Stiftungen für politi¬ 
sche Bildung. Die konservative Rech¬ 


te erhält Beihilfe und wird im Nachtrab 
und an den Flügeln unterstützt von der 
Mehrheit der Führung und von Funk¬ 
tionsträgern der SPD, der wiederum 
ein beträchtlicher Teil zumindest des 
Führungspersonals der Gewerkschaf¬ 
ten mehr oder weniger folgt. Ähnliches 
gilt im zunehmenden Maße von Grup¬ 
pierungen der Grünen ... 

Die aus der Bundestagswahl 2013 her¬ 
vorgegangene Große Koalition verein¬ 
barte, die Abrechnung mit der DDR 
fortzusetzen sowie einen Gedenktag 
zur Erinnerung an Flucht und Ver¬ 
treibung einzuführen. Mit Letzterem 
erfüllt sie Forderungen jener konser¬ 
vativen Kräfte, die sich jahrzehntelang 
mit revanchistischen Parolen und Um¬ 
trieben Entspannung und Friedenssi¬ 
cherung in Europa widersetzten. Un¬ 
ter den Fittichen der Unionsparteien 
und in Personalunion mit ihnen, jahr¬ 
zehntelang als rechtes Wählerpotenti¬ 
al politisch und finanziell gehätschelt, 
haben die Vertriebenenverbände dreist 
ihre nazistischen Erbschaften weit über 
ein halbes Jahrhundert mitschleppen 
können. 

Die antikommunistische Grundorien¬ 
tierung der herrschenden Geschichts¬ 
ideologie ist Symptom und Teil der 
geistigen Krise, die ihrerseits in den 
scharfen sozialen Widersprüchen der 
heutigen kapitalistischen Weltgesell¬ 
schaft wurzelt und diese - teils ent¬ 
hüllend, teils verzerrt und verschlei¬ 
ernd - widerspiegelt. Das Fehlen von 
gesamtgesellschaftlichen Leitideen 
und Perspektiven begleitet fortdau¬ 
ernde Massenarbeitslosigkeit sowie 
die weiter wachsende Kluft zwischen 
irrational anmutender Anhäufung von 
Superreichtum und zunehmender, sich 
verfestigender Armut. Die verheeren¬ 
den Ziffern fehlender Ausbildungs¬ 
und Arbeitsplätze für die junge Gene¬ 
ration in Ländern des Euro-Raumes 
und darüber hinaus, sind alarmierende 
Symptome der Gesellschaftskrise. Be¬ 
unruhigend sind der Unwille und die 
Unfähigkeit zum dauerhaft friedlichen 
Zusammenleben aller Völker und Staa¬ 
ten. Sie belegen auch ein Jahrhundert 
nach 1914 die konstitutiv expansiven 
und imperialen Tendenzen des Kapi¬ 
talismus. Die herrschende Geschichts¬ 
ideologie ist ein hauptsächliches Feld, 
nach innen wie nach außen fortschritts- 
und friedensfeindliche Traditionen und 
Geisteshaltungen zu inspirieren sowie 
damit weiterhin die Herrschafts- und 
Gestaltungsansprüche von Großkapi¬ 
tal, verbürgerlichter Aristokratie und 
modernem Militarismus sichern zu hel¬ 
fen. 

1 Mail der Stiftung „Aufarbeitung der SED- 
Diktatur“ vom 5. September 2013 

2 Peter Glotz: Die deutsche Rechte. Eine 
Streitschrift, Stuttgart 1989, S. 13 

3 Ebenda, S. 14 

(* Stark gekürzter Vorabdruck aus Marxis¬ 
tische Blätter 2_2 014. Auslieferung Mitte 
März.) 


Unsere Antwort an alle 
Geschichts-Gauckler: 



Harald Neubert 

Europäische Nachkriegsordnung 
West-Ost-Konflikt und 
deutsche Zweistaatlichkeit 
Essen, 2013,340 Seiten, 19,80 Euro 
ISBN 9-783-910080-77-5 

Erhältlich beim Neue Impulse Ver¬ 
lag, Hoffnungstr.i8, 45127 Essen, 
Tel.: 0201-23 67 57 


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Diktatur und Demokratie 
im Zeitalter der Extreme. 

Streiflichter auf die Geschichte 
Europas im 20. Jahrhundert 


Eine Ausstellung, 
präsentiert 
vom Institut für Zeit 
geschichte Deutsch- 
landradio Kultur und 
der Bundesstiftung 
wir Aufarbeitung der 
SED-Diktatur 





Institut für 
Zeitgeschichte 


Deutschlandradio Kultur 


I BUNDESSTIFTUNG 
AUFARBEITUNG 


Vunchen-Bcrl 






m unsere zeit 


Kultur 


Freitag, 28. Februar 2014 11 


Der Filmemacher vom Ölberg 

Manfred Vosz ist gestorben 


Einer der „verbrannten Dichter“ 

Leonhard Frank und Würzburg 


„Nahezu alle namhaften Autoren, die 
seinerzeit emigrierten, im Ausland star¬ 
ben, Selbstmord begingen oder trotz 
ihrer abenteuerlichen Schicksale wei¬ 
terlebten, sind hierzulande so gut wie 
unbekannt. Wer kennt, beispielsweise, 
die alten oder gar die neuen Werke 
von Lion Feuchtwanger, Bru¬ 
no Frank, Leonhard Frank, 

A.M. Frey, Hermann Kesten, 

Annette Kolb, Heinrich Mann, 

Alfred Neumann oder Alfred 
Polgar?“ 

Das schrieb Erich Kästner 
(„Die literarische Provinz“) im 
Jahre 1950. Seine Klage hatte 
aber Wirkung, einige der ge¬ 
nannten Autoren sind wieder 
akzeptiert, gedruckt und wer¬ 
den gelesen. Leonhard Frank 
(1882-1961) im ärmsten Würz¬ 
burger Milieu aufgewachsen, 
hatte es besonders schwer in 
seiner Heimatstadt. Durch 
sein Buch „Die Räuberbande“ 
von 1914 schlagartig berühmt, 
emigrierte er 1933, gelangte in 
die USA. 1950 in die Bundes¬ 
republik zurückgekehrt, muss¬ 
te er feststellen, dass er litera¬ 
risch kaum noch wahrnehm¬ 
bar war. Die DDR war es, die 
seine gesammelten Werke her¬ 
ausgab und ihn mit dem Nati¬ 
onalpreis ehrte. 

In Würzburg nahm man sei¬ 
nen 1949 erschienenen Roman 
„Die Jünger Jesu“ übel. So 
nennt er eine Bande von Jun¬ 
gen, die unmittelbar nach dem Krieg in 
der Manier von Robin Hood Umvertei¬ 
lungen vornimmt. Opfer sind Schwarz¬ 
händler, häufig solche mit Naziverbin- 
dungen, wie überhaupt die Kontinuität 
des Nazipersonals und der Neofaschis¬ 
mus Thema dieses Romans ist. 

Damals waren die Würzburger so 
schlecht auf ihren bekanntesten 
Schriftsteller zu sprechen, dass der 
Stadtrat sein Theaterstück „Karl und 
Anna“ absetzen ließ. 

Das hat sich geändert. Vom 4. bis 
13. April werden über 100 Lese-Ver- 


Hildesheim schmückte sich bis vor kur¬ 
zem mit dem Etikett „kleine Großstadt“. 
2013 sackte die Einwohnerzahl unter 
100 000, schmerzlich für das Stadtmar¬ 
keting. Die Spatzen pfeifen von den 
Dächern, dass bei allen städtischen Pla¬ 
nungen im Hochbau stets die Unterneh¬ 
mensgruppe Lüder - Immobilien, Pro¬ 
jekte, Investment, Management - die 
Beschlussvorgaben mit bestimmt. Jürgen 
Meier hatte die kommunale Verflech¬ 
tung von Verwaltung und privaten In¬ 
vestoren in seinem fünften Hildesheim- 
Krimi „Memories“ als Hintergrund des 
Handlungsrahmens gewählt. Die Firma 
Lüder sah sich in den handelnden Per¬ 
sonen erkannt und beleidigt. 

Die erste Version wurde per Vergleich 
beim Landgericht Hildesheim verboten 
(UZ berichtete am 8. 2. 2013). Meier 
korrigierte einige Passagen, verlegte 
den Ort der Handlung von Hildesheim 
nach Göttingen. Firmeneigentümer 
Sebastian Lüder und sein Hausjurist 
und Hildesheimer CDU-Vorsitzender 
Frank Wodsack sahen sich erneut nicht 
ausreichend verfremdet und beantrag¬ 
ten wiederum per einstweiliger Anord¬ 
nung das Vertriebsverbot des bereits in 
erster Auflage in verschiedenen Buch¬ 
handlungen ausliegenden Werkes. 

Nun hat das Oberlandesgericht in Celle 
unlängst entschieden, dass man nicht 
behaupten dürfe: Der junge Sebasti¬ 
an Lüder sei mit seinem Vater zerstrit¬ 
ten, habe seinem Vater angedroht, ihn 
verhungern zu lassen; das Unterneh¬ 
men Lüder habe einen Hildesheimer 
Radiologen dadurch geschädigt, dass 
es dessen gesamtes Vermögen von 
fast 2 Mio. Euro in den Sand gesetzt 
habe; Sebastian Lüder sei ein gerisse- 


anstaltungen in Würzburg und Umge¬ 
bung, aber auch in Leipzig und Köln, 
unter dem Motto „Würzburg liest 
ein Buch“ just den Roman „Die Jün¬ 
ger Jesu“ von Frank zum Würzbur¬ 
ger Stadtgespräch machen. Ein Kreis 
von Buchhandlungen hat das organi¬ 


siert, zusammen mit der umtriebigen 
Leonhard-Frank-Gesellschaft. Die 
war auch eingespannt in die Vorberei¬ 
tung eines Symposiums am Wochen¬ 
ende 15./16. Februar in der Würzbur¬ 
ger Universität. Mit dem Thema Krieg 
und Nachkrieg ist das Themenfeld weit 
gespannt. Die Konferenz zählt zu der 
ersten in der Reihe wissenschaftlicher 
Veranstaltungen aus Anlass des 100. 
Jahrestags des Ersten Weltkrieges im 
laufenden Jahr. Literaturwissenschaft¬ 
ler Prof. Dr. Wolfgang Riedel, Vizeprä¬ 
sident der Julius-Maximilian-Univer- 


ner Hedgefonds-Jongleur, bewege sich 
geschäftlich am Rande der Legalität; 
die Unternehmensgruppe Lüder habe 
mit einem Projekt in Krefeld die Stadt 
Krefeld und den Stadtrat betrügen und 
prellen wollen; Herr Wodsack habe sich 
als Führer und Unfallverursacher an¬ 
lässlich einer Trunkenheitsfahrt im 
Straßenverkehr unerlaubt vom Unfall¬ 
ort entfernt, sei als Führer eines PKW 
vor einer Polizeistreife geflüchtet und 
im Badezimmer seines Bungalows von 
der Polizei verhaftet worden; wegen 
Fahrerflucht sei er von einem Gericht 
zu einer Bewährungsstrafe verurteilt 
worden. So weit Auszüge aus dem Ge¬ 
richtsurteil vom 6. Februar 2014. 

Dem Lokalkrimiautor Jürgen Mei¬ 
er wurde bei Androhung von 250 000 
Euro untersagt, selbiges zu behaupten. 
Das hat er zwar in seinem Roman „Me¬ 
mories“ mitnichten getan. Allerdings 
werden seine Kunstfiguren Jakob Bla¬ 
sewitz und Franz Wollmann so nahe 
als identisch mit den realen Personen 
Sebastian Lüder und Frank Wodsack 
gewertet, dass die von Meier vorgetra¬ 
genen Behauptungen den realen Per¬ 
sonen zugeschrieben werden können, 
so die Richter des OLG. Dass Meier 
all das nicht behaupten darf, heißt aller¬ 
dings keineswegs, dass „Behauptetes“ 
nicht stimmt. Das zu prüfen, hat sich 
das Gericht nicht zugemutet, sich statt- 
dessen auf den von Meier und Lüder 
erstinstanzlich vereinbarten Kompro¬ 
miss zurückgezogen, in dem der Autor 
sich verpflichtet hatte, die Personen sei¬ 
nes Romans so zu verfremden, dass sie 
für den Leser unkenntlich würden. Bei 
der vom Gericht vorgenommenen Prü¬ 
fung stellten die Richter ausschließlich 


sität, aber auch der Kulturreferent der 
Stadt, Muchtar Al Ghusain, SPD, OB- 
Kandidat bei den Kommunalwahlen 
im März, begrüßten die Teilnehmerin¬ 
nen und Teilnehmer im ehrwürdigen 
Oswald-Külpe-Hörsaal. Prof. Riedel 
erinnerte auch an die wissenschaft¬ 
lichen Glanzzeiten der Uni. Wenige 
Meter entfernt hatte Wilhelm Conrad 
Röntgen 1895 die nach ihm benann¬ 
ten Strahlen entdeckt. Er betonte die 
Aktualität des Themas, zumal die wis¬ 
senschaftliche Untersuchung des Ers¬ 
ten Weltkriegs häufig im Schatten des 
Zweiten stattfinde. 

Vorwiegend junge Wissenschaftler 
stellten ihre Arbeit vor. Katharina Ru¬ 
dolph, Offenbach, untersuchte Franks 
Roman „Der Mensch ist gut“. Dr. Ju- 
dit Hetyer, Pecs/Ungarn, verglich die 
„Deutsche Novelle“ mit anderen Faust- 
Motiven in der deutschen Literatur. Dr. 
Norman Ächtler, Gießen, referierte 
über das Lagererlebnis in der Lyrik von 
Johannes Bobrowski und Günter Eich. 
Dr. Süselbeck, Marburg, bewertete die 
beiden Romane von Ludwig Renn, de¬ 
nen dieses Symposium den Titel entlie¬ 
hen hatte. Das Thema war der angeb¬ 
liche Franktireur-Krieg in Belgien, ein 
Mythos, der die deutschen Massaker 
zu rechtfertigen hatte. Hervorzuheben 
ist der Vortrag von Markus Hien („Zu 
einem Grab kam er nie. Gert Ledigs 
Poetik des Erinnerns“), über die drei 
Romane dieses Autors („Stalinorgel“, 
1955, „Vergeltung“, 1956, und „Faust¬ 
recht“, 1957), eines Kommunisten, 
die nach ihrer Neuauflage eine neue 
Wertschätzung erfahren. Dr. Ulrich 
Dittmann von der Oskar-Maria-Graf- 
Gesellschaft, München, erörterte den 
Krieg als biografisches Motiv und lite¬ 
rarisches Thema bei Graf. Weitreichen¬ 
de Aufschlüsse bot der Vortrag von Mi¬ 
chael Storch (Uni Würzburg) „Wie Za¬ 
rathustra in die Schützengräben kam: 
nietzscheanische Legitimationen des 
Ersten Weltkriegs“. Und schließlich 
unternahm es der Jurist Prof. Dr. Eric 
Hilgendorf, die rechtlichen Implikatio¬ 
nen von Rache und Widerstand bei den 
„Jüngern Jesu“ zu prüfen. Klaus Stein 


formal fest, dass die Verfremdung nicht 
hinreichend sei. Hätte Meier vor einem 
Jahr dem Vergleich nicht zugestimmt, 
wäre eine inhaltliche Prüfung möglich 
geworden, die Meier nun selbst durch 
den Vergleich verhindert hätte. 
Mehrere Prozessbeobachter äußerten 
den Verdacht, der Vorsitzende Richter 
habe sich um eine inhaltliche Wertung 
der Sache gedrückt und den Vergleich 
vorgeschoben. So habe der Prozessver¬ 
lauf Anschauungsunterricht in Klas¬ 
senjustiz erteilt. Gleichwohl ließ der 
leitende Richter Wiese in der mündli¬ 
chen Verhandlung am 21. Januar durch- 
blicken, dass er das Persönlichkeits¬ 
recht der Kläger Lüder und Wodsack 
eher hinter der Kunstfreiheit zurück¬ 
stehend gewertet hätte, ihm allerdings 
formal die Hände gebunden seien. 
Durch die detaillierte Nennung der in- 
kriminierten Passagen im öffentlich er¬ 
gangenen Urteil hat Lüder allerdings 
einen Pyrrhussieg errungen, da in der 
öffentlichen Meinung den Klägern all 
diese vom Gericht untersagten Be¬ 
hauptungen zugerechnet werden. Die 
Unterlegenen haben angekündigt, all 
das, was man gegenüber der Unter¬ 
nehmensgruppe Lüder nicht behaup¬ 
ten darf, einer breiten Öffentlichkeit in 
Hildesheim zu präsentieren. Inwieweit 
die Firma an Hedgefonds beteiligt ist, 
welche Rolle sie in Krefeld oder Gel¬ 
senkirchen gespielt hat oder auch wie 
der Planungsprozess beim ehemaligen 
Klinikum-Standort am Hildesheimer 
Weinberg verlief, all das werden die 
Unterlegenen durch die Unterstützung 
der Gewerkschaft ver.di, die Meier 
Rechtsschutz gewährte, in öffentlichen 
Debatten thematisieren. UP 


Er kam vom „Ölberg“. Das ist der 
Stadtteil Elberfelds, wo die Petrole¬ 
umlämpchen noch brannten, als die 
anderen, „besseren“ Teile schon längst 
elektrischen Strom hatten. Daher der 
Name. Um 1900 lebten dort Hunder¬ 
te von Menschen auf engstem Raum, 
man spricht von 450 pro Hektar im 
Vergleich zu vielleicht 15 auf derselben 
Stadtfläche der „vornehmen“ Quadrat¬ 
meter. Sein Vater war Bügler, Grete, die 
Mutter, saß an einem Band. Er ging bei 
Bayer in die Lehre als Chemielaborant. 
Hat die Schwebebahn gestrichen. Wer 
einmal unter den mächtigen Pfeilern 
stand, kann sich vorstellen, dass man 
den Aufenthalt dort oben mit Eimer 
und Waschei nicht so schnell vergisst 
und schon gar nicht als vorheriger Ent¬ 
roster. Er schaffte es gegen alle damali¬ 
gen Zeitumstände (2,3 Prozent der Stu¬ 
dierenden aus Arbeiterfamilien) an die 
Werkkunstschule Wuppertal und über 
sie an die Kunstakademie in München. 
Seine Freunde aus der dj 1-11, einer be¬ 
merkenswerten Abteilung der alten Ju¬ 
gendbewegung, nannten ihn Puck. 

So lernte ich ihn kennen mit erstaun¬ 
lichen sozialen Gemeinsamkeiten und 
politisch ähnlicher Denke. Er trat in 
den damaligen Sozialistischen Deut¬ 
schen Studentenbund (SDS) ein, als 
er hörte, dass dort auf Druck des SPD- 
Vorstandes - ich hab den späteren 
Schmidt-Schnauze als Wortführer in 
Erinnerung - zwei Leute ausgeschlos¬ 
sen werden sollten, die an der Uni den 
sozialistisch argumentierenden „Stu¬ 
dentenkurier“ vertrieben - und er tat 
das nur, um eine Stimme dagegen zu 
halten. Das war um die Zeit des Godes¬ 
berger Programms der SPD und seiner 
Schwärung. Er wurde bald darauf in 
den Bundesvorstand des SDS gewählt. 
Er rückte dem hessischen General¬ 
staatsanwalt Fritz Bauer auf die Pelle, 
einem weithin geschätzten Antifaschis¬ 
ten, einer der Ausnahmen in hohen 
Ämtern des CDU/USA-Staates BRD. 
Der versuchte ihn zu beruhigen. 

Aber sein einziges Argument war letzt¬ 
lich, dass Willy Brandt einen solchen 
Frontwechsel niemals gutheißen würde. 
Irgendwann hatte er die Faxen dicke und 
stellte Aufnahmeantrag in die KPD - 
also in die von Rosa Luxemburg und 
Karl Liebknecht und Ernst Thälmann. 
In München im Occam-Filmstudio mit 
dem Betreiber Fritz Falter gab es eine 
Woche des antifaschistischen Films, 
absolut ungewöhnlich zu dieser Zeit. 
Sie war sein Werk - wie auch viele Jah¬ 
re später die Kulturveranstaltungen 
zum Internationalen Dachau-Treffen 
im Circus Krone und parallel dazu im 
Schwabingerbräu. 

Zwischen diesen Zeitabständen ent¬ 
deckten wir, fast zufällig, dass wir beide 
unabhängig voneinander an einer neu¬ 
en Zeitschrift für Literatur bastelten, 
gegen das Adenauer-Gesäusel, für die 
Vergessenen, an den Rand Gedrängten 
und vor allem für die vorhandenen und 
erhofften jungen Neuen, die den Buch¬ 
staben und soziale Wirklichkeit nicht 
für Mars und Venus halten. Wir haben 
uns zusammengeschmissen und für das 
Traumgebilde einen ebenso Verrückten 
gefunden, der auch noch Geld hatte. 
Es war der Mund- und Fußmaler Ar¬ 
nulf Erich Stegmann. Er wollte nie, 
dass man darüber redet. Mit ihm im 
Rücken sind wir viele, viele Kilometer 
gefahren für unseren Traum und für die 
Gewinnung der Mitstreiter. Im Sep¬ 
tember 1965 erschien die erste Num¬ 
mer. Das Ding hieß dann kürbiskern 
1/65. Hat dann seine eigene Geschichte. 
1984 starb Erich, 1986 der kürbiskern. 
Ausgehend von dem mir unvergess¬ 
lichen Franz Xaver Stützinger, einem 
Drucker und Kamerabegeisterten, 
hatten wir und zwei, drei mehr sich zur 
Münchner Filmgruppe „das team“ zu¬ 
sammengetan. Dessen erste 10-minüti- 
ge SlapstickLehrfilmProvoStummfilm- 
pantomime „Die Grube“ wurde in der 
späten Adenauer-Ära zu einem wah¬ 
ren Aufklärungswunder als Zündker¬ 
ze für Diskussionen unter Arbeiterju¬ 
gendlichen, ob es tatsächlich Klassen 
gibt oder nicht. Das war aber „mein“ 
Film als Regisseur und Endentscheider. 
(Muss ja auch mal gesagt werden.) In 


meiner zweiten Filmpantomime nach 
gleichem Strickmuster, leider einem 
Totalflop, („Die Ente“) ist Manfred 
Vosz zu sehen als wüster Kommissar 
auf einer Kolchose - dies in l:l-Um- 
setzung von Bildzeitungskeulen. 

In der Folgezeit hat er sich mehr und 
mehr dem dokumentarischen Fil¬ 
men zugewandt, ich eher dem Spiel¬ 
film. Seine „Deutsche Kirchweih“ von 
1968, dem Nazi-Untergrund und Un¬ 
tergründigem, hier im Fränkischen auf 
die Spur gehend, war ein erster Ertrag. 
Und gleich mit einer Silbernen Taube in 
Leipzig versehen. Und Nummer Zwei 
war „Stadtführer für Bonn und Umge¬ 
bung“, gleiches Thema, aber höherge- 
schossig. Preis der Internationalen Jury 
in Oberhausen. Dann ging er noch an 
die Schneidetische beim Bayerischen 
Fernsehen, hat dort gejobbt und ge¬ 
lernt. Ich hatte in meiner zurückliegen¬ 
den auch Schauspielerzeit etlichen Cut¬ 
terinnen (es gab damals kaum Männer 
dort) über die Schulter geschaut. Aber 
ihm am Schneidetisch zuzusehen war im 
Ablauf vollendetes Handwerk zu sehen. 
Es gibt ja den berühmten grünen Dau¬ 
men. Was er zum Beispiel mit seinen 
Fingern unter den Motorhauben seiner 
alten Karren gemacht hat, entzieht sich 
meiner Kenntnis und Benennung. Sie 
fuhren jedenfalls immer und immer wie¬ 
der. Manchmal hatte ich das Gefühl, der 
muss nur missmutig reinschauen. 

Sein bekanntester Film ist vermutlich 
„Goethe in D.“ mit dem Dachau-Häft¬ 
ling Erwin Geschonnek dem Großen 
als Fremdenführer, 1986 mit dem Bun¬ 
desfilmpreis ausgezeichnet. Hier ist 
nicht der Ort, alle seine Filme aufzu¬ 
zählen, das kann das Internet. Es gibt 
zwei durchgehende inhaltliche Strän¬ 
ge in ihnen - sich nicht abzufinden mit 
dem Neofaschismus und für die inter¬ 
nationale Solidarität der Unteren. 

Er hatte in den Sechzigern mit der bil¬ 
denden Künstlerin Dietlind Blech ei¬ 
nen gut dotierten Wettbewerb für ein 
Wandbild in einer Schule in Gevels¬ 
berg gewonnen und ausgeführt. Mit 
dem Preisgeld kauften sie sich einen 
Döschöwo und fuhren mit dem klei¬ 
nen Schaukler und Racker von der 
Südspitze Spaniens aus ausgiebig rund 
ums Mittelmeer. Vielleicht ist da die 
Grundlage entstanden für seine späte¬ 
re Verbundenheit mit der arabischen 
Kultur. Es war 1972 nicht alltäglich, 
dass ein westdeutscher Filmer zu den 
Palästinensern geht und zeigt. 
Irgendwann kam der Ruf an die Hoch¬ 
schule Kassel zum Ausbau der Medien¬ 
abteilung Sparte Film. Ich kann das nicht 
beurteilen, aber ich denke, das hat er ge¬ 
tan. International - also damals „Dritte 
Welt“ - war er eine Nummer. Zehn Jahre 
hat er in Kuba Dokumentaristen aus ganz 
Lateinamerika seine Erfahrung weiterge¬ 
geben. Er war in zahlreichen Jurys von 
Filmfestivals „südlicher“ Länder gefrag¬ 
tes Mitglied, auch das Goethe-Institut 
hat das begriffen und ihn rumgeschickt. 
Bloß hier, bei den Eingeborenen und ih¬ 
ren Medien bzw. ihren Pferdeklappen, 
hat das kaum interessiert. 2002 hat er in 
Stuttgart für das Institut für Auslandsbe¬ 
ziehungen noch die große Veranstaltung 
„Der neue iranische Film“ beraten. 

Das heißt heute alles Globalisierung, 
tritt als Sachzwang auf und ist nichts 
anderes als der Anspruch auf globale 
Ausbeutung. Der Elberfelder vom Öl¬ 
berg dagegen fordert Internationalis¬ 
mus als Anspruch auf globale Gegen¬ 
wehr für Zukunft. Er war ein Macher, 
aber ein Macher mit Vision, ganz gegen 
die Philosophie eines Schmidt-Schnau¬ 
ze - wie schon damals im SDS. Wenn er 
eine Idee hatte, suchte er nach Möglich¬ 
keiten, sie zu verwirklichen. Er konnte 
dabei Leute ausnutzen bis an die Gren¬ 
ze der Schamlosigkeit, auch das gehört 
zur Wahrheit. Aber wahr ist auch, dass 
er eventuell für dieselben Leute in Not 
bis an die Grenzen der eigenen Mög¬ 
lichkeiten gegangen wäre. Mit Not mei¬ 
ne ich Notfall. Ich kenne zwei Leute, die 
seiner Entschlossenheit in einem sol¬ 
chen Fall ihr Leben verdanken. 

Nun ist er in Düsseldorf gestorben. 
Manfred Vosz, Filmemacher und mehr. 
Salud, mein Brauner an der anderen 
Seite der Deichsel. Hannes Stütz 



In der DDR wurde Leonhard Frank mit einer 
Briefmarke geehrt. 


Pyrrhussieg für Immobilien-Hai 

Das Verbot eines Hildesheim-Krimis ist selbst ein Krimi 





12 Freitag, 28. Februar 2014 


Vier-Parteien-Konferenz 


unsere zeit m 


Der Vernunft gegen ihre Feinde beistehen 

Die Vier-Parteien-Konferenz am 15. und 16. Februar war ein voller Erfolg • Auszüge aus den Referaten 



D ie Zeitung vom Letzebuerger 
Vollek der Kommunistischen 
Partei Luxemburgs drückte am 
18. Februar in ihrem ganzseitigen Bei¬ 
trag auf Seite 2 die großartige Stim¬ 
mung während der mehr als zwei¬ 
stündigen Demonstration von über 
dreihundert Menschen aus der poli¬ 
tischen Linken am 15. Februar durch 
die Aachener Innenstadt begeistert aus. 
Und für die DKP konnten die Rück¬ 
meldungen der drei Parteien, die wir 
zur Zusammenkunft eingeladen hat¬ 
ten, nach Tagungsende nicht schöner 
sein: „Phantastische Stimmung, hohes 
Debattenniveau, tolle Demo“ - so die 
Aussagen zu dieser ungewöhnlichen 9. 
Ausgabe der seit 2006 stattfindenden 
Vier-Parteien-Konferenz. 

Denn erstmals war eine der Konferen¬ 
zen von einer öffentlichen Aktion be¬ 
gleitet. Die Demonstration, zu der „alle 
friedliebenden Menschen“ aufgerufen 
waren, war eine Idee der DKP, die da¬ 
mit ihren erneuerten Willen zu öffent¬ 
lichem Auftreten und zu einem gesun¬ 
den und selbstbewussten Verhältnis zur 
eigenen Identität belegen wollte und 
konnte. Die Partei der Arbeit Belgiens 
(PVDA/PTB), die Neue Kommunisti¬ 
sche Partei der Niederlande (NCPN) 
und die KP Luxemburgs hatten dem 
ambitionierten Konzept zugestimmt 
und waren mit einer Reihe von Ge¬ 
nossinnen und Genossen angereist, die 
eigens nur zur Demonstration kamen, 
während an der anschließenden Kon¬ 
ferenz dann jeweils zehn Mitglieder je¬ 
der Partei teilnahmen. Für die deutsche 
Seite war die Entfernung nach Aachen 
vielfach größer als für die internationa¬ 
len Gäste, dennoch nahmen DKP-Mit- 
glieder von Rhein und Ruhr in ansehn¬ 
licher Zahl teil. 

Für die DKP war es die erste von ihr 
initiierte und noch dazu allein von 
Kommunistischen Parteien beworbe¬ 
ne Demonstration seit mindestens 25 
Jahren. Dabei ging es nicht etwa da¬ 
rum, nicht gemeinsam mit anderen 
Kräften zu demonstrieren, sondern 
vielmehr wollten wir die Initiative zur 
ersten Friedensaktion in diesem Jahr 
des vielfältigen Gedenkens an das Los¬ 
treten des Ersten Weltkriegs durch das 
deutsche Kaiserreich ergreifen: als ei¬ 
genständiger Teil des Ganzen, und un¬ 
ter ganz natürlichem Bezug auf die 
weiteren Aktionen der Friedensbewe¬ 
gung im Jahr 2014, allen voran die Os¬ 


termärsche. Und diese Orientierung 
war richtig und wurde ein Erfolg! Der 
Einladung zur Teilnahme folgten si¬ 
cher nicht sehr viele Anwohnerinnen, 
dafür aber gut sichtbar örtliche Frie¬ 
densbewegte wie vom Aachener An¬ 
tikriegsbündnis (AKB) und der Partei 
„Die Linke“. Eine Handvoll Mitglieder 
der KP Griechenlands waren genauso 
unter den Demonstrierenden wie ein 
gutes Dutzend von Genossinnen und 
Genossen der KP der Türkei, aus den 
TKP-Organisationen in Deutschland 
und den Niederlanden. 

Jens Wegener, Kreisvorsitzender der 
DKP Aachen, hielt den Redebeitrag 
bei der Auftaktkundgebung, und auch 
während der Demonstration selbst 
warb er für ein aktives Eingreifen 
der Menschen in den Friedenskampf. 
Die Zwischenkundgebung wurde von 
der NCPN und der KPL und die Ab¬ 
schlusskundgebung dann von der PTB 
und der DKP - mit einem Redebei¬ 
trag von Patrik Köbele - geleistet. Für 
die Weitgereisten hatte die Aachener 


Kreisorganisation Kaffee und Brötchen 
vorbereitet - nur eine der vielen Auf¬ 
merksamkeiten der Aachener Kreisor¬ 
ganisation der DKP für ihre internati¬ 
onalen Gäste. 

Im nahe gelegenen Konferenzzentrum 
ging im Anschluss an die Demonstra¬ 
tion die Konferenz los. Auch dort hat¬ 
ten die Gastgeber alles bestens vorbe¬ 
reitet und sogar eine vierseitige Infor¬ 
mation über die Stadt Aachen, Karl 
den Großen und den Weg in den Ers¬ 
ten Weltkrieg vorbereitet. Den Auf¬ 
takt des theoretischen Teils machte 
Daniel Bratanovic, der einen fakten- 
und kenntnisreichen Vortrag über die 
Gründe hielt, wegen derer es vor hun¬ 
dert Jahren zum Krieg kam. Keines¬ 
wegs waren die Völker „in den Krieg 
geschlittert“, sondern handfeste Grün¬ 
de seien dafür maßgebend gewesen. 
Letztlich wohnt dem Imperialismus 
der Krieg inne, so der Historiker und 
„junge Welt“-Redakteur. 

Hans-Peter Brenner hielt den Beitrag 
der DKP. Die Thematik des Bruchs 


innerhalb der Zweiten Internationa¬ 
le führte im Anschluss zu zahlreichen 
Wortbeiträgen, die sich im Wesentli¬ 
chen um den Opportunismus damals 
und heute drehten. 

Am zweiten Tag sprachen Aloyse Bis¬ 
dorff („Beginn und Ende von Krie¬ 
gen“) und Uli Brockmeyer („Der 
Kampf um die Neuaufteilung der 
Welt“) für die KP Luxemburgs. Aloy¬ 
se Bisdorff erinnerte daran, dass noch 
vor dem Einmarsch der kaiserlichen 
Truppen in Belgien die luxemburgi¬ 
schen Eisenbahngleise besetzt worden 
waren. Demnach begann der Krieg 
schon am 1. August 1914 - er endete 
indes mit der Bezahlung der letzten 
Entschädigungsrate durch Deutschland 
am 30. Oktober 2010. Uli Brockmeyers 
Beitrag zeigte die beklemmende Aktu¬ 
alität der Konferenzthemen auf: Schon 
wieder gehe es um eine Neuaufteilung, 
dieses Mal mit Hilfe der „eindeutig mi¬ 
litaristischen EU“. 

Bert de Beider redete für die Partei 
der Arbeit Belgiens über die „Ent¬ 


wicklung der Friedensbewegung aus 
kommunistischer Sicht“. Dabei ging 
er auf das Anwachsen der Friedens¬ 
bewegung nach dem 2. Weltkrieg ein, 
insbesondere durch den Kampf ge¬ 
gen den Atomtod. Heute müsse man 
in Belgien zwischen vier Friedens¬ 
strömungen unterscheiden: eine pro¬ 
imperialistische, eine kleinbürgerlich¬ 
pazifistische, eine gemäßigt antiimpe¬ 
rialistische und eine revolutionäre 
antiimperialistische. 

Ein praktischer Teil schloss sich am 
Sonntagnachmittag an, wo Willi Hoff¬ 
meister, DKP-Mitglied und Aktivist 
des Ostermarsches Ruhr seit mehr als 
fünfzig Jahren, den einleitenden Bei¬ 
trag leistete. Er spannte den Bogen 
vom „Stockholmer Appell zur Äch¬ 
tung der Atomwaffen“ bis zum dies¬ 
jährigen Ostermarsch, der an Karfrei¬ 
tag in Gronau beginnen wird - wegen 
der unmittelbaren Grenznähe eine gute 
Gelegenheit, eine gemeinsame Aktion 
von DKP und NCPN zu machen, so ein 
Vorschlag der DKP in der anschließen¬ 
den Debatte. Darüber hinaus wurden 
Thesen für eine Forderungsplattform 
diskutiert, die von Vertretern der Par¬ 
teien in Kürze abschließend erarbeitet 
werden. 

Die NCPN hatte keinen eigenen Re¬ 
debeitrag vorbereitet - das Land war 
nicht am Ersten Weltkrieg beteiligt. 
Keineswegs neutral aber waren die nie¬ 
derländischen Genoss/inn/en, die sich 
genauso rege an den Debatten betei¬ 
ligten wie alle anderen auch. Die vier 
Parteien hatten im Vorfeld beschlossen, 
der Diskussion mehr Raum als früher 
zu geben, was auch gut umgesetzt wur¬ 
de. Die drei Übersetzer/innen hatten 
auch hierbei jede Menge Arbeit zu 
leisten. 

Der historische wie der aktuelle Kampf 
gegen den Krieg, so schloss Willi Hoff¬ 
meister, führt zu Brechts „Gedächtnis 
der Menschheit“: 

Und doch wird nichts mich davon 
überzeugen, 
dass es aussichtslos ist, 
der Vernunft gegen ihre Feinde 
beizustehen. 

Genau dafür wird eine Kommunisti¬ 
sche Partei gebraucht. 


Aloyse Bisdorff (KPL): 

Parallelen nach hundert Jahren 


Der hundertste Jahrestag des Beginns 
des ersten Weltkrieges gibt Anlass zu 
einigen Vergleichen bezüglich der geo- 
politischen und strategischen Lage von 
damals mit der heutigen. So versteigt 
sich die britische Wochenzeitschrift 
„The Economist“ in einem aktuellen 
Leitartikel zu folgendem Parallelismus: 
Die heutigen USA seien das Großbri¬ 
tannien von damals, eine Supermacht 
auf dem Abstieg, unfähig, die globale 
Sicherheit zu garantieren. Ihr größter 
Handelspartner China würde die Rolle 
Deutschlands spielen, das damals der 
größte Handelspartner Englands war, 
einer neuen Wirtschaftsmacht, sich 
nationalistisch aufrüstend und seine 
Streitkräfte rasch aufbauend. 

Das moderne Japan sei Frankreich, ein 
Alliierter des schwankenden Hegemo¬ 
nen und eine absteigende Regional¬ 
macht. Für Russland hat „The Econo¬ 
mist“ keinen Vergleich gefunden, weil 
man sonst ein Land hätte bezeichnen 
müssen, in welchem im Konfliktfalle 
die proletarische Revolution ausbre¬ 
chen würde. 

Der „Economist“ macht allerdings das 
Zugeständnis, daß der Vergleich nicht 
ganz stimmt, da China im Gegensatz 
zu Kaiser Wilhelm dem Zweiten keine 
territorialen Expansionsziele hat. Tat¬ 
sache aber ist, dass die USA - wie da¬ 
mals England - ihre global dominieren¬ 
de Stellung halten und sichern möch¬ 
ten, hauptsächlich durch überlegene 
militärische Mittel, welche dauernde 
große Rüstungsausgaben erforderte. 
Der Erste Weltkrieg begann nach über 
40 Jahren Frieden in Europa, und die 


Erinnerung an das Hineinschlittern 
in diese Katastrophe lässt daher auch 
heute wieder berechtigte Kriegsängste 
aufleben. Das umso mehr, als die ähn¬ 
lich lange Verhütung eines neuen Welt¬ 
konfliktes nach dem Zweiten Weltkrieg 
der Existenz einer großen, strategisch 
gleichwertigen Friedensmacht zu ver¬ 
danken ist, die es heute nicht mehr gibt. 
Der Zusammenbruch der Sowjetuni¬ 
on hat sofort die Kriegskräfte wieder 
entfesselt und den ersten Angriffskrieg 
der NATO gegen Jugoslawien möglich 
gemacht, und auch die Etablierung der 
USA als einzige Hegemonialmacht ge¬ 
bracht. Der dem Zusammenbruch vor¬ 
ausgegangene Kalte Krieg wird in den 
USA öfters als eigentlicher „Dritter 
Weltkrieg“ bezeichnet, den die USA 
dank des Rüstungswettlaufs gewonnen 
haben. 

Mit diesem globalen und endgültigen 
Sieg sei „das Ende der Geschichte“ ge¬ 
kommen. Die Entwicklung der mensch¬ 
lichen Gesellschaft könnte auf dem 
Stadium des Kapitalismus eingefroren 
werden, da die Kernmacht dieses Sys¬ 
tems die Mittel hätte, jede weitere ge¬ 
sellschaftliche Entwicklung entweder 
mit militärischem Eingriff, gezielten 
Morden oder wirtschaftlichem Druck 
und Korruption abzuwürgen. 

Das strategische Ziel der USA müsse 
darin bestehen, dafür zu sorgen, daß 
kein Land oder keine Ländergruppe - 
ob sozialistisch oder kapitalistisch -, 
jemals die Fähigkeiten erlangen kann, 
die Vorherrschaft und D omination der 
USA herauszufordern. Dazu müssten 
die USA stets eine große militärische 


Überlegenheit besitzen und die Fähig¬ 
keit der „Power projection“ überall auf 
der Erde. (...) 

Seit dem Ende des Kalten Krieges wa¬ 
ren die USA in mehr als der Hälfte der 
Zeit in militärische Interventionen ver¬ 
wickelt. Neben Afghanistan und Pakis¬ 
tan in vielen kleinen Kriegshandlungen 
in einem Rhythmus von je einer in 16 
Monaten. Doch die kapitalistische Fi¬ 
nanz- und Wirtschaftskrise sowie die 
wachsenden Staatsschulden und die 
großen Haushaltsdefizite zeigen Gren¬ 
zen auf für lang andauernde Kriegsein¬ 
sätze. In immer kürzeren Zeitabstän¬ 
den stoßen die US-amerikanischen 
Staatshaushalte an die Obergrenze 
der erlaubten Staatsverschuldung und 
müssen diese dann immer wieder um 
mehrere tausend Milliarden Dollar an¬ 
heben. 

Das geschah auch wieder im Febru¬ 
ar 2014, sonst hätten die Rechnungen 
nicht mehr bezahlt werden können. 
Schon vor über einem Jahr wurden die 
USA in ihrer Bonität herabgestuft. (...) 
Aber da man weder den potentiellen 
Gegnern, noch den Bündnispartnern 
traut, haben die USA ein weltweites 
Spionage- und Abhörsystem aufgebaut, 
welches nicht nur auf militärische, son¬ 
dern auch auf wirtschaftliche Belange 
ausgerichtet ist. 

(...) Da die Republikaner Steuererhö¬ 
hungen für Reiche noch mehr hassen 
als eine Kürzung der Militärausgaben, 
ist auch von der Einnahmeseite keine 
Lösung für den defizitären Staatshaus¬ 
halt zu erwarten. Das weitere Gelddru¬ 
cken ruiniert den Dollar als Weltwäh¬ 
rung und zwingt China als jetzt grö߬ 
te Handelsmacht zur beschleunigten 
Internationalisierung seiner Währung, 
des Renminbi. (....) 


Die wirtschaftlichen und finanziellen 
Schwierigkeiten der USA, welche ih¬ 
nen die Rolle des Weltgendarmen im¬ 
mer mehr erschweren, verlangen nach 
einem globalstrategischen Umdenken, 
von dem der Schwenk Obamas in den 
pazifischen Raum ein wesentlicher 
Aspekt ist. Dies wird ergänzt durch 
die Entstehung eines größeren Wes¬ 
tens, eines amerikanisch-eurasischen 
Raums, gelegen in der nördlichen Hälf¬ 
te oberhalb des 30. Breitengrades un¬ 
ter Einbeziehung Russlands. Dies wür¬ 
de russische Alleingänge und eine zu 
enge Bindung zwischen Russland und 
China verhindern, und die „Schanghai- 
Organisation für Zusammenarbeit“, der 
China, Russland, Kasachstan, Tadschi¬ 
kistan, Kirgisien und Usbekistan ange¬ 
hören, würde auseinanderdividiert. 
Eine Zone des amerikanisch-eurasi¬ 
schen Raums würde, mit Ausnahme 
der Türkei, nur Länder umfassen, in de¬ 
nen christliche Religionen dominieren, 
und könnte die frühere Jahrhunderte 
lange Domination der Erde durch die¬ 
se Länder über viele Jahre weiter be¬ 
stehen lassen. Dieser Plan stammt aus 
dem Buch „Strategie Vision, America 
and the Crisis of the Global Power“ des 
früheren Nationalen Sicherheitsbera¬ 
ters der USA, Zbigniew Brzezinski, frü¬ 
her einer der schärfsten kalten Krieger. 
Was jetzt die gestellte Frage angeht, ob 
die EU heute ein Kriegstreiber ist und 
als imperialistischer Block auftritt, so 
braucht man bloß einen Blick auf die 
Karte der militärischen Rüstung zu 
werfen. Weder einzelne EU-Länder 
noch die EU als Ganzes - wenn man 
sich auch politisch einig wäre - besitzen 
die militärischen Fähigkeiten, größere 
militärische Konflikte mit mehreren 
hunderttausend Soldaten durchzuste¬ 


hen. Sie können höchstens als Hilfs¬ 
truppen der USA dienen, wie in Afgha¬ 
nistan oder im Irak in Form der Koaliti¬ 
on der Willigen. Da, wo sie selbstständig 
tätig werden, wie England oder beson¬ 
ders Frankreich im Krieg gegen Libyen, 
stoßen sie rasch an die Grenzen ihrer 
militärischen und finanziellen Fähigkei¬ 
ten. Ohne die Nutzung der präzisen Sa¬ 
tellitenaufklärung, welche die USA zur 
Verfügung stellten, wäre die Interven¬ 
tion praktisch blind gewesen. 

Das bedeutet nicht, dass der Wille für 
militärische Abenteuer nicht vorhan¬ 
den wäre. Aber es fehlt die strategi¬ 
sche Weitsicht, die Analyse der Konse¬ 
quenzen. Daher muss man jetzt, nach¬ 
dem man in Libyen die Islamisten an 
die Macht gebombt hat, die gleichen 
Kräfte aus wirtschaftlichen Gründen 
in mehreren Ländern südlich der Sa¬ 
hara bekämpfen, und auch hier kann 
Frankreich allein die militärische Lage 
nicht meistern. 

Trotzdem hätte man auch liebend gern 
militärisch in Syrien interveniert, hätte 
nicht Obama beschlossen, vorher noch 
den USA-Kongress befragen zu wollen. 
Man muss darauf hinweisen, dass sich 
besonders der französische Außenmi¬ 
nister Fabius als militärischer Scharf¬ 
macher benimmt. Vielleicht bekommt 
er demnächst vom deutschen sozialde¬ 
mokratischen Genossen im Amt des 
Außenministers Schützenhilfe. 

Dazu würde sich die Ukraine eignen. 
Nach Osten sind die geographischen 
Grenzen der EU ja noch nicht definitiv 
geschlossen. Herr Putin sähe sich dann 
genötigt, eine stärkere Bindung an Chi¬ 
na zu vollziehen, wenn die EU-Suche 
nach neuem Lebensraum weiterginge. 
Und das wäre globalstrategisch gese¬ 
hen eine Katastrophe für den Westen. 





m unsere zeit 


Vier-Parteien-Konferenz 


Freitag, 28. Februar 2014 


Bert De Beider (PVDA/PTB): 

Forderungen für den Frieden 


Vorschlag für eine Forderungsplatt¬ 
form in 10 Punkten, um eine anti-im¬ 
perialistische Friedensarbeit in Europa 
zu erarbeiten: 

1. Keine einzige Teilnahme an interna¬ 
tionalen Interventionen, weder im Na¬ 
men der NATO, der EU, einer „coaliti- 
on oft he willing“ noch der USA. Die 
sofortige Rückziehung aller unserer 
Truppen aus jeglichen ausländischen 
militärischen Interventionen. Strikte 
Respektierung der Souveränität der 
Staaten, wie es in der Charta der Verein¬ 
ten Nationen festgelegt ist. Wir richten 
uns entschieden gegen die „humanitäre“ 
Rechtfertigung und die Idee der „Ver¬ 
antwortlichkeit um zu schützen“ („Re- 
sponsibility to protect“) als Rechtferti¬ 
gung für ausländische Interventionen. 
Wir richten uns auch gegen andere For¬ 
men von externem Druck und Unter¬ 
grabung der Souveränität, wie z.B. öko¬ 
nomische Embargos und Sanktionen. 

2. Ausstieg unseres Landes aus der 
NATO. Auflösung der NATO. In der 
Übergangsphase muss unser Land sei¬ 
nen Beitrag an der NATO auf ein strik¬ 
tes Minimum beschränken. 

3. Rückzug unseres Landes aus allen 
militärischen EU-Initiativen wie dem 
Euro-Corps, den Battle Groups und 
der European Defense Agency (EDA). 
Wir weisen jede Aufgabe eines militä¬ 
rischen Ausbaus und Strategie zurück, 
die im Vertrag von Lissabon und an¬ 
deren fundamentalen Dokumente der 
EU verankert sind. Während der Über¬ 
gangsfase muss sich unser Land bei den 
militärischen Europäischen Initiativen 
auf ein striktes Minimum beschränken. 

4. Abbau nuklearer Bewaffnung. So¬ 
fortiger Rückzug US-amerikanischer 
Kernwaffen aus unserem Land. Gesetz¬ 
liches Verbot von Kernwaffen auf dem 
Gebiet unseres Landes. Unterstützung 
von Verträgen, die kernwaffenfreie Zo¬ 
nen einrichten und eines Vertrags der 
Kernwaffen generell verbietet. 

5. Kein Kauf von neuen Gefechtsflug¬ 
zeugen F-35 oder anderen. Stoppt die 
Entwicklung, den Kauf und die Instal¬ 
lation allen offensiven militärischen 
Materials - einschließlich der schein¬ 
bar defensiven Projekte, die faktisch 
Bestandteil einer militärischen offen¬ 
siven Strategie sind, wie ein Rake¬ 


tenschild oder andere Formen eines 
Verteidigungsschildes. Verlegung von 
Mitteln einer militärischen Sicherheits¬ 
politik hin zu einer nicht-militärischen 
Sicherheitspolitik. 

6. Beschränkung des Militärhaushalts. 
Verabschiedung von der NATO Norm 
von 2% des BSP für den Militärhaus¬ 
halt. Kein Geld für Krieg, sondern für 
Soziale Notprojekte (Gesundheit, Bil¬ 
dung, Kampf gegen Armut ...) 

7. Kontrolle und Einschränkung der 
Waffenindustrie und des Waffenhan¬ 
dels, unter Anwendung einer brei¬ 
ten Interpretation der Definition von 
„Waffensystem“ und auf Basis einer 
restriktiven Anwendung der europäi¬ 
schen Minimalnorm. 

8. Demokratische Kontrolle über die 
Sicherheits- und Verteidigungpolitik. 
Veröffentlichung aller militärischen 
Absprachen, wie z.B. die über die Sta¬ 
tionierung von Atomwaffen. 

9. Unser Land muss eine eigene Frie¬ 
densvision und Friedensstrategie ent¬ 
wickeln. Unser Land kann sich in 
Friedens- und Entwaffnungsinitiati¬ 
ven profilieren, so wie Norwegen bei 
der Schlichtung von Konflikten und 
die Schweiz als Zwischenhändler zwi¬ 
schen Ländern ohne diplomatische Be¬ 
ziehungen oder in internationaler hu¬ 
manitärer Hilfe. Es gibt schon heute 
vielfältige Möglichkeiten für die Kon¬ 
fliktprävention und den Friedensauf¬ 
bau: Verhandlungen, Vermittlung, Ein¬ 
satz von Wahrnehmern, Aufhalten von 
Waffenlieferungen, humanitäre Opfer¬ 
hilfe usw. Regionale Konflikte werden 
am besten regional gelöst, weit weg 
von den Einflüssen und Interessen der 
Großmächte. 

10. Dauerhafter Frieden kann nur er¬ 
reicht werden durch die Beseitigung 
von Armut und Unrecht, die histori¬ 
sche Ungerechtigkeit gegen Völker zu¬ 
rückzuschrauben und ihnen das Recht 
zu erteilen, ihre eigene Entwicklung zu 
beschreiten. Darum fordern wir eine 
gerechte ökonomische Ordnung mit 
ehrlichen Handelsverhältnissen. Wir 
unterstützen den Kampf der Völker für 
ihre nationalen, demokratischen und 
sozialen Rechte, für Demokratie, sozi¬ 
alen Fortschritt, Frieden, ein gesundes 
Klima in einer gesunden Umgebung 
und Fortschritt. 


Uli Brockmeyer (KPL): 

Die Neuaufteilung der Welt 


Die jüngsten Äußerungen führender 
Politiker der Bundesrepublik zu mili¬ 
tärischen Einsätzen der Bundeswehr 
im Ausland dürfen nicht isoliert von 
den Entwicklungen der EU betrachtet 
werden. Sie sind vielmehr konkreter 
Ausdruck der Rolle der wirtschaftlich 
stärksten Macht innerhalb des imperi¬ 
alistischen Staatenbündnisses Europä¬ 
ische Union, des Bündnisses, das sei¬ 
nen Anfang als Zollunion der Benelux- 
Staaten nahm und spätestens mit der 
Gründung der Europäischen Gemein¬ 
schaft für Kohle und Stahl, der Mon¬ 
tanunion, die Keimzelle für die heutige 
EU wurde. 

(...) Bereits die territorialen Erweite¬ 
rungen der EU nach der Zerschlagung 
der sozialistischen Staaten Ost- und 
Mitteleuropas standen im Zeichen des 
Kampfes um die Aufteilung der Inte¬ 
ressensphären unter den führenden 
kapitalistischen Gruppierungen. Aus¬ 
druck dieses Kampfes war auch das 
Wechselspiel zwischen EU und NATO 
bei der Osterweiterung. Wirtschaftliche 


und politische Interessen standen stets 
in einem untrennbaren Zusammen¬ 
hang mit der Frage der militärischen 
Präsenz in den früheren sozialistischen 
Staaten, mit der Einbindung von deren 
Streitkräften in die westliche Militärpo¬ 
litik und der Ausdehnung der Grenzen 
der NATO nach Osten. Dabei wurden 
die Interessen der führenden Kreise 
des Kapitalismus abwechselnd über die 
NATO und die EU durchgesetzt. Al¬ 
lerdings stellte sich relativ früh heraus, 
dass systemimmanente Widersprüche 
zwischen Konzerninteressen der USA 
und der westeuropäischen Staaten hin¬ 
ter den Kulissen durchaus eine Rolle 
spielten. So haben zum Beispiel ein¬ 
flussreiche Kreise des deutschen Ka¬ 
pitals eine von den USA angestrebte 
stärkere Anbindung der Ukraine an die 
NATO blockiert, weil sie die Ukraine 
mit ihren Ressourcen, ihrem riesigen 
Markt und ihrer geostrategischen Lage 
eher an die EU binden wollten. 

Die verstärkte Militarisierung der EU 
und die zunehmenden Einsätze von 


Truppen aus EU-Ländern außerhalb 
des Territoriums der EU zeigen, dass 
die Gefahr wächst, dass die Herrschen¬ 
den - 100 Jahre nach dem Beginn des 
Ersten Weltkrieges - erneut einen Aus¬ 
weg in Kriegen suchen. 

Sogenannte Missionen der EU im Mit¬ 
telmeer, am Horn von Afrika und in 
verschiedenen Ländern Afrikas haben 
nicht zur Schaffung von Frieden beige¬ 
tragen, sondern weitere Konflikte ge¬ 
fördert oder provoziert. (...) Die Aus¬ 
beutung der Länder der „Dritten Welt“ 
wird verstärkt fortgesetzt. Während 
sich die führenden Staaten der EU - 
zunehmend mit Einsatz militärischer 
Mittel - den ungehinderten Zugang 
zu den natürlichen Ressourcen dieser 
Länder sichern, werden gleichzeitig 
Waren aus der EU dorthin exportiert, 
die eine eigenständige wirtschaftliche 
Entwicklung der Länder behindern 
und allmählich eine wachsende Ver¬ 
armung der Bevölkerung der betrof¬ 
fenen Staaten verursachen. Die damit 
verbundene politische und wirtschaft¬ 
liche Destabilisierung wird gleichzeitig 
als Vorwand für militärisches Eingrei¬ 
fen genutzt. 

Wie in der Zeit der Vorbereitungen 
des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren 
geht es auch heute um die Neuauftei¬ 
lung der Welt. Waren vor 100 Jahren 
einige der kapitalistischen Industrie¬ 
staaten - allen voran das Deutsche Kai¬ 
serreich - bei der Aufteilung der über¬ 
seeischen Kolonien zu kurz gekommen 
und sahen daher den einzig möglichen 
Ausweg in einer Neuaufteilung mit 
militärischen Mitteln, so geht es heute 
um eine Neuordnung der neokoloni¬ 
alen Einflusssphären, die Ausbeutung 
des schier unbegrenzten Potentials an 
Arbeitskräften, die Beherrschung der 
Märkte und nicht zuletzt um den un¬ 
gehinderten Zugang zu natürlichen 
Ressourcen und die Absicherung der 
Transportwege von Rohstoffen und 
Waren. Dabei haben die verschiedenen 
Mitgliedstaaten der EU und der NATO 
durchaus unterschiedliche Interessen, 
die sich zum Teil gegenseitig ergänzen 
oder auch widersprechen. Im Unter¬ 
schied zur Situation vor 100 Jahren ist 
die Gefahr eines Krieges zwischen den 
imperialistischen Hauptmächten heu¬ 
te jedoch relativ gering, dafür wächst 
die Gefahr von immer neuen größeren 
und kleineren Kriegen der imperialis¬ 
tischen Hauptmächte in anderen Regi¬ 
onen der Welt. (...) 



Hans-Peter Brenner: 

Die Frage der „europäischen Integration“ 
und die Dialektik 


... Ich halte einen weiteren Punkt für 
besonders erwähnenswert, weil er mit 
sehr aktuellen Debatten in der heuti¬ 
gen europäischen Linken verknüpft ist. 
Dies ist die Diskussion über die „Verei¬ 
nigung Europas“ als eine weitere Ant¬ 
wort auf den Krieg. In der Resolution 
der Berner Konferenz einiger Bolsche- 
wiki von August 1914 wurde nicht nur 
auf die konsequente revolutionäre und 
antimilitaristische Propaganda zum 
Sturz der bürgerlichen Regierungen 
und Parteien in allen Ländern orien¬ 
tiert. Als zweite Aufgabe wurde außer¬ 
dem die Propaganda für die „deutsche, 
die polnische, die russische usw. Repu¬ 
blik und zugleich für die Umwandlung 
aller einzelnen Staaten Europas in repu¬ 
blikanische vereinigte Staaten von Eu¬ 
ropa“ genannt. 

Bei der Überarbeitung dieser Resolu¬ 
tion, die Lenin als „etwas schwer (zu) 
lesen“ eingestuft hatte, zu einem offizi¬ 
ellen „Manifest“ des ZK der Sozialde¬ 
mokratischen Arbeiterpartei Russlands 
(SDAPR) wurde diese Orientierung 
auf ein „Vereintes Europa“ nur vier 
Wochen später zwar wiederholt, aber 
zugleich auch mit Bedingungen verse¬ 
hen. Die Passage lautete nun: 

„Die nächste politische Losung der eu¬ 
ropäischen Sozialdemokratie muss die 
Gründung der republikanischen Staa¬ 
ten von Europa sein, wobei die Sozial¬ 
demokraten zum Unterschied von der 
Bourgeoisie, die alles mögliche zu ver¬ 
sprechen 4 bereit ist, nur um das Prole¬ 


tariat in den allgemeinen Strom des 
Chauvinismus hineinzureißen, die Ar¬ 
beiter darüber aufklären werden, dass 
diese Losung durch und durch verlogen 
und sinnlos ist, wenn die deutsche, die 
österreichische und die russische Mon¬ 
archie nicht auf revolutionärem Wege 
beseitigt werden.“ Auf einer Konferenz 
der Auslandssektionen der SDAPR 
Ende Februar/Anfang März 1915 wur¬ 
de dieses Manifest des Zentralkomitees 
ausführlich weiter diskutiert. 

Die Konferenz verabschiedete mehrere 
Resolutionen über den Charakter des 
Krieges, über die Losung der „Vater¬ 
landsverteidigung“, über die Losungen 
der revolutionären Sozialdemokratie, 
den Zusammenbruch der II. Internati¬ 
onale, die Gründung der III. Internatio¬ 
nale, etc. In einer kurzen Vorbemerkung 
verwies Lenin darauf, dass auf dieser 
Konferenz der Auslandssektionen „die 
Diskussion über die Losung der gerei¬ 
nigten Staate von Europa 4 einseitig po¬ 
litischen Charakter annahm und dass 
der Beschluss gefasst wurde, die Frage 
bis zur Erörterung ihrer ökonomischen 4 
Seite in der Presse zu vertagen.“ 

Im Juli 1915 veröffentlichte Lenin dann 
seine berühmt gewordene Broschüre 
Sozialismus und Krieg“. Darin vertei¬ 
digte er das Recht auch der kleinen Na¬ 
tionen auf nationale Selbstbestimmung. 
Die internationale Bourgeoisie führe 
diesen Krieg mit der lügnerischen Paro¬ 
le der „Völkerbefreiung“. „Die Englän¬ 
der versprechen Belgien, die Deutschen 


Polen die Befreiung usw. In Wirklich¬ 
keit wird dieser Krieg ... von den Un¬ 
terdrückern der Mehrzahl der Nationen 
der Welt geführt, um diese Unterdrü¬ 
ckung zu festigen und zu erweitern. Die 
Sozialisten können ihr großes Ziel nicht 
erreichen, ohne gegen jede Art von na¬ 
tionaler Unterdrückung zu kämpfen. 
Sie müssen daher unbedingt fordern, 
dass die sozialdemokratischen Partei¬ 
en der unterdrückenden Länder (insbe¬ 
sondere der ,Großmächte) das Selbst¬ 
bestimmungsrecht der unterdrückten 
Nationen anerkennen und verfechten 
und zwar ausdrücklich im politischen 
Sinne des Wortes, d.h. als Recht auf po¬ 
litische Lostrennung ... 44 
Ganz in diesem Sinne vertritt die DKP 
in ihrem Programm zur Wahl des EU- 
Parlament im kommenden Mai das 
Recht der von der EU und der „Troi¬ 
ka“ ausgeplünderten kleineren und in 
die Überschuldung gestürzten EU- 
Mitgliedsländer auf Austritt aus die¬ 
ser Konstruktion des Imperialismus. 
Diese EU ist nicht einmal ein traditio¬ 
neller Vielvölkerstaat, wie es zu Lenins 
Zeiten das zaristische Russland war; 
sondern ein von den europäischen - 
darunter vor allem den deutschen 
Großbanken und Großkonzernen - 
dominiertes künstliches Produkt. Hier 
gilt umso mehr das Recht auf Lostren¬ 
nung und Loslösung; von dem damals 
bei Lenin die Rede war. (...) 

(...) Hielt Lenin damals und hält die 
DKP heute deshalb die Kleinstaaterei 


für die Alternative? Gewiss nicht. Le¬ 
nin formulierte es so: „Die Verteidigung 
dieses Rechts (auf Lostrennung) ist kei¬ 
neswegs ein Ansporn zur Bildung von 
Kleinstaaten, sie führt im Gegenteil zu 
weit freierer, furchtloserer und daher 
breiterer und allgemeinerer Bildung 
von Großstaaten und Staatenbünden, 
die für die Masse von größerem Nutzen 
sind und der ökonomischen Entwick¬ 
lung besser entsprechen.“ Und schlie߬ 
lich: „Die Idee der rechtlichen Abson¬ 
derung der Nationen voneinander (...) 
ist eine reaktionäre Idee.“ 

Um dann den Gedankengang zu be¬ 
enden mit den Sätzen: „Der Imperi¬ 
alismus ist die Epoche der fortschrei¬ 
tenden Unterdrückung der Nationen 
der ganzen Welt durch eine Hand¬ 
voll ,Groß 4 mächte, und darum ist der 
Kampf für die internationale sozialisti¬ 
sche Revolution gegen den Imperialis¬ 
mus unmöglich ohne Anerkennung des 
Selbstbestimmungsrechts der Nationen. 
,Ein Volk, das andere unterdrückt, kann 
sich nicht selbst emanzipieren. 4 (Marx 
und Engels). Ein Proletariat, das sich 
auch nur mit dem kleinsten Gewalt¬ 
akt seiner 4 Nation gegen andere Nati¬ 
onen abfindet, kann nicht sozialistisch 
sein.“Wir sehen also, wie bei Lenin die 
Frage der Dialektik von Nationalem 
und Internationalem nicht in einem 
„Entweder-Oder“ versandet, sondern 
wie genau er zwischen den nationalem 
Empfindungen und Interessen poli¬ 
tisch unterdrückter Völker und derje¬ 
nigen von Angehörigen unterdrücken¬ 
der Staaten unterscheidet. Das Recht 
auf Loslösung und Lostrennung von 
staatliche Großverbänden oder „Staa¬ 
tenbünden 44 - wie es heute die EU ist - 
wird immer auch in Verbindung gesetzt 


mit dem gemeinsamen übergeordneten 
Interesse des internationalen Kampfs 
gegen den Imperialismus. 

Doch noch im selben Monat nimmt Le¬ 
nin in einem neuen Grundsatzartikel 
mit dem Titel „Über die Losung der 
Vereinigten Staaten von Europa“ die¬ 
sen Diskussionsfaden neu auf. Er knüpft 
an der Diskussion auf der Auslandskon¬ 
ferenz der SDAPR vom März des Jahres 
1915 an und stellt fest, dass die Debatte 
um die Losung der „Vereinigten Staa¬ 
ten von Europa“ einen „einseitig poli¬ 
tischen Charakter“ angenommen habe. 
Diese Losung sei im politischen Sinne 
„völlig unanfechtbar“, wenn man sie in 
den Zusammenhang mit dem Sturz der 
drei reaktionärsten europäischen Mo¬ 
narchien stelle: dem wilhelminischen 
Deutschland, dem habsburgischen Ös¬ 
terreich und dem zaristischen Russ¬ 
land. Doch es bleibe damit die „sehr 
wichtige Frage nach dem ökonomi¬ 
schen Inhalt und Sinn dieser Losung“ 
bestehen. „Vom Standpunkt der öko¬ 
nomischen Bedingungen des Imperi¬ 
alismus, d.h. des Kapitalexports und 
der Aufteilung der Welt durch die 
„fortgeschrittenen“ und „zivilisierten“ 
Kolonialmächte, sind die Vereinigten 
Staaten von Europa unter kapitalisti¬ 
schen Verhältnissen entweder unmög¬ 
lich oder reaktionär.“ Das ist auch der 
leitende Gedanke unseres Wahlpro¬ 
gramms zur EU-Wahl: „NEIN zum 
Europa der Banken und Konzerne! 
JA zum Europa der Solidarität und 
des Widerstands! 


Auszüge aus den Referaten von Daniel 
Bratanovic und Willi Hoffmeister erschei¬ 
nen in der nächsten Ausgabe der UZ 







14 Freitag, 28. Februar 2014 


unsere zeit m 


Anzeigen 


Wir trauern um unseren Freund, den Dokumentarfilmer 


Manfred Vosz 

4.10.1935-16.2. 2014 


Andreas Achenbach, Marina Achenbach, Angela Antoni, 
Ernst Antoni, Wolfgang Breuer, Stephan Brüggenthies - 
Filmbüro NRW, Volker Donath, Thomas Frickel (AG Dok), 
Uli Gellermann, Magdi Gohary, Almut Hielscher, Erwin Jeda- 
mus, Till Kayser, Uta König, Rainer Korners, Hermann Kopp, 
Emmi Menzel, Helmut Menzel, Rolf Neddermann, Erwin 
Michelberger, Christel Priemer, Horst Schäfer, Ilse Schäfer, 
Rosemarie Schatter, Gudrun Schellemann, Erasmus Schö- 
fer, Fred Schmid, Sonja Schmid, Dietrich Schubert, Conrad 
Schuhler, Peter Strutynski, Hannes Stütz, Dieter Süverkrüp, 
Ingrid Süverkrüp, Ute Wagner-Oswald, Ingeborg Weber, 
Tina Weber, Rodja Weigand 


Wir nehmen Abschied von 

Manfred Vosz, 


unserem Gefährten, unserem Mann, 
unserem Vater, unserem Opa. 

Heidrun Lotz, Idania Vosz, Janosch Voss, Florian Voß, 
Milla Voss, Lenny Voss, Phil Martini 


Einladung 

* Bildungskommission des Parteivorstandes 

Samstag, 8. März 2014,11.00 Uhr 
Hannover, Bezirksbüro der DKP Niedersachsen 
Achtung, neue Adresse: Göttinger Straße 58,30449 Hannover 

Es wird um Anmeldung gebeten: 
dkp-pv@t-online.de 





Deutitht Kammuniilliehe Partei 



50 Jahre 

Marxistische Blätter 

Blick nach vom auf die Herausforderun¬ 
gen Robert Steigerwald'* Dass er das Wissen 
trägt ... Warum man Aufklärung auch 
heute nicht allein denken und aufschrei¬ 
ben, sondern organisieren muss Dietmar 
DathA Doppelter Boden der Marx-Renais¬ 
sance Georg Fülberth* »Westlicher Marxis¬ 
mus« und »östlicher Marxismus« - Eine 
unglückselige Spaltung Domenico Losurdo 
★Aufgabe der Marxistinnen im Verteidi¬ 
gungskampf der Gewerkschaften Anne Rieger 

Weitere Beiträge: 

Was macht das revolutionäre Subjekt ohne Be¬ 
wusstsein? Na nix. Patrik Köbele* Marxismus für 
die A-Klasse - zu Kontinuitäten und Diskontinu¬ 
itäten Manfred Sohn*Zur russischen Syrienpolitik 
und den Gründen ihres Erfolgs im Herbst 2013 
Willi Gerns*Wolfgang Abendroths Stellung in der 
gegenwärtigen Demokratiedebatte Norman Paech 
★ Neue Periode sozialer Unruhe - Zur Rolle 
der neuen »lohnabhängigen Mittelklasse« Frank 
Deppe*Grund zur Resignation? - Ein kurzer Blick 
auf die Friedensbewegung Peter Strutynski u.v.a. 



Einzelpreis 9,50 € 
Jahresabo 48,00 € 
ermäßigtes Abo 32,00 € 


Neue 

Impulse 

Verlag 

Hoffnungstraße 18 
45127 Essen 
Tel.:0201-24 86 482 



Zum Internationalen Frauentag 

Naturfreundinnen im Widerstand 
gegen das Vergessen.... 



Johanna Kirchner Lore Wolf 

(Sozialdemokratin) (Kommunistin) 


Eine Spurensuche mit Texten und Gedichten, 
zusammengestellt und vorgetragen von 
Frankfurter NaturFreundinnen. 

Musikalisch begleitet von der Band POLITOKK. 

Freitag, 7 . März 2014 im Wiener Hof 
Offenbach-Bieber, Langener Str. 23 
Beginn 19.30 Uhr - Eintritt 8,-€ 

DKP Offenbach 


Jung, weiblich, prekär - nicht mit uns! 

Unter diesem Motto findet die diesjährige Veranstaltung zum 
Internationalen Frauentag der DKP Baden-Württemberg, 
des Waldheim Gaisburg und der SDAJ Baden-Württemberg statt. 

Sonntag, den 9. Marz 2014 von 14 -17 Uhr Waldheim 
Gaisburg, 70186 Stuttgart, Obere Neue Halde 1 

Programm: 

Beiträge zum Thema von 

Christa Hourani (Betriebsrätin in einem Großbetrieb) 
Monika Münch-Steinbuch (Ärztin), Genossin der SDAJ 

Kulturprogramm: 

gestaltet von der Songgruppe „Die Marbacher” 

Am Cuba-Stand gibt es Getränke von der roten Insel, Kaffee, 
Schokolade und vieles mehr 
Bücherstand mit Frauenliteratur und aktuellen Titeln 


Wahlhelferinnen gesucht! 

Zur Absicherung unserer Kandidatur benötigen wir noch Unterstützung! 
Unterschriften sammeln, Plakate aufhängen, Infostände machen und 
Zeitungen stecken? Du kannst gar nicht genug davon bekommen und 
möchtest nette Leute treffen? 

Dann spende uns deine Zeit und wir machen es möglich! Ab sofort! 

Bitte melden unter: dkp.essen@dkp-essen.de 



Weingut Eicher 

Rheinterrassen 
Bachstraße 7, 67577 Alsheim 
Tel.: 06249 - 4128, Fax.: 67263 
Email: info@weingut-eicher.de 


Urlaub im Lotsenhaus 
an der Ostsee 

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Näheres: Tel. 03831 -459 366 
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Berlin-Spandau preiswerte Ferien¬ 
wohnung für 5 Personen (2 Zimmer, 
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Näheres Tel./Fax: 033 231/60661 


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Narbonne-Plage 
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Hiltraut Wurm, 08144 7200 



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Nationalpark. 2 Fe Wo je 2-3 Fers, 
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Tel.: 03317870795 (AB) 


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www.toskana-biohof.de | 0039.0566. 81478 

Ökohof im Olivenhain, 
weiter Blick, Stille; 
große helle Zimmer, 
viele gute Bücher, 

Haus oder Häuschen; 
Kinderparadies. 



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U jetzt »este" en - 


Aus dem Inhalt: Nicht in un¬ 
serem Namen! Die Frauen 
der großen Koalition stehen 
für Krieg und Sozialabbau * 
Kämpfen lohnt sich: Beispiel 
Einzelhandel * Aufruf zum Os¬ 
termarsch * Frauen stehen 
hinten an: Bei den Löhnen, 
Renten und in der Ausbildung 
* DKP-Kandidatur zur EU-Wahl 
für Frauenrechte * Vier Kandi¬ 
datinnen stellen sich vor * 

m 




Wohnungs- und 
mietenpolitische 
Konferenz der DKP 


Die wohnungs- und mietenpo¬ 
litische Konferenz der DKP soll 
Theorie und Praxis verbinden, einen 
Erfahrungsaustausch leisten und 
so konkrete Hinweise erarbeiten, 
die unmittelbar Anwendung vor Ort 
finden können. In weiteren Schritten 
soll daraus ein aktuelles wohnungs- 
und mietenpolitisches Programm 
der DKP entwickelt werden. 

Tagungsbeitrag 10 Euro, ermäßigt 
6 Euro. Um Anmeldung wird 
gebeten: dkp.pv@t-online.de 

Samstag 22. März 2014 

10 bis 17 Uhr, 

Frankfurt am Main, Haus Gallus, 
Frankenallee 111, Seminarraum 3 


DKP / Karl-Liebknecht-Schule 

Am Stadtpark 68,51373 Leverkusen 
Tel: 0214/45418, kls@karl-liebknecht-schule.org 
www.karl-liebknecht-schule.org 

Wochenendseminar Sa./So. 22723. März 2014 

Klassenkampf, Partei, Demokratie und 
Sozialismus (Teil 1) 

Referenten: Hans-Peter Brenner, Jürgen Lloyd 

„Ziel der DKP ist der Sozialismus/Kommunismus. Unter der 
Voraussetzung des gesellschaftlichen Eigentums an den Pro¬ 
duktionsmitteln und der gesamtgesellschaftlichen Planung der 
Produktion kann in einem längeren historischen Prozess eine 
Ordnung menschlichen Zusammenlebens entstehen, »worin die 
freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwick¬ 
lung aller ist«. (K. Marx / F. Engels: Manifest der Kommunistischen 
Partei, 1848) Für dieses Ziel die Arbeiterklasse und die Mehrheit 
der anderen Werktätigen zu gewinnen - darum geht es der DKP.“ 
(aus dem Programm der DKP) 

Es gibt guten Grund, uns damit zu beschäftigen, was wir aus die¬ 
sem im Programm unserer Partei formulierten Anspruch für unse¬ 
re Politik folgern. Unser Seminar bietet Platz, die Grundlagen un¬ 
seres Politikverständnisses zu klären und die Diskussion darüber 
gemeinsam mit anderen Genossinnen und Genossen zu führen. 

Themen: 

• Wissenschaftlicher und utopischer Sozialismus 

• Der „subjektive Faktor“: Bewusstseinsentwicklung 
und Ideologie 

• Rolle und Charakter der Kommunistischen Partei 

Für den 879. November ist ein Folgeseminar zu diesem Thema 
geplant. Beide Seminare können aber auch separat besucht 
werden. 

Um rechtzeitige Anmeldung wird gebeten. 

Die Anreise kann bereits Freitag zwischen 17 und 22 Uhr erfolgen. 
Beginn Samstag 10.30 Uhr. Ende Sonntag gegen 14 Uhr. 


Einladung 

Nach dem zweiten Treffen von Mitgliedern der DKP und anderen Mar¬ 
xistinnen, die sich im Widerspruch zu den Beschlüssen des 20. Partei¬ 
tags der DKP sehen, lädt das Sekretariat des Parteivorstandes gemäß 
des Beschlusses der 6. PV-Tagung (www.dkp-online.de/pv) die Mit¬ 
glieder der DKP, die daran teilgenommen haben, zu einer Aussprache 
ein. Diese findet statt am 

Sonntag, 6. April 2014 , 11.15 bis 15 Uhr, 

Sitz des Parteivorstandes, Hoffnungstraße 18 , Essen 

Das Anliegen ist es, laut Beschluss die vorhandenen Widersprüche 
produktiv zu machen. Neben der notwendigen Debatte um die auf 
den Treffen und in der Antwort des Parteivorstandes aufgeworfenen 
Fragen (Strategische Orientierung der DKP, Rolle und Aufgaben der 
Kommunistischen Partei, Organisationsprinzipien der DKP) ist die 
wichtigste Zielstellung, zu einer gemeinsamen Umsetzung der Be¬ 
schlüsse zur Parteistärkung zu kommen. 

Um Anmeldung wird gebeten: dkp.pv@t-online.de 


Einladung 

Kommission Betriebs- und Gewerkschaftspolitik 

Sonntag, den 30. März 2014,11.00 bis 16.00 Uhr 

Büro der DKP-Niedersachsen 
Göttinger Straße 58 in Hannover 

Als Tagesordnung ist vorgesehen: 

1. Terminplanung der Kommission 

2. Gewerkschaftspolitisches Forum am 03./04.05.2014, 

Leverkusen, Inhalt und Ablauf 

3. Zentrale Orientierungen: TTIP, Tarifeinheit, Normalarbeitsverhältnis 

4. Konferenz zur Arbeitszeitverkürzung am 18.10.2014, Hannover 

5. UZ-Pressefest 

6. Verschiedenes 

Um Anmeldung wird gebeten: dkp.pv@t-online.de 


/MpSWfoM 


ßHE@G®ME üfflfö 

















































m unsere zeit 


Pressefest / Leserbriefe / Termine / Impressum 


Freitag, 28. Februar 2014 


Starker Tobak 

Betr.: Interview mit Gerd Kupfer, 

UZ vom 21.2.2014 

Als gelegentlicher Leser der UZ und 
mit dem Mercedes-Werk in Bremen 
Verbundener möchte ich mich zu dem 
Interview mit Gerd Kupfer äußern. Vor¬ 
ab möchte ich aber erst einmal feststel¬ 
len, dass der Artikel auf der Hinter¬ 
grundseite Werkverträge das Thema 
gut beleuchtet und auch gleichzeitig die 
Meldung Hungerlohn am Fließband ei¬ 
gentlich erklären müsste. Hierbei han¬ 
delt es sich ja wohl eindeutig um einen 
Werkvertrag. Die direkte Weisung von 
Daimler Beschäftigten ist dann ein kla¬ 
rer Verstoß gegen das Arbeitnehmer¬ 
überlassungsgesetz, nicht aber das un¬ 
terschiedliche Entgelt. Hier sieht man, 
dass Journalisten weit weg sind von der 
Realität der Arbeitswelt und sich dann 
leider von Konzernjuristen wie bei 
Daimler sagen lassen müssen, dass sie 
nicht unrecht gehandelt haben. 

Fünf Jahre Gefängnis für alle, die mit 
Leiharbeit zu tun haben. Das ist star¬ 
ker Tobak, aber Moralgelaber, würde 
im Ernstfall dann ja auch Betriebsräte 
und Gewerkschaften sowie Politiker 
hinter Schloss und Riegel bringen. Hat 
doch die Zukunftssicherungvereinba¬ 
rung bei Daimler eine Regelung vor 
fast einem Jahrzehnt geschaffen, was 
diese Form von Befristungen und Leih¬ 
arbeit mit acht Prozent begrenzt, wo der 
Anteil dieser Beschäftigungsart in an¬ 
deren Betrieben weitaus höher lag und 
hegt, z. B. bei BMW mit über 30 Prozent. 
Solche (Daimler-) Vereinbarungen wa¬ 
ren die Grundlage für den Tarifvertrag 
der IG Metall, Leiharbeit zu regulieren. 
Von daher hat die IGM Bedeutendes 
auf die Reihe bekommen. 

Nach meiner Kenntnis hat es auch weit 
über 500 Festeinstellungen nach 2010 
bei Daimler gegeben, das müsste ein 


Betriebsrat eigentlich wissen. Unstrit¬ 
tig ist, dass Leiharbeit, Befristung und 
Werkverträge reguliert, eingeschränkt 
und teuer gemacht werden, dass die 
Unternehmen unter Druck geraten 
und die Betroffenen bedeutend bes¬ 
sere Entgeltbedingungen bekommen 
als die Stammbelegschaft. Auch eine 
Diskussion des generellen Verbots ist 
denkbar. Grundsätzlich bedarf es dazu 
eines Ausbaus der betrieblichen Mitbe¬ 
stimmung, speziell zu Werkverträgen. 
Heute weiß eher der Pförtner, wie vie¬ 
le Werkverträge auf dem Gelände sind, 
als der Personalchef - geschweige denn 
die Betriebsräte. Wenn Kollege Kupfer 
Mitglied der IG Metall wäre, müsste er 
das alles wissen. Alle dargestellten Ak¬ 
tionen sind doch sicherlich von den IG 
Metall-Vertrauensleuten und -Betriebs¬ 
räten unterstützt und begleitet worden. 
Warum muss man eigentlich immer sol¬ 
che Seitenhiebe wie IG Metall und BR 
austeilen? 

Mit kollegialen Grüßen 

Karl- Heinz Trecker ; Bremen 

Anmerkung der Redaktion: Gerd Kup¬ 
fer ist Mitglied und Vertrauensmann der 
IG Metall 

Der Platz der DKP 
in der Gesellschaft 

Betr. Zum Leserbrief von S. Kasse¬ 
baum, UZ vom 14.2.2014 

„Wenn ... ein Sekretariatsmitglied sich 
berufen fühlt, die Besonderheit und Au¬ 
tonomie der Kommunisten zu betonen“ 
so stellt es sich damit an die Seite ande¬ 
rer „Sektierer“: „In allen diesen Bewe¬ 
gungen heben (die Kommunisten) die 
Eigentumsfrage ... als die Grundfrage 
der Bewegung hervor.“ (Marx-Engels, 
Manifest) K. ündet es folgerichtig, wenn 
dann die „nicht-kommunistischen Mit¬ 


streiter ... mit der DKP ...kein Bünd¬ 
nis eingehen wollen.“ Damit verkennt 
er aber das Wesen von Bündnissen: zu¬ 
sammen für gemeinsame Interessen 
streiten, trotz Differenzen in anderen 
Fragen. 

Wenn mögliche Partner mit uns deshalb 
kein Bündnis eingehen sollten, zeigt das 
dann, dass ihnen ihre Vorbehalte wich¬ 
tiger sind als die Ziele des Bündnisses. 
(Das habe ich selbst in Jahrzehnten al¬ 
lerdings nie erlebt, dass man mich als 
Kommunisten von der Teilnahme am 
Kampf für sozialen und demokrati¬ 
schen Fortschritt ausgeschlossen hätte.) 
Also nur Mut! Nochmal das Manifest: 
„Die Kommunisten verschmähen es, 
ihre Ansichten und Absichten zu ver¬ 
heimlichen.“ Es würde auch nichts nüt¬ 
zen, wenn die Partner uns mitspielen 
lassen, weil sie gar nicht merken, dass 
wir Kommunisten sind. 

Ich sehe auch keinen Grund, ange¬ 
sichts „unserer erdrückenden Erblast“ 
im Büßergewand daherzukommen. Zu 
unserem Erbe gehören nicht nur Feh¬ 
ler, sondern auch großartige Leistun¬ 
gen, wie die Abschaffung von Ausbeu¬ 
tung und Arbeitslosigkeit; ebenso der 
Kampf der KPD gegen die Nazis, vor 
und nach der Machtübertragung bis 
zum Schluss. Dazu gehört auch der we¬ 
sentliche Beitrag der Sowjetunion und 
der Roten Armee zur Zerschlagung des 
Faschismus. Auf ähnlich positive Seiten 
in ihrem Erbe können sich nicht viele 
berufen. 

Fritz Dittmar, Hamburg 


Wir bitten darum, uns kurze Leserzu¬ 
schriften zuzusenden. Sie sollten unter 
der Länge von einer Spalte bleiben. Die 
Redaktion behält sich außerdem vor, 
Leserbriefe zu kürzen. 

Die Redaktion 


termine@unsere-zeit.de 


FR ★ 28. FEB 


SA ★ 8. MARZ 


Berlin: Veranstaltung der DKP-Gruppe Trep¬ 
tow-Köpenick zum EU-Wahlkampf: „Wie 
funktioniert das politische System der EU? 
Welche Positionen hat die DKP zur EU?“ mit 
Rainer Perschewski, Landesvorsitzender der 
DKP Berlin. PRO, Kiefholzstraße 275,18.00 
Uhr_ 

Barhöft: „Ja zum Europa der Solidarität und 
des Widerstands gegen die EU!“ Bildungs¬ 
wochenende der DKP Mecklenburg-Vor¬ 
pommern mit den Kandidatinnen der DKP 
für die EU-Wahl Olaf Harms, Tunia Erler und 
Robert Kühne. Beginn: 31.2.2014, 18.00 
Uhr, Ende: 2.3.2014,16.00 Uhr. Infos: www. 
dkp-mv.de/bildung, Anmeldung: bildung@ 
dkp-mv.de. 


MO ★ 3. MÄRZ 


Hamburg: „Rechtspopulisten in der Euro- 
päischen-Union - Alternativen für Europa?“ 
Berichte, Hintergründe und Diskussionen 
auf dem Gruppenabend der DKP Langen¬ 
horn-Fuhlsbüttel. Bürgerhaus Langenhorn, 
Tangstedter Landtraße 41,19.00 Uhr. 


Ml ★ 5. MÄRZ 


Braunschweig: „Gewerkschaftspolitik und 
kommunistische Betriebspolitik-Anspruch 
und Wirklichkeit!“ Diskussion der DKP mit 
Detlef Fricke, Mitglied des Parteivorstandes 
der DKP. Brunsviga, Raum G4, Karlstraße, 
19.30 Uhr. 


FR ★ 7. MÄRZ 


Offenbach: „Naturfreundinnen im Wider¬ 
stand“ , Frauentagsveranstaltung der DKP. 
Eine Spurensuche der Frankfurter Natur- 
Freundinnen mit Texten und Gedichten, 
musikalisch begleitet von der Band Politokk. 
Wiener Hof, Langenerstraße 23,19.30 Uhr. 
Eintritts Euro/erm. 5 Euro. 


Düsseldorf-Gerresheim: „Der Kampf der 
Frauen in Griechenland für die Stärkung des 
Volksbündnisses, gegen die Monopole und 
die EU“Frauentagsveranstaltung der DKP 
mit Anna Grigoriadou, Vertreterin der KKE, 
und dem Saz-Spieler und Sänger Ozan. „Zur 
Isa“, Friedrich-Wilhelm-Straße 5,15.00 Uhr. 

Hamburg: „Krieg schafft keinen Frieden.“ 
Frauentags-Veranstaltung der DKP Langen¬ 
horn-Fuhlsbüttel mit Friedensfrauen, Lesung 
und Livemusik, Klönschnack bei Kaffee und 
Kuchen und Roten Nelken. Grüner Saal“, Im 
Grünen Grunde Id, 15.00 Uhr. Eintritt frei. 

Hattingen: „Bertha von Suttner: Die Waffen 
nieder! - Porträt einer Rebellin“, Veranstal¬ 
tung der DKP zum Internationalen Frauen¬ 
tag. Bürgertreff Blankenstein, Marktplatz 
3-5,17.00 Uhr. Eine Kostenbeteiligung von 
7 Euro ist, soweit möglich, erwünscht. 


SO ★ 9. MÄRZ 


Essen: „Trautes Heim - Glück allein?“ Bun¬ 
te Revue des DKP-Frauenarbeitskreises mit 
Texten, Sketchen und Musik. Zeche Carl, 
Wilhelm-Nieswand-Allee 100, 12.00 Uhr, 
Einlass 11.30 Uhr. Eintritt 5 Euro/erm. 3 
Euro. 

Bremen: Veranstaltung der DKP Land Bre¬ 
men zum Internationalen Frauentag mit 
Wera Richter, stellvertretende Vorsitzende 
der DKP. Das Musiktheater TonArt spielt das 
Programm „Radio Solidarität-Wir kommen 
bei 90,4 auf den Punkt“ (mit großer Beset¬ 
zung). Nachbarschaftshaus Helene-Kaisen, 
Beim Ohlenhof 10,15.00 Uhr. 


DO ★13. MÄRZ 


Essen: „Che Guevara: Mehr als ein T-Shirt- 
Motiv“, Öffentliche Mitgliederversammlung 
der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba 
e.V., Regionalgruppe Essen. Gaststätte Lin¬ 
ker, Oberdorfstraße 34,18.00 Uhr. 


Der Pressefest-Buttonverkauf ist eine Erfolgsgeschichte 

Die Hälfte der Zielstellung wurde bereits überschritten - aber das Ziel ist noch nicht erreicht 


Fast 20 000 Euro wurden bisher beim 
Parteivorstand der DKP für die Buttons 
zur Vorfinanzierung unseres Pressefes¬ 
tes abgerechnet. 3 833 verkaufte But¬ 
tons stecken dahinter. Der Optimist 
wird sich nun freuen: Über die Hälfte 
des Ziels wurde gestemmt. Der Pessi¬ 
mist wird die noch fehlende Anzahl von 
3 167 Stück anmahnen. 

Wie auch immer: Die Aufgabe der Par¬ 
tei und der Freundinnen des Presse¬ 
festes liegt auch weiterhin darin, den 
Butttonverkauf mit dem gleichen Elan 
weiterzuführen, mit dem er begonnen 
hat. Trotz des tollen Zwischenstandes 
ist das Ziel noch nicht erreicht, das er¬ 
forderlich ist, das Pressefest finanziell 
abzusichern. Und noch schöner ist der 
Gedanke, das Ziel überzuerfüllen, das 
gäbe gar noch ein Polster. 


In der untenstehenden Tabelle ist - wie 
es so schön heißt - nach bestem Wissen 
und Gewissen der Stand der verkauften 


Bezirk 

Buttons 

Baden-Württemberg 

645 

Berlin 

401 

Hamburg 

280 

Hessen 

302 

Nordbayern 

243 

Rheinland-Pfalz 

57 

Rheinland-Westfalen 

568 

Ruhr-Westfalen 

591 

Saarland 

112 

Schleswig-Holstein 

45 

neue Länder 

60 

nicht zuordbar 

529 

Summe 

3 833 


Buttons nach Bezirken aufgelistet. Zum 
genauen Verständnis einige Sätze: 

Es konnten nicht alle Zahlungseingän¬ 
ge genau zugeordnet werden: Immer¬ 
hin wurde die Summe von 2 645 Euro 
in Teilbeträgen auf das Pressefestkonto 
überwiesen. Und wenn dann beispiels¬ 
weise auf den Bankbelegen ausschlie߬ 
lich (die Banken übertragen nicht mehr 
alle Zeilen bei Überweisungen) übrig 
bleibt als Verwendungszweck „500 
Euro für Pressefestbuttons“ mit dem 
Absender „Deutsche Kommunistische 
Partei“, wären schon mehr hellseheri¬ 
sche Fähigkeiten für die genaue Einord¬ 
nung erforderlich als die, über die der 
Bundeskassierer ohnehin schon verfügt 
und die überdies durch die materialisti¬ 
sche Weltanschauung auch nicht abge¬ 
deckt werden. 



Langer Schreibe kurzer Sinn: Bieten wir 
weiterhin bei jeder Gelegenheit unse¬ 
ren Freunden, Nachbarn, Kolleginnen 
und allen, die wir sonst noch kennen, 
unseren Soli-Button an. Das ist nicht 
zuletzt auch Werbung, die richtig hilft! 

Werner Sarbok 


FR ★ 14. MÄRZ 


Nördlingen: „Schwarzbuch Waffenhandel“, 
Autorenlesung mit Jürgen Grässlin. Veran¬ 
staltung von DFG-VK in Zusammenarbeit 
mit KPF im KV Donau-Ries/Dillingen. Roter 
Löwe, Baidinger Straße 5,19.30 Uhr. 

Schweinfurt: „Olga Benario - Ein Leben 
für die Revolution“. Filmveranstaltung der 
DKP. DFG-VK Büro, Gabelsbergerstraße 1, 
19.00 Uhr. 


SO ★ 16. MÄRZ 


Frankfurt: „Ein (Frauen-)Leben in der kom¬ 
munistischen Bewegung“, Erzählcafe der 
DKP zum Internationalen Frauentag. DGB- 
Jugendclub, Wilhelm-Leuschner Straße/Un- 
termainkai 68,14.00 Uhr. 


Dl ★ 18. MÄRZ 


Rostock: „Frauen als politische Gefange¬ 
ne“ , Roter Stammtisch der DKP Rostock. 
Cafe Maya, Wismarsche Straße 21,19.00 
Uhr. 


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unsere zeit (UZ) - Zeitung der DKP 


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16 Freitag, 28. Februar 2014 


Die letzte Seite 


unsere zeit m 


Meine progressive Woche 

Vom 15. bis 21. Februar 


Dienstag 

Megan Rice (84) ist eine US-amerika¬ 
nische katholische Nonne. Sie hätte den 
Friedensnobelpreis verdient oder richtiger 
einen Preis, der das weltweite Renommee 
verdient, dessen jener schon längst verlus- 
tig gegangen ist. 

Megan Rice ist vor anderthalb Jahren mit 
zwei anderen Aktivistinnen auf das Ge¬ 
lände des Y-12 National Security Complex 
vorgedrungen. Y12 ist „die“ kerntechni¬ 
sche Anlage in den USA und gesichert wie 
sonst nur Fort Knox. Die drei protestier¬ 
ten dort gegen Atomwaffen und für welt¬ 
weiten Gewaltverzicht. Gleichzeitig wiesen 
sie nach, wie „sicher “ solcherlei Anlagen 
tatsächlich sind. Statt des Friedenspreises 
erhielten sie und ihre Mitstreiterinnen nun 
endgültig Gefängnisstrafen zwischen drei 
und fünf Jahren. 

Im Gerichtssaal begegneten sich Stolz und 
Schande der USA Auge in Auge. Der eine 
vor dem Richtertisch die andere dahinter. 
Es wird Zeit, dass die Seiten gewechselt 
werden. Das Spiel dauert schon allzu lang. 

Donnerstag 

775 Millionen Euro muss die Deutsche 
Bank an die Erben des verblichenen 
Medienunternehmers Leo Kirch zahlen. 
Der Vergleich folgt einer jahrelangen Ge¬ 
richtsauseinandersetzung, in der Kirchs 
Anwälte dem Geldinstitut vorgeworfen 
hatten, es habe die Pleite des Unterneh¬ 
mers durch öffentliche Zweifel an seiner 
Kreditwürdigkeit verursacht. 


775 Millionen Euro. Dafür muss eine alte 
Oma lange stricken. Für die Milliarden¬ 
jongleure des Global Players Deutsche 
Bank ist das etwas, was sie aus Image- 
Gründen öffentlich nie mehr in den Mund 
nehmen werden: Peanuts. 

Freitag 

Kein Jahr ohne Diätenerhöhung. Von 
2011 steigen die Einkünfte der Bundes¬ 
tagsabgeordneten von 7662 auf 9083 
Euro. Endlich ist das Niveau der Bun¬ 
desrichter erreicht, von dem seit Jahren 
die Rede ist. Danach sollen sich die Ab¬ 
geordneten nach dem heute beschlossenen 
Gesetz an der allgemeinen Lohnentwick¬ 
lung orientieren. 

Ein Hohn: Die Reallohnentwicklung ist 
seit Jahrzehnten rückläufig, wenn man die 
prekär Beschäftigten mitberücksichtigt - 
und wie dürfte man die ausschließen. Im 
Selbstbedienungsladen Bundestag sche¬ 
ren die Armen unserer Republik jedoch 
keinen. 2015 wird es heißen: Wir richten 
uns am Niveau der Besoldungsgruppe B 

10 (z. B. Viersternegeneräle) aus: derzeit 

11 380,93 Euro. (Es muss ja nicht immer 
die dem Justizwesen vorbehaltene Besol¬ 
dungsgruppe R sein). Diese Diätenhöhe 
wird dann 2019 erreicht. Danach kommt 
dann B11 - z. B. Erzbischöfe. Danach ist 
dann eigentlich Schluss. Aber es muss ja 
nicht dabei bleiben, was Franz Münte¬ 
fering über seinen Job einst sagte: „nur 
Papst ist schöner “ 

Adi Reiher 


Die Milliardengewinne... 



ung 


Versichertennummer 



SSI-ZERTIFIK/ 

pp gq: 


Bundesamt für Sichertu 
Tn der Informationstechi 


... haben die Krise der Krankenkassen nur verdeckt. 3 500 Mitarbeiterinnen will die - nach Beitrag zahlenden - Mitglie¬ 
derstärkste Krankenkasse Barmer GEK entlassen. Die Kolleginnen und Kollegen sind „nur“ weitere Opfer der - gar nicht 
so - schleichenden Zerschlagung des Gesundheitswesens. (Potentiell) betroffen sind alle beteiligten Gruppen, außer 
einer-den Pharma-Konzernen. 


Olympischer Glanz. Deutsches Elend 

Eine Nachbetrachtung der XXII. Winterspiele von Klaus Huhn 


D ie XXII. Olympischen Winter¬ 
spiele sind Geschichte und da 
sie mit einem Debakel für die 
Bundesrepublik geendet hatten, müht 
man sich, sie so bald als möglich in 
Vergessenheit geraten zu lassen. Um 
das klarzustellen: Kommunisten gehö¬ 
ren nicht zu denen, die einen sechsten 
Rang als Katastrophe betrachten. Wir 
gehen davon aus, dass die Athleten sich 
um Medaillen mühten, aber eben - oft 
sogar hauchdünn - an jenen Plätzen 
scheiterten, für die Medaillen vergeben 
wurden. Der Autor verzichtet darauf, 
die Tatsache zu kommentieren, dass 
30 Medaillen für die bundesdeutsche 
Mannschaft als „Ziel“ gesteckt worden 
waren und erinnert höchstens daran, 
dass seit fast drei Jahrzehnten darüber 
geschwätzt und geschrieben wird, dass 
die „unmenschliche g DDR ihre Ath¬ 
leten bestraften, wenn sie nicht mit der 
vom Politbüro beschlossenen Zahl der 
Medaillen wieder nach Hause gekom¬ 
men waren. Dass die BRD in Sotschi 
zu den wenigen Mannschaften gehör¬ 
te, die eine Athletin durch Disqualifi¬ 
kation wegen Dopings verloren, soll in 
diesem Zusammenhang auch erwähnt 
werden. Kamen die Dopingtäter nicht 
aus der DDR, weil sie Ärger oder so¬ 
gar die Stasi fürchten mussten, wenn 
sie nicht die vorgeschriebenen Medail¬ 
len ablieferten? Ich habe keine Hem¬ 
mungen daran zu erinnern und andere 
Kommunisten sollten solche Hemmun¬ 
gen auch nicht haben. 

Der „Spiegel“ hatte in seiner online- 
Ausgabe (22. 2. 14) hemmungslos den 
Hammer geschwungen: „Absturz im 


Medaillenspiegel, die Zielvorgaben 
deutlich verfehlt: Die sportliche Bilanz 
dieser Winterspiele ist aus deutscher 
Sicht unbefriedigend. Die Spitzenfunk¬ 
tionäre des DOSB sind alarmiert - in 
zahlreichen Disziplinen droht Deutsch¬ 
land, den Anschluss zu verlieren. Vor 
diesen Olympischen Winterspielen von 
Sotschi war sehr viel von Baustellen die 
Rede gewesen. Es ging um die teilweise 
skandalösen Bedingungen der Arbei¬ 
ter und um den Zeitdruck, mit dem die 
Sportstätten aus dem Boden gestampft 
werden mussten. Während der Wett¬ 
kämpfe ist eine neue Baustelle hinzu¬ 
gekommen: der deutsche Wintersport. 
Nach einer desaströs verlaufenen 
zweiten Wettkampfwoche muss die 
Olympia-Bilanz des Deutschen Olym¬ 
pischen Sportbundes (DOSB) er¬ 
nüchternd ausfallen. ,Enttäuschend 4 , 
absolut unbefriedigend 4 ,,Rückschritt 4 - 
wenn DOSB-Leistungssportdirektor 
Bernhard Schwank am Ende dieser 
Tage von Sotschi Sportart für Sport¬ 
art der Reihe nach durchgeht, werden 
manchem Verbandsfunktionär die Oh¬ 
ren klingeln. Dabei hatte es zur Halb¬ 
zeit der Spiele noch so anders ausgese¬ 
hen. Deutschland hatte den Medaillen¬ 
spiegel über Tage deutlich angeführt, 
Generaldirektor Michael Vesper 
bekam von den Kollegen anderer Na¬ 
tionen täglich Glückwünsche übermit¬ 
telt, ,wo immer ich auch auftauchte 4 
Vesper sprach bei der Zwischenbilanz 
am vergangenen Samstag von Früh¬ 
lingsgefühlen, die er verspüre. 

Eine Woche später dürfte er in der 
Herbstdepression angekommen sein. 


,Ich komme mir vor wie nach einem 
Fußballspiel, wo man zur Pause 4:0 
führt, und am Ende steht es 4:4 4 , sagte 
er. Solche Fu߬ 
ballspiele soll 
es geben.“ Fügt 
der UZ-Kom- 
mentator hinzu: 

Niemand soll 
sich wundern, 
solche Spie¬ 
le hat er auch 
schon erlebt! 

Bliebe noch 
der üble Gag, 
den sich „Bild“ 
leistete. Das Revolverblatt druckte 
eine Tabelle. Titel „Ewiger Medaillen¬ 
spiegel“ und fügte zur Erklärung hin¬ 
zu: „Die Liste der 20 medaillenträch¬ 
tigsten Nationen bei den Winterspie¬ 
len (seit 1924)“. In Sotschi fanden die 
XXII. Winterspiele statt. Deutsche nah¬ 
men an 20 teil, denn 1924 - sechs Jahre 
nach Ende des Ersten Weltkriegs - und 

1948 - drei Jahre nach Ende des Zwei¬ 
ten Weltkriegs - hatte das IOC sie für 
nicht olympiawürdig befunden. Von 

1949 bis 1990 existierte bekanntlich 
die DDR als zweiter deutscher Staat. 
Das Internationale Olympische Komi¬ 
tee erkannte es als Nation an, nahm 
demzufolge das Nationale Olympische 
Komitee der DDR in seinen Kreis auf 
und ließ ab 1956 deren Aktive bei den 
Winterspielen starten, erst in einer so¬ 
genannten gemeinsamen Mannschaft 
mit der Bundesrepublik und ab 1965 
mit einer eigenen Mannschaft. „Bild“ 
ignorierte diese Tatsachen und präsen¬ 
tierte ihren Lesern eine „ewige“ Tabel¬ 
le, die „Deutschland“ mit 129 Goldme¬ 
daillen an der Spitze sah. 

Da die DDR von allen soliden Olym¬ 
pia-Historikern akzeptiert wurde, er¬ 
gab sich tatsächlich eine etwas andere 
Tabelle, der man allerdings nicht ent¬ 
nehmen kann, dass „Deutschland“ an 
20 Winterspielen - also an 90 Prozent 
der Winterspiele teilgenommen hat¬ 
te, während die DDR nur an 40 Pro¬ 
zent der Spiele teilgenommen hatte, 
aber dabei ein Drittel aller Goldme¬ 
daillen erkämpft hatte. Das errechnete 
ich nicht, um „Hurra DDR!“ zu jubeln 
oder „Zurück zur DDR“ zu schreiben, 
sondern einzig und allein, um die Ge¬ 
schichte der Olympischen Spiele zu¬ 
rechtzurücken und das auch im Inter¬ 
esse der Athleten, die die Medaillen 


mühsam erkämpft haben und in der 
DDR gefeiert wurden. Und so sähe die 
realistische Tabelle aus: 

Bliebe noch ei¬ 
niges zu jener 
unseligen Het¬ 
ze zu sagen, die 
monatelang vor 
Sotschi gegen 
die Gastgeber 
dieser Spiele in¬ 
szeniert worden 
war. Lassen wir 
es die Nachrich¬ 
tenagentur dpa 
sagen: „Gegner 
belächelten die ersten Olympia-Win¬ 
terspiele unter Palmen lange als eine 
sündhaft teure Laune von Kremlchef 
Wladimir Putin - doch nun lacht der 
61-jährige wieder einmal zuletzt. 

Nicht nur übertraf Sotschi 2014 Russ¬ 
lands bestes Edelmetall-Ergebnis bei 
Winterspielen überhaupt. Dass das 
Riesenreich Sieger im Medaillenspiegel 
wurde, malten sich manche in Moskau 
nicht in ihren kühnsten Träumen aus. 


Auch in puncto Sicherheit glänzte Pu¬ 
tin. Auch wegen Menschenrechtsfragen 
waren die Spiele so politisch wie selten. 
Immer wieder mussten sich die Gastge¬ 
ber Kritik gefallen lassen, sie missach¬ 
teten die Rechte etwa von Homosexu¬ 
ellen, den Umweltschutz oder den An¬ 
spruch von Gastarbeitern auf Lohn für 
den Bau der teuren Olympia-Anlagen. 
Das Internationale Olympische Komi¬ 
tee (IOC) - allen voran der Deutsche 
Thomas Bach als Präsident - standen 
allerdings fest an der Seite Putins, der 
immer wieder davor warnte, Politik und 
Sport zu vermischen. 

Vor dem Hintergrund des überschwäng¬ 
lichen IOC-Lobs für eine reibungslose 
Gesamtorganisation, die nicht einmal 
die sonst üblichen täglichen Lagebe¬ 
sprechungen nötig machten, hielten 
die Russen auch Rekordausgaben von 
37,5 Milliarden Euro für gerechtfertigt. 
Auch die Ehrentribüne der Winterspie¬ 
le war rappelvoll. Dass weder der deut¬ 
sche Bundespräsident noch die Kanz¬ 
lerin dort anzutreffen waren, ließ nur 
wenige staunen. 



Einer der erfreulicheren Momente des deutschen Auftretens in Sotschi: Skisprin¬ 
gerin Carina Vogt gewinnt das erste Skispringen der Frauen in der Olympiage¬ 
schichte. 


Der rote Kanal 


Zirkus in der DDR, D 2009 

Der Staatszirkus der DDR war Welt¬ 
spitze und die Menschen liebten ihn. 
In den 30 Jahren seines Bestehens ka¬ 
men 60 Millionen Zuschauer. 

Di., 4.3., 20.15-21.00 Uhr, rbb 

Chruschtschows Reise 
durch die USA, F 2012 

Mitten im Kalten Krieg und nach 
zehn Jahren ständig geschürter Angst 
vor den Kommunisten besuchte der 
sowjetische Führer die USA. Bald 
wich die Angst der Neugier, die sich 
in einer zwölf Tage währenden me¬ 
dialen Hyperaktivität niederschlug. 
Während dieser Tage konnten Chru¬ 
schtschows Auftritte in allen Details 
am Bildschirm und vor dem Radio 
mitverfolgt werden: es war das erste 
Großereignis der Fernsehgeschichte. 
Chruschtschow gelang es mehr und 
mehr, die Amerikaner für sich einzu¬ 
nehmen. 

Di., 4.3., 22.00-23.05 Uhr, arte 

Die Welt nach Fukushima, F 2013 

Fukushima ist nach Tschernobyl das 
zweite Symbol für den atomaren Su- 
per-GAU. Infolge eines Tsunamis 


war es im März 2011 zu einer Ha¬ 
varie im Atomkraftwerk von Fuku¬ 
shima gekommen. Der Dokumen¬ 
tarfilm hinterfragt die Nutzung von 
Kernenergie im Allgemeinen und 
fragt, ob das Restrisiko beherrsch¬ 
bar ist. 

Frei., 7.3., 22.25-23.45 Uhr, arte 

Meine Tante aus Fukushima, 

D/Jp 2013 

Die junge Filmemacherin Kyoko Mi- 
yake verlässt ihre neue Heimat Lon¬ 
don, um im entfernten Japan ihre Tan¬ 
te zu besuchen, deren Leben durch die 
Fukushima-Katastrophe völlig aus der 
Bahn geworfen wurde. Entgegen al¬ 
ler Prognosen hofft die alte Dame auf 
einen baldigen Neuanfang in ihrem 
zerstörten Heimatort Namie, der zur 
Präfektur Fukushima gehört. Doch 
dann erklärt die Regierung die Stadt 
aufgrund der hohen Strahlungswerte 
endgültig zur Sperrzone. Das sehr per¬ 
sönliche Portrait gewährt Einblicke in 
eine traumatisierte Gesellschaft, die 
sich zwischen Hoffnung und Depres¬ 
sion bewegt. 

Do., 6.3., 23.15-0.30 Uhr, wdr 


Ewiger Medaillenspiegel (korrekt) 

Land 

Gold 

Silber 

Bronze 

1. SU/GUS/Russl. 

124 

92 

93 

2. Norwegen 

107 

108 

91 

3. USA 

87 

96 

72 

4. Deutschi. BRD 

86 

91 

65 

5. Österreich 

55 

58 

72 

6. Kanada 

53 

46 

48 

7. Schweden 

51 

35 

49 

8. DDR 

43 

39 

36